Schön sind sie alle, die Inseln im Indischen Ozean. Doch jede hat ihren individuellen Charme, umgarnt Reisende mit ihrem eigenen Reiz. Ein Versuch auszumachen, wer am besten zu wem passt.
Wer eine Schönheit des Indischen Ozeans kennengelernt hat, spielt mit dem Gedanken, zu ihr zurückzukehren, mehr von ihr zu erfahren, sich noch einmal verzaubern zu lassen. Verständlich. Oder aber sie macht neugierig, noch mehr zu entdecken, die anderen aus der Familie zu besuchen und sich auch von einer Schwester bezirzen zu lassen.
Mauritius, La Réunion, die Seychellen und die Inseln der Malediven sind keine Schwesterninseln im klassischen Sinn. Zu gross sind die Distanzen zwischen ihnen. Aber sie sind echte Schönheiten der gleichen Familie. Sie werden alle vom warmen Wasser des Indischen Ozeans umspült, sind bekannt für Traumstrände, aussergewöhnliche Tauchspots und die Gastfreundschaft ihrer Bewohner. Das verbindet. Und trotzdem gibt es Unterschiede. Die eine sanft und lieblich, die andere wild und ungezähmt. Die Dritte im Bunde natürlich und authentisch, Nummer vier romantisch mit auf den ersten Blick verborgenen Reizen. Nuancen, die Ferien perfekt machen. Gut zu wissen also, mit wem man es zu tun hat, bevor man die Entscheidung für die Eine trifft.
Unterschiedliche Miniaturwelten
Geht man auf Äusserlichkeiten, gleichen sich die Schwestern nicht wirklich. Die Malediven, ein Staat aus rund 1200 kleinen, teilweise munzigen Inseln, locken vor allem die modernen Robinson Crusoes. Nach der Regel «ein Hotel pro Insel» ist ziemlich einsam, wer sich hier absetzen lässt. Ruhe, Entspannung und Barfuss-Romantik sind unausweichlich. Durch die vielen Inseln bieten schon die Malediven alleine eine sehr grosse Vielfalt. Vom einfachen Strandbungalow bis zur Luxusanlage mit Champagner und Kaviar in der eigenen Wasservilla serviert, ist alles möglich.
Auch die Republik Seychellen besteht aus rund 115 Inseln. Sie werden unterteilt in die aus Granit bestehenden Inneren Inseln und die Korallenatolle, die Äusseren Inseln. Für die Touristen spielt sich das Leben hauptsächlich auf Mahé, Praslin, La Digue und den umliegenden Inneren Inseln ab. Wer die Seychellen aber wirklich erleben will, der sollte Inselhopping machen. Vor allem die kleinen Koralleninseln, teilweise nur Sandbänke oder ein einsam aus dem Meer ragender Felsen, sind unberührte Miniaturwelten, abgeschieden und unberührt.
Wer sich wohler fühlt auf grösseren Inseln, ist auf Mauritius und La Réunion gut aufgehoben. Zwei stolze Königinnen, nur rund 200 Kilometer voneinander entfernt, gekrönt von Bergen, die vor allem auf La Réunion weit in den Himmel reichen.
Die unterschiedliche Topographie führt zu einer Schlüsselfrage für Reisende: Wer hat die schönsten Strände? Hier werden selbst Spezialisten ratlos. «Da hat man die Qual der Wahl», sagt Daniel Widmer, Produktverantwortlicher für Kurz- und Langstrecken-Angebote bei Kuoni und Helvetic Tours. Kurt Zürcher, Geschäftsführer von Let’s Go Tours, möchte sich ebenfalls nicht festlegen: «Das ist definitiv Geschmackssache. Wer blendend weissen Sand sucht, wird auf den Malediven und den Seychellen glücklich. Auf den Seychellen ist das Ufer teilweise mit malerischen Granitfelsen dekoriert. Auf Mauritius gibt es herrlich lange Strände für schöne Spaziergänge. La Réunion bietet auch wilde Surfstrände für erfahrene Surfer.»
