Kontinuität und Beständigkeit sind ein seltener Luxus in der heutigen Zeit. Das Gstaad Palace kann ihn bieten. Andrea Scherz führt Fünfsternehaus in dritter Generation – mit treuen Mitarbeitern.
Es ist kein gewöhnliches Arbeitsinstrument für Peter Wyss, und es ist kein gewöhnlicher Arbeitsplatz: Auf 1700 Metern über Meer schiebt der Küchenchef des Gstaad Palace unter freiem Himmel Meringues in einen Solarofen. «Den Ofen hat ein Pfarrer für die Dritte Welt entwickelt. Er braucht weder Strom noch Gas noch Feuer», erklärt der Koch sichtlich angetan. Wyss hat ein Flair für Tüftler und Visionäre. Er ist selber einer. Seit über 40 Jahren steht er im Palace in der Küche und verwöhnt die Gäste mit immer neuen Kreationen. Als ihn Hotelmanager Andrea Scherz vor die Herausforderung stellte, seine Gäste auch in der Walig-Alphütte – ohne Strom und Gas – auf Sterneniveau zu verköstigen, war für Wyss klar: Ein Solarofen muss her. Ein paar Versuche hat es gebraucht, hoch oben über dem Saanenland, bis er mit Hilfe der Sonne und einem alten Holzherd Menüs zaubern konnte, die seinem feinen Gaumen gefielen. Und auch die Gäste sind begeistert.
Die Walig-Hütte wurde 1783 als Alpbetrieb gebaut und ist einer von Andrea Scherz’ Lieblingen im Palace-Portfolio. «Ich öffne und schliesse sie im Frühling und Herbst immer persönlich.» Er sitzt auf einer Holzbank, sein Blick schweift über das gewaltige Bergpanorama, das Tal und bis zum Palace mitten in Gstaad. «Dieser Idylle kann sich niemand entziehen, auch ich nicht.» Scherz hat die Alphütte nur minimal renovieren lassen. Es gibt tolle Betten und schöne, alte Möbel, aber weder eine Heizung noch unbegrenzt Licht. Und wenn der Koch und das Servicepersonal am Abend den Berg verlassen, leisten nur noch ein paar Kühe Gesellschaft. Mit dieser ganz anderen Art von Luxus ergänzt die rustikale Walig-Hütte das pompöse Palace perfekt – und ist äusserst beliebt.
Das gute Gespür für seine Gäste wurde Andrea Scherz in die Wiege gelegt. Er rannte schon als kleiner Junge durch die Lobby und kennt einige Stammkunden seit seiner Kindheit. Das Fünfsternehaus mit den charakteristischen Türmchen gehört seiner Familie, er führt es in dritter Generation. Eine Seltenheit in der heutigen Spitzenhotellerie. «Unsere Kontinuität und Beständigkeit zeichnen uns aus», ist Scherz überzeugt. Diese Konstanz geht über die Familie hinaus: Im Schnitt arbeiten die Palace-Mitarbeiter seit fünfzehn Jahren im Haus, viele sind dem Hotel seit Jahrzehnten treu. Küchenchef Peter Wyss ist nur einer davon. Seine Kreationen serviert unter anderem Maurizio Paglino – seit 32 Jahren. Und auch Restaurantmanager Gildo Bocchini ist mit 47 Amtsjahren nicht wegzudenken. Ihm zu Ehren wurde das italienische Restaurant im Haus «Gildo’s» getauft. Es ergänzt die vier anderen Restaurants, darunter das Le Grill mit 16 Gault-Millau-Punkten. Ein Klassiker ist die Fromagerie: Pro Winter werden dort in urig-gemütlicher Atmosphäre vier Tonnen Käse verzehrt. Während des 2. Weltkrieges war der Raum als Bunker vorgesehen, später wurde daraus eine Kegelbahn, auf der sich Prinzessin Soraya den Finger brach.
2013 hat das Palace sein 100-Jahr-Jubiläum gefeiert. Schon Louis Armstrong und Ella Fitzgerald traten hier auf, Sophia Loren gehörte genauso zu den Gästen wie Elisabeth Taylor und Johnny Hallyday. Bis heute gilt das Palace als gesellschaftlicher Treffpunkt in Gstaad. Ein Magnet ist dabei der legendäre, hoteleigene Club GreenGo, wo die Schickeria mit Stars wie Madonna oder Liz Hurley tanzt. Gefeiert wird in der Originaleinrichtung aus den 1970ern von Teo Jakob. Retro in der Luxusvariante.
Die Eleganz und Grandezza des Grand Hotels wird sorgfältig bewahrt. Schon in der Lobby Bar umgibt einen der Zauber eines Hauses mit Vergangenheit. In den Zimmern und Suiten setzt sich die stilvolle, luxuriöse Atmosphäre fort. Und auch ohne die Fotos im Treppenhaus wäre spürbar: In diesem Palast hat es Tradition, zu feiern, zu tanzen und sehr gut zu leben.
Von Stefanie Schnelli