In der Charente bestimmt der Cognac das Leben. In einem neuen Besucherzentrum erhält man nun Einblick in die Verarbeitung und Veredlung des renommierten Weinbrandes von Südwestfrankreich.
Renaud Fillioux de Gironde senkt die Stimme und spricht so leise und bedächtig, als befände er sich in einem sakralen Raum mit Sprechverbot. Dabei stehen wir nicht in einer Kathedrale, sondern im soeben neu eröffneten Besucherzentrum von Hennessy im schmucken Kleinstädtchen Cognac. Hier im Herzen der französischen Charente dreht sich alles um Cognac, dessen Verarbeitung und Veredelung ein zeitraubender, anspruchsvoller Prozess ist, der von sogenannten Master Blenders als sorgsam gehütetes Geheimnis von Generation zu Generation weitergegeben wird. Der halbdunkle Raum, in dem uns der junge Master Blender «seinen» Cognac erklärt, wirkt ausgesprochen stimmungsvoll. Hunderte sorgfältig angeschriebener Cognacfässer säumen den Weg ins «Allerheiligste», wo die vielen Besucher aus der ganzen Welt das Resultat in Form feinsten Cognacs kosten können. Durch die Lagerung im Holzfass kommt es zu einer Vermischung der Primäraromen aus dem Wein mit den Sekundäraromen aus dem Holz, wobei die Fassgrösse eines Barrique bis zu 225 Liter erreicht.
Tradition wird grossgeschrieben: Gerade übernahm Renaud – die achte Generation der renommierten Maison Hennessy – das Zepter. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts hatte James Hennessy Jean Fillioux als Master Blender bestimmt, dessen Nachkomme nun die 250 Jahre andauernde Tradition der beiden miteinander verbundenen Cognac-Dynastien weiterführt. Yann Fillioux als Repräsentant der siebten Generation entwickelte quasi als Abschiedsgeschenk seinen bedeutendsten und kostbarsten Blend, den Cognac Hennessy-8, der in einer einmaligen Sonderedition von 250 Flaschen auf wohlhabende High-End-Aficionados zielt.
Um die breite Öffentlichkeit etwas näher an die Mysterien der Cognac-Welt heranzuführen, wurde ein neues Besucherzentrum eröffnet. Es hebt insbesondere die kulturellen und geschichtlichen Dimensionen hervor und verbindet durch zeitgenössische Ästhetik die für die Cognac-Produktion typischen Materialien, also Glas, Holz und Kupfer. Die Visite startet mit einer beschaulichen Flussfahrt auf der Charente, die einen Rundumblick auf das schmucke Städtchen erlaubt; dann folgen die Keller und – je nach gewählter Tour – auch die Weinberge. Was aber Qualität, Charakter, Aroma und Alterungspotenzial der verschiedenen Blends ausmacht – das unterliegt wohl individueller Beurteilung. Der neue Master Blender gibt sich denn auch zurückhaltend, als er nach seiner Arbeitsweise gefragt wird. «Schauen, Lernen, Zuhören – und Handeln», meint der Aristokrat bescheiden.
Von Werner Knecht