Begegnungen mit «Einheimischen» unter Wasser
Die unterschiedliche geologische Beschaffenheit der Inseln setzt sich auch unter Wasser fort. Die Inselwelt der Malediven besteht komplett aus Korallenriffen, die sich auf dem Sockel längst erloschener Vulkane bis zum Meeresspiegel erheben. «Tauchmöglichkeiten finden sich sowohl im geschützten Inneren der Atolle als auch in den strömungsreichen Kanälen oder gar an den steil abfallenden Aussenriffen am Rand der Atolle», sagt Andreas Zgraggen, Geschäftsführer von Manta Reisen. Zgraggen muss es wissen: Manta ist spezialisiert auf Tauchferien und den Indischen Ozean. Im Gegensatz zu den Malediven seien Mauritius und La Réunion vulkanische Inseln, die teilweise von Riffstrukturen umsäumt werden. «Diese Abhänge und vorgelagerten Inseln bieten zwar gute Tauchmöglichkeiten, aber sie können nicht mit der Vielfalt und Pracht der Malediven mithalten.» Den Seychellen hingegen, räumt Zgraggen einen eigenen Reiz ein. «Die Tauchplätze der Inneren Inseln sind stark durch Granitformationen geprägt, die Äusseren Seychellen sind Koralleninseln. Die Kombination ergibt eine grosse Vielfalt.»
Obwohl Taucher in den Gewässern jeder Insel auf sehr gern gesehene Bewohner wie Nacktkiemenschnecken, Clownfische, Muränen, Schildkröten, Rochen, Haie, Napoleon-Lippfische, Mantas und sogar Walhaie treffen können, gibt es laut Zgraggen doch entscheidende Fakten zu beachten. «Unterschiedlich ist die Fülle der Meeresbewohner.» Um Mauritius und La Réunion könne man sehr wohl spannende und fischreiche Tauchgänge erleben. Doch es seien eher die Seychellen, die mit Fischschwärmen und Grossfischen aufwarten, und ganz besonders die Malediven. Mantas und Walhaie können dort fast das ganze Jahr über angetroffen werden. «Aus unserer Sicht stellen die Malediven die besten Tauchgründe der Region Indischer Ozean dar. Die Vielfalt der Tauchspots wird fast allen Anforderungen gerecht, die Unterwasserwelt ist die prächtigste im Indischen Ozean und Tauchern wird eine hervorragende Infrastruktur geboten.»
Von Wasser und Luft
Die Vielfalt, welche die Malediven unter Wasser bieten, ist auf den Seychellen auch in der Luft zu sehen. Unzählige Vogelarten teilen sich das Inselarchipel mit den Menschen. «Die Seychellois haben früh mit einem erstaunlichen Umweltschutz angefangen», erklärt Rolf Weber, Geschäftsleiter von Stohler Tours, ebenfalls Spezialist für den Indischen Ozean. «Dieses Engagement wird heute von Naturliebhabern belohnt, Flora und Fauna sind wunderbar.» Es gibt unzählige endemische Pflanzen auf den Seychellen, wie beispielsweise die Coco de Mer. Die Palme kann bis zu 200 Jahre alt werden und ihre Samen sind die grössten im Pflanzenreich. Führungen durch die Inseln bringen Besuchern diesen Reichtum näher. Wer auf eigene Faust entdecken will, mietet sich ein Bike, geht Wandern oder Segeln.
Auch auf La Réunion und Mauritius lohnt es sich, vom Liegestuhl aufzustehen und die Insel zu erkunden. La Réunion mit seinen bis zu über 3000 Meter hohen Gipfeln lässt Wanderherzen höher schlagen. Es ist eine wilde, nicht ganz leicht zugängliche Schönheit, die sich dem unternehmungslustigen Besucher offenbart. Eines der Täler ist bis heute nur zu Fuss oder per Helikopter erreichbar. Der Vulkan Piton de la Fournaise gehört zu den aktivsten der Erde. «Ich würde La Réunion Wanderliebhabern und aktiven, entdeckungsfreudigen Reisenden empfehlen», fasst Rolf Weber zusammen.
