Hawaii ist mehr als nur Waikiki. Die Inseln gehören zu den schönsten Fleckchen mit dem bestmöglichen Klima dieser Erde und balancieren atmosphärisch zwischen Südsee-Traditionen und US-Lifestyle.
Es sind Monster. Unvermittelt zeigen sie ihre Zähne. Manchmal haben die schweren Brecher an der Nordküste von Oahu sogar schon nichtsahnende Strandspaziergänger geholt. Und nicht umsonst bekreuzigen sich die weltbesten Surfer und werfen Blumen ins Wasser, bevor sie hier für einen Ritt auf den höchsten Wellen der Welt aufs Board steigen. Den haushohen Wasserfall im Rücken, schiessen sie mit 50 Kilometern pro Stunde der Küste entgegen. Dort bleibt mit weichen Knien am Strand zurück, wer nicht zu den Surfprofis zählt. Surfen im Norden Oahus ist ein Tanz auf dem Vulkan, ist ein Spiel mit der Urgewalt des Meeres.
Die Wellen von Waikiki sind Schaumröllchen dagegen. Waikiki, Stadtteil des Manhattans der Südsee, wie Honolulu gern beschrieben wird, Sitz des einzigen Königshauses auf US-Territorium und Touristenhochburg. «Wir bringen jeden unserer Kunden in der ersten Unterrichtsstunde auf dem Brett zum Stehen», verspricht eine Surfschule direkt am Strand. Das scheint den Versuch wert zu sein. Aber vor dem Spass muss man vor allem eins: paddeln, gegen die Kraft der Wellen. Kein Wunder, haben echte Surfer die klassische V-Figur mit segmentierten Bauchmuskeln. Der Lehrer ist so ein Athlet, dreht flugs das Board des Schülers in die passende Welle: Jetzt rudern, was das Zeug hält, das Board festhalten, mit beiden Händen, dann schnell auf stehen. Beim zehnten Mal klappt’s – ein Gefühl, wie es wohl David hatte, als er Goliath besiegte.
Frösteln im «Haus der Sonne»
Maui ist dagegen eher eine ruhige Insel, gediegen und voll mit tollen Hotels. Alles ist genau dort, wo es hingehört, es ist sozusagen mauisiert: Papierschnipsel sind im Mülleimer, Geldscheine auf der Bank, Gäste in den Hotels, der hawaiianische Wohlstandsbauch steckt im Wickelrock und der Haleakala hat sich brav eingereiht unter die schlafenden Riesen: Mit 3055 Metern Höhe, 32 Kilometern Kraterumfang und 800 Metern Kratertiefe gehört er zu den mächtigsten Vulkanen der Welt. 1790 hatte er seinen letzten Ausbruch. Seitdem ist Ruhe. Deshalb trifft man sich in aller Gemütlichkeit mit Kaffee und Blueberry-Muffin zum Sonnenaufgang ganz oben, spürt wie Licht und Wärme kommen, zieht aber für die folgenden, durchaus frischen drei Stunden Downhill-Biken die Windjacke an. Andere bleiben auf gut 3000 Metern und unternehmen eine Tageswanderung im Krater: Das Haus der Sonne – so heisst der Haleakala auf Deutsch – lässt keinen kalt.
Das gilt auch für Kauai: Als sei die Na-Pali-Küste nach Mass angefertigt und liebevoll modelliert worden, findet man dort nichts weniger als die atemberaubendste Küste der Welt. Na-Pali – das ist gewaltiges 3D-Format. Was übersetzt schlicht Klippen heisst, besucht man deshalb nicht nur einmal, sondern dreimal. Zuerst zu Fuss: Der Kalalau-Trail ist die Kurzversion und führt in drei Stunden gemütlichen Schrittes zum Hanakapiai-Strand. Die Idylle trügt, das Meer ist hier aufgrund von Strömungen gefährlich für Schwimmer. Dem Blick vom Land folgt der vom Boot aus, doch beim Helikopter-Flug kommen die bizarren Falten der Klippen, die bis obenhin dicht grün bewachsen sind, am besten zur Geltung. Drei Tage, drei Touren, drei unterschiedliche Perspektiven auf Mutter Naturs Meisterstück der Kategorie Küste. Wenngleich auch die wilde Barking Sands Bay und Hanalei, die Sichelbucht im Norden, zu den schönsten Orten des Archipels gehören. Barking Sands hat zwar sehr turbulente Strömungen und selbst gute Schwimmer sollten ohne Brett nie den Boden unter den Füssen verlieren, aber es ist der einzige Platz, an dem man mit Blick auf die Na-Pali Coast surfen, wo man Urgewalten bezwingen und Urschönheit bewundern kann.
Bei Feuergöttin Pele
Save the best for last: Gemeint ist Big Island und der Vulcanoes National Park. Kein Mensch lässt sich die fliessende Hitze der Lava und den grössten Vulkan der Welt entgehen. Addiert man die 4205 Meter Höhe vom Mauna Kea, die sichtbar sind, mit seinen 5500 Metern Sockel, die im blauen Pazifik verschwinden, ist der Vulkan der grösste Berg der Welt. Zusammen mit dem nur 38 Meter kleineren Mauna Loa bedeckt der Mauna Kea fast drei Viertel von Big Island. Beide Vulkane gehören zu den aktivsten weltweit, besonders der Kilauea, ein Nebenkrater des Mauna Loa.
Es ist stockdunkel. Trotz der dicken Sohlen fester Bergsteigerstiefel spürt man die durchdringende Hitze der Erde, während die Augen versuchen, dieses Naturspektakel zu erfassen. Die rot glühenden Lavamassen, die im nachtschwarzen Ozean verschwinden, die Hitze von unten, die kühle Frische der Nacht, die weissen Dampfwolken – fast ein Overkill für die Sinne. Hier zeigt sich Hawaii – wie schon an der Nordküste von Oahu – wie eine Urgewalt. Wahrscheinlich behalten da nur Feuergöttin Pele und die aus Koa-Holz geschnitzten Götter von Puuhonua einen klaren Kopf.
Von Jochen Müssig, Bild Hawaii Tourism Authority/Tor Johnson
GUT ZU WISSEN
Anreise: Jeder Interkontinentalflug aus Europa führt über San Francisco oder Los Angeles nach Honolulu oder Kona, die gesamte Reise dauert rund 24 Stunden. Das Immigration-Prozedere findet schon auf dem Festland statt.
Reisezeit: Ganzjahresziel mit Temperaturen zwischen 25 und 28 Grad. Hauptsaison ist zwischen Dezember und April. Einzige Nachteile in der Nebensaison: Es gibt weder Monsterwellen vor Oahu noch Buckelwale vor Maui zu sehen.
Hoteltip: The Royal Hawaiian, aus der Luxury Collection, der Traum in Pink am Waikiki-Strand.
Verkehrsmittel: Zwischen den Inseln gibt es an die 200 Flugverbindungen täglich. Bis auf Oahu, wo The Bus verkehrt, ist ein Mietwagen nötig, wenn man die Inseln erkunden will: ab 200 Franken pro Woche. Cabrios kosten das Doppelte, lohnen sich aber sehr.