Als herrschaftliches Anwesen entstanden, dient die Villa Ottone auf der Insel Elba heute einer anspruchsvollen Gästeschar als Hideaway.
Elba ist für einige die Insel der Kindertage, als man mit den Eltern in den 70er-Jahren nach langen Stunden im Auto und der Überfahrt mit dem «Traghetto» die ersten Ferien auf einem Camping am Meer verbrachte. Unterdessen sind wir den Kinderschuhen entwachsen, fliegen lieber anstatt zu fahren, und auch Elba hat einiges mehr zu bieten als die Zeltplätze seiner touristischen Anfänge. Das schönste Beispiel dafür ist die Villa Ottone, die sich ihren fünften Stern erarbeitet hat.
Erbaut wurde das Herrschaftshaus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einer adligen, toskanischen Familie für ihren tuberkulosekranken Sohn. Auf Anraten der Ärzte pflanzte man um das Anwesen neben Palmen zahlreiche Eukalyptusbäume und Linden, die mit ihren würdevollen 150 Jahren heute den Park der Anlage schmücken. Der Palazzo selber stammt von einem unbekannten Architekten aus Livorno, der sich nicht zierte, den Reichtum und das Standesbewusstsein seiner Bauherrschaft in einem für das bäuerliche Elba damals wie heute ungewohnt repräsentativen Bau umzusetzen. Das elegante, dreistöckige Hauptgebäude mit seiner hohen Kolonadenterrasse, dem filigranen ovalen Treppenhaus und den überhohen Salons und Schlafräumen ist von Luft und Licht erfüllt, die Decken üppig mit aufwendigen Fresken verziert. Himmelbetten, wallende Vorhänge und historische Möbel sowie Kupferstiche lassen die Gäste für ein paar Tage in eine Zeit vor der unseren gleiten, als man sich durch einen ausgesuchten Lebensstil noch von der grossen Masse abzuheben verstand.
500 Drinks zur Auswahl
Wäre das Haus nicht erst rund 50 Jahre nach Napoleons zehnmonatigem Exil auf Elba erbaut worden, könnte man sich durchaus auch ihn als Auftraggeber für diese prunkvolle Residenz vorstellen. Für seine Schwester Pauline, die ihm während der Verbannung auf Elba die Treue hielt, liess Napoleon im Inselhauptort Portoferraio in eine leerstehende Kirche ein wunderschönes Theater einbauen. Es bereichert bis heute das kulturelle Leben von Portoferraio. Die hübsche, von den zwei Medici-Festungen Forte Falcone und Forte Stella gekrönte Stadt mit ihrem Yachthafen und der Promenade voller Cafés und Gelaterie liegt genau im Blickfeld der Villa Ottone. Links der Stadt erhebt sich der rund 1000 Meter hohe Monte Capanna und rechts geht der Blick aufs offene Meer.
Wenn sich gegen Abend die von Lichtergirlanden durchzogene Silhouette der Stadt am Horizont abzeichnet, es auch im Park langsam dunkel wird und die Frösche in den Seerosenteichen zu quaken beginnen, öffnet Barman Paolo Stoppa eine schwere Holztür. Dahinter, im schönsten Salon des Palazzos, befindet sich sein Reich. Es wurde 2011 neben dem «Danieli» in Venedig und dem «Caruso» in Neapel als eine der drei besten Bars Italiens ausgezeichnet. Wir lassen uns bei der Auswahl von Paolino überraschen, worauf er uns aus seinem Repertoire an 500 Drinks mit einer lokalen Spezialität beglückt: einem duftenden Mojito mit frischem Rosmarin und Pfefferminz. Wer selber mitentscheiden möchte, wird hinter die mit Pokalen und Wimpeln der jüngsten Barman-Meisterschaften geschmückte Theke eingeladen, um einen der 90 Rum-, der 30 Wodka- oder der 20 Gin-Sorten zu degustieren oder sich einen Whisky aus Indien, Tasmanien, Schottland, Kanada, Irland oder Japan auszusuchen. Paolinos Meisterschaft begrenzt sich dabei nicht bloss auf sein virtuoses handwerkliches Können, sondern er weiss seine Gäste auch aufs Anregendste zu unterhalten.
Text Luca Paska