Das Hinterland auf Mauritius ist weniger gebirgig als auf La Réunion. Doch mit tropischen Regenwäldern, grossen Zuckerrohrfeldern, tosenden Wasserfällen und der siebenfarbigen Erde in der Region Chamarel ist es sehr abwechslungsreich. Golf sowie allgemein Sport und Wellness sind ein grosses Thema. Auch bietet das Land sehr viel an Geschichte und Kultur. Auf der Insel leben Nachfahren von Europäern, Afrikanern, Indern und Chinesen friedlich zusammen. Sie alle haben sich ihr kulturelles Erbe erhalten können. Das zeichnet sich unter anderem in der Inselküche aus: Durch die vielen Einflüsse ist sie abwechslungsreich und auf höchstem Niveau. Und auch servicetechnisch ist Mauritius selbst im Indischen Ozean, wo der Standard generell sehr hoch ist, ungeschlagen. Die Palette reiche von traditionell chic bis hin zu jung und trendy, beschreibt Andreas Zgraggen von Manta Reisen die exklusiven Anlagen. Und auch Daniel Widmer gibt Mauritius betreffend Service-Level Bestnoten: «Das Personal ist ausgezeichnet ausgebildet und sehr zuvorkommend.»
Die Gastfreundschaft gehört zu den gemeinsamen inneren Werten der Inseln im Indischen Ozean. Und die Hotelstandards haben sich in den vergangenen Jahren überall stets verbessert. Die Malediven nehmen wie Mauritius international eine Spitzenposition ein, was Exklusivität, Leistung und Qualität der Hotelresorts betrifft. «Hier werden immer neue und luxuriösere Resorts eröffnet wie beispielsweise das St. Regis auf Mauritius und das neue Cheval Blanc Maison von LVMH auf den Malediven», sagt Kurt Zürcher von Let’s Go Tours. Aber auch auf den Seychellen ist vor allem im Luxussegment viel passiert in den letzten Jahren. «Es gibt viele äusserst ansprechende Hotels für jeden Geschmack. Wir empfehlen unseren Gästen auch kleinere Hotels und Gästehäuser», so Zürcher. Auch La Réunion verfüge über sehr schöne Häuser, aber: «Als französisches Überseedepartement werden auf La Réunion europäische Gehälter bezahlt, was nicht die gleiche Personaldichte ermöglicht wie in den Hotels der drei anderen Inselregionen.» Hinzu kommt, dass die Gäste auf La Réunion erfahrungsgemäss meist nicht länger als zwei, drei Nächte in einem Hotel bleiben, da sie herumreisen.
Städtetrips light
La Réunion lockt mit Bergen und Hinterland, wie erwähnt. Aber auch charmante Städtchen üben eine Anziehung aus. Mauritius und auch die Seychellen haben ebenfalls interessante, kleine Zentren. «Grosse Städte gibt es im Indischen Ozean kaum – meist sind Dörfer zu mittelgrossen Städten angewachsen», sagt Sibylle Bloch, Manager Sales & Operation Beach Holidays bei Hotelplan Suisse. «Diese Dörfer und Städtchen trumpfen mit lokalen Märkten auf – ein sehr beliebtes Ziel bei Touristen.» Dort lässt sich die kreolische Lebensfreude erleben, in die Farben eintauchen, mit Einheimischen plaudern. Auf den Malediven, den Seychellen und Mauritius wird sehr gut Englisch gesprochen, Französisch ist auf La Réunion und Mauritius Landessprache. Die beiden Inseln teilen eine stark französisch gefärbte Vergangenheit, während die Seychellen eher britisch geprägt sind. Und die Malediven nehmen eine Sonderstellung ein, denn sie sind erst Ende der 70er-Jahre auf der touristischen Landkarte erschienen.
Touristisch gesehen sind die Malediven also die jüngste der schönen Schwestern im Indischen Ozean. Was die Bekanntheit und Beliebtheit angeht, steht das Nesthäkchen den anderen Inselperlen aber in nichts nach.
Text: Stefanie Schnelli, Bilder: Ahmed Rasheed