Luxus zeichnet sich auch auf See nicht mehr alleine durch Kaviar, Kristalllüster und grosse Kabinen aus. Der moderne Reisende sucht exklusive Erlebnisse, einmalige Begegnungen und Emotionen.
Die Zeiten, in denen eine Kreuzfahrt an sich Luxus war, sind seit vielen Jahren vorbei. Heute gibt es sie für fast jedes Budget, für ganze Familien oder Kegelvereine. Der Massenmarkt der Megaschiffe, die fast immer fälschlich als Luxusliner beschrieben werden, nimmt unaufhaltsam zu. Aber auch das Segment der veritablen Luxusschiffe im Kreuzfahrtmarkt ist grösser geworden, bietet ständig mehr – und hat natürlich die längste Tradition. Auf der ersten «echten» Kreuzfahrt der Geschichte, organisiert von Albert Ballin auf der Augusta Victoria, gab es bereits 1891 Luxus im Überfluss. Vor allem im Service: 241 Passagiere wurden von nicht weniger als 245 Besatzungsmitgliedern versorgt, eine bis heute nicht wieder erreichte Quote auf den Schiffen. Natürlich wurde damals schon geschlemmt – Kaviar, Champagner und Austern gehörten zum kulinarischen Standardprogramm.
Vom Wunsch nach Erlebnissen
Sicher sind auch heute noch Kaviar und Champagner an Bord dekorative Begleitmusik auf Luxusschiffen, gehören feinste Kulinarik und bester Service sowie maximaler individueller Platz zum Pflichtprogramm. Aber die Ansprüche haben sich stark verändert. Karl J. Pojer, der Chef von Hapag-Lloyd Cruises in Hamburg, in deren Flotte die beiden vom Berlitz Cruise Guide am höchsten bewerteten Kreuzfahrtschiffe der Welt fahren (Europa und Europa 2), hat in den letzten Jahren hierzu einen signifikanten Wandel festgestellt. «Es zählen immer weniger Statussymbole. Heute ist Luxus für viele, Zeit und Raum zu haben. Das Erleben ist wichtiger geworden als das Besitzen – der ideelle Luxus hat den materiellen überholt.» Deshalb sagt er auch: «Wir verkaufen keine Kreuzfahrten, sondern Erlebnisse und Emotionen.» Dazu können bei den Luxusreedereien Events in antiken Theatern oder Schlössern gehören, in denen exklusive Privatkonzerte stattfinden, das kann ein Einkaufsbummel inklusive Verkostung mit dem Chefkoch sein oder der Besuch eines Formel-1-Rennens. Besondere vom Gast auch ansprechbare Lektoren wie ehemalige Minister oder Botschafter informieren die Reisenden zu bestimmten Themen. Mal sind es auch Spitzensportler wie die Ski-Weltmeisterin Maria Höfl-Riesch, die für die Gäste der Europa 2 ein eigenes anspruchsvolles Fitnessprogramm aufgestellt hat und bei einigen Reisen selbst coacht.
Das ist die kreative Software im Luxus, die den Unterschied ausmacht. Und immer noch zählen die kleinen Aufmerksamkeiten: Die Gäste auf den Sonnenliegen werden mit gekühlten Tüchern bedient oder mit Evian-Wasser besprayt, die auf den Kabinen gelassenen Sonnen- oder Lesebrillen findet der Gast nach dem Landgang frisch gereinigt und mit einem kleinen Putztuch versehen vor. Fast alle grösseren Schiffe bieten mehrere Dining-Optionen von vegan bis lokal, die Betreuung der Restaurants durch Sterneköche und natürlich kostenfreien Roomservice rund um die Uhr an. Der angebotene Tischwein schmeckt heute nicht? Bei Silversea gehören auf dem Flaggschiff derzeit 49 im Reisepreis inkludierte Weine aus den verschiedensten Weinregionen der Welt zum Angebot. Cornelia Gemperle, Generalmanagerin von Kuoni Cruises in Zürich: «Es gehört sicher auch zum neuen Luxustrend, die Freiheit zu haben, zu essen was, wann und mit wem man will, ohne jedes Mal Krawatte oder Abendkleid anzuziehen.»
Der Luxus der Wahl
Regent Seven Sea Cruises bezeichnet dies treffend als «Choice», den Luxus der Wahl. Mit der Seven Seas Explorer stellte die amerikanische Reederei 2016 ein neues Schiff in Dienst, das sie gänzlich unbescheiden als «the most luxurious cruise ship ever built» bezeichnete. Dekorationen und Lüster aus Muranoglas, Lalique-Skulpturen, 4000 Quadratmeter verbauter Marmor, elegante Freitreppe im Atrium, exklusiver Spa-Bereich mit Infinity-Pool am Heck. Die Regent Suite ist mit ihren 281 m2 und einer über 130 m2 grossen Terrasse die grösste auf See. Bestückt ist sie mit einem 250 000-Dollar-Steinway-Flügel, einem Bett, das für etwa 100 000 Dollar auch für das eigene Heim erworben werden kann, und einem privaten Spa mit Sauna. Aber neben der Ausstattung zählen immer mehr das Erleben und die persönlichen Erfahrungen beim Entdecken von Destinationen. Das erklärt auch den enormen Erfolg der Expeditionsangebote im Luxusbereich: Während jahrzehntelang kein einziges neues Schiff dieser Klasse auf den Markt kam, entstehen gerade etwa zwei Dutzend Neubauten, die mit Gadgets wie Helikopter oder Mini-U-Booten (bei Crystal Cruises oder Scenic) ausgestattet sind.
Die amerikanische Luxus-Hotelkette Ritz-Carlton hat auf den Trend reagiert und baut nun eine eigene Luxus-Yacht-Flotte – mit bis zu acht Schiffen. Und auch auf den Flüssen hat jetzt mit den ersten Schiffen von Crystal Cruises der Ultra-Luxus Einzug gehalten. Mit einer erstaunlichen Entdeckung: Hier hatten fast ein Drittel der Passagiere noch keinerlei Cruise-Erfahrung und waren durchwegs jünger als die Gäste auf den Hochseeschiffen.
Von Michael Wolf