Jeder kennt Christmas in New York aus romantischen Filmen. Die Stadt weiss Weihnachten aber auch ohne Kitsch zu feiern.
Der Winter hat New York dieses Jahr früh erreicht – ein Blizzard machte dem bunten Herbst Mitte November den Garaus und brachte 15 Zentimeter Schnee. Das ist auch der Grund, warum der Korrespondent nun mit roter Nase wie Rudolf das Rentier durch die Stadt stapft, zum Weihnachtsball von Switzerland Tourism im schicken Restaurant «Robert», im Ohr John Lennon’s Christmas Song. «Fröhliche Weihnachten, lasst uns aufhören mit allem Streit», singt der Beatle aus Liverpool, der sich später New York City zum Lebenszentrum gemacht hatte. Das ist in diesen Zeiten ein gutes Motto in den USA, die mit Präsident Donald Trump in den vergangenen zwei Jahren so auseinandergerissen wurden, dass viele Freundschaften in die Brüche gingen. Viele Amerikaner sehnen sich nun einfach nach Festtagen ohne Politik und Meinungsverschiedenheiten.
Das «Robert» befindet sich am Columbus Circle im obersten Stock des Museum of Arts and Design, mit bester Aussicht auf den Central Park. Kaum zehn Blocks von hier, vor dem Dakota Haus, wurde Lennon, ein Friedensstifter sondergleichen, im Advent 1980 erschossen. Keine erbauliche Weihnachtsgeschichte, und eigentlich passt sie auch so gar nicht nach New York. Denn bei allem Prunk für die reicheren Christmas Shopper in Kaufhäusern wie Lord & Taylor, Saks Fifth Avenue oder Bloomingdales, rückt die Stadt gerade zur Weihnachtszeit zusammen und findet auch Platz für die vielen Randständigen und Verstossenen. Suppenküchen bieten kostenlose Weihnachts-Dinner an. Die Stadt ruft per Plakat mit frierender Freiheitsstatue zur Kleiderspende auf. Die Heilsarmee hat ihre Glocken mit Gesang und Tanz ersetzt. Die uniformierten Helfer und Helferinnen sammeln Geld, um Armen ein schönes Weihnachtsfest zu ermöglichen.
Kostenlos sind auch ein paar der schönsten Weihnachtserfahrungen, die man in New York machen kann: Etwa im Quartier Dyker Heights in Brooklyn, wo sich die Bewohner einen richtiggehenden Wettbewerb liefern, wer sein Haus aufwendiger festlich dekoriert. Ein Abendspaziergang wird da zu einem Eintauchen in ein Meer von Lichtern und Krippenlandschaften.
Wer die Kutschenfahrt durch den verschneiten Central Park bereits hinter sich und die Dekorationen in den Schaufenstern von Bergdorf Goodman und Macy’s Winter Wonderland schon bestaunt hat, wer genug hat vom Eislaufen unter den Lichtern des riesigen Weihnachtsbaumes am Rockefeller Center, für den hat New York ein hochklassiges Alternativ-Programm für Festtage ohne Kitsch zu bieten.
Vor allem Kunstliebhaber kommen dieser Tage auf die Rechnung. Im Whitney Museum ist die erste grosse Andy-Warhol-Retrospektive in den USA seit 1989 zu sehen. Eine Offenbarung, wie weit der 1987 verstorbene Künstler in die Zukunft geblickt und ein Zeitalter von Big Data und Künstlicher Intelligenz hat kommen sehen! Im Museum of Modern Art in Manhattan und dem ihm angeschlossenen MoMA PS1 auf Long Island, Queens, wird Rückschau auf das Werk von Bruce Naumann in den letzten 50 Jahren gehalten – eine Lichtfigur, dessen Kunst immer mit der Sinneswahrnehmung des Betrachters spielt und existenzielle Fragen über Emotionen und Ethik aufwirft.
Das ist doch schon viel erbaulicher als John Lennons tragische New Yorker Adventsgeschichte. Aber auch der Beatle macht posthum der Stadt jedes Jahr ein Weihnachtsgeschenk: Auf den Strawberry Fields im Central Park finden sich um den Todestag des Musikers Dutzende von Singer/Songwriters ein, die Lennon-Lieder zum Besten geben und Songs wie «Give Peace A Chance» zu Festtagshymnen erheben, die von Hunderten von Besuchern Abend für Abend mitgesungen werden. Merry Christmas!
Text Roman Elsener
Bild NYC/Julienne Schaer