Wer heute mit dem Schiff durch die Galapagos-Inseln reist, wird oft mit dem Eindruck verwöhnt, der erste Besucher überhaupt zu sein. Doch der Schein trügt.
Sieht so der Garten Eden für Seelöwen aus? Ausgelassen jagen sich die verspielten Robben durch das kristallklare Wasser des Pazifiks, schlagen munter ihre Pirogen, während ihre Artgenossen faul am weissen Sandstrand liegen. Furcht vor den Menschen, die sich langsam ihrer Bucht nähern, kennen sie nicht. Nur wenig interessiert beäugen sie das Expeditionsschiff, das vor ihrer unbewohnten Insel anlegt.
Es muss genau das gleiche paradiesische Bild gewesen sein, das sich dem britischen Naturwissenschaftler Charles Darwin bot, als er 1835 zum ersten Mal Fuss auf die Galapagos setzte. Auf dem entlegenen Archipel machte er die bahnbrechenden Entdeckungen für sein Hauptwerk «Die Entstehung der Arten». Viele Jahre nach ihm hält unser Expeditionsschiff langsam Kurs auf die Insel Española. Eine Schiffsreise ist ideal, um die Galapagos kennenzulernen und gut zwischen den Hauptinseln vorwärts zu kommen. Insgesamt zählen über hundert Eilande zum Archipel, fünf sind besiedelt.
Nur auf den ersten Blick unangetastet
Mit Zodiacs werden die Passagiere an den weissen Strand von Gardner Bay gebracht. Am Rand der Bucht dösen Meerechsen im schwarzen Lavagestein. Die Ankunft der Zweibeiner scheint sie nicht zu stören. Selbst die vorwitzigen Spottdrosseln und die unscheinbaren Darwinfinken zeigen keinerlei Scheu. Der Mensch als Gast wähnt sich in einem nie vorher betretenen Naturparadies. Ausser dem Hauptort Puerto Ayora auf Santa Cruz gibt es keine grösseren Siedlungen.
Seit 1968 zählen zwar 97 Prozent der Fläche der Galapagos-Inseln als Nationalpark und auch das umliegende Meer ist weitgehend geschützt, dennoch sind die Inseln nur auf den ersten Blick unangetastet. «Man darf den menschlichen Einfluss nicht unterschätzen», sagt Heinke Jäger. Die Renaturierungsökologin analysiert an der Charles-Darwin-Forschungsstation zusammen mit der Nationalparkverwaltung den Einfluss von eingeschleppten Arten auf das Ökosystem.
In den vergangenen Jahren wurde verstärkt versucht, invasive Arten wie Ratten, Katzen und Ziegen auf verschiedenen Inseln auszurotten. Nicht immer profitieren die einheimischen Tiere und Pflanzen. Forscher beobachten, dass etwa die Verwendung von Rattengift Einflüsse auf die Bussard- und Eulenpopulation hat, die Bekämpfung der Ziegen leistet der ebenfalls eingeschleppten Brombeere Vorschub, die wiederum den einzigartigen Scalesia-Wald bedroht.
Schätze auf der Forschungsstation
Im Depot der Forschungsstation stapelt sich die beeindruckende Artenvielfalt von Galapagos in unzähligen Kisten und Schubladen: Vogeleier, Fellpräparate und riesige Krabben. Gustavo Jiménez-Uzcátegui zeigt seinen Gästen einige der wertvollsten Stücke der Darwin Foundation. «Diese Unterart der Reisratte galt lange als ausgestorben. Nun hat man sie auf einer Insel wiederentdeckt», erklärt der ecuadorianische Biologe. Wer den Alltag eines Galapagos-Forschers erleben will, folgt Jiménez-Uzcátegui nach Isabela, wo er die Vogelpopulationen beobachtet und kartiert.
Über der gebirgigen Insel kreisen rotbäuchige Fregattvögel. Blaufusstölpel und die flugunfähigen Stummelkormorane brüten entlang der Küsten. Truppen von Pinguinen schiessen durch das Wasser auf der Suche nach Nahrung. Eine einsame Riesenschildkröte sieht zu, wie ein Landleguan von einem Kaktus nascht. «Mehr als 180 Jahre nach dem Besuch Darwins gibt es hier für Forscher noch immer viel zu entdecken», sagt Jiménez-Uzcátegui. «Manchmal sogar eine neue Unterart. Ich könnte mir keinen schöneren Beruf vorstellen.»
Von Winfried Schumacher