Der Restart in der Kreuzfahrtbranche ist voll im Gang. Was möglich und mit welchen Einschränkungen noch zu rechnen ist – ein Gespräch mit Cornelia Gemperle, Geschäftsführerin von Kuoni Cruises.
Frau Gemperle, viele Länder haben ihre Covid-Massnahmen gelockert, mehr und mehr Reedereien bringen ihre Kreuzfahrtschiffe wieder auf die Weltmeere. Wie erleben Sie den Restart bei Kuoni Cruises?
Die Branche meldet, dass aktuell wieder 75 Prozent der Kreuzfahrtschiffe in Betrieb sind. Bis August 2022 sollen es fast 100 Prozent sein. Das ist sehr erfreulich. Allerdings sind die Schiffe erst rund 60 bis 70 Prozent ausgelastet. Auch wir spüren wieder eine stärkere Nachfrage. Ich bin zuversichtlich für den Sommer. Die ersten Reedereien haben während der Pandemie bereits im Juni 2020 wieder Fahrten aufgenommen – auf neuen Routen in den eigenen Ländern. Das französische Unternehmen Ponant beispielsweise hat Kreuzfahrten von der Normandie in die Bretagne oder rund um Korsika angeboten. Die Reedereien MSC und Costa waren in Italien unterwegs. Viele Reedereien waren sehr innovativ und suchten kreative Lösungen. Auch die Schutzkonzepte wurden rasch und konsequent durchgesetzt.
Sie haben neue Routen angesprochen. Werden diese bestehen bleiben?
Wenn die Krise etwas Gutes hatte, dann die Schaffung neuer interessanter Routings. Man ist ein bisschen von den Standardgeschichten weggekommen. Die angesprochenen Ponant-Reisen sind sehr beliebt. Auch das neue Angebot von Hapag-Lloyd Cruises auf der Elbe, im Nord-Ostsee-Kanal, der Dänischen Südsee, Kattegat und Helgoland ist äusserst spannend.
Welche Schiffe und Routings können die Kundinnen und Kunden jetzt buchen?
Ausser Asien, Australien und Neuseeland können wieder alle Destinationen mit allen Reedereien gebucht werden. Nach der Öffnung der USA Anfang November vergangenen Jahres wurden auch Reisen in die Karibik oder jetzt im Sommer nach Alaska möglich. Auch in die Antarktis konnte unter strengen Richtlinien gefahren werden. Am unkompliziertesten ist es sicher, in Europa zu bleiben.
Mit welchen Einschränkungen muss man dennoch rechnen?
Auf allen Schiffen herrscht eine Impfpflicht. Nicht nur, weil die Reedereien das so bestimmen, sondern weil es Vorgaben der jeweiligen Länder sind, in die gereist wird. Manche verlangen auch die Booster-Impfung. Ich denke nicht, dass die Impfpflicht dieses Jahr noch fallen wird. Zudem werden Sicherheitskonzepte strikt verfolgt und meist auch Tests beim Boarding verlangt.
Wie sind die Stornierungs- und Umbuchungsbedingungen?
Viele Reedereien haben ihre Buchungsbedingungen während der Pandemie gelockert. Teilweise laufen die flexibleren Konditionen Ende März oder April aus. Wer also vorher bucht und noch dieses Jahr reist, kann seine Reise meist bis dreissig Tage vor Abreise kostenlos umbuchen oder stornieren. Einzelne Reedereien haben diese Bedingungen bereits bis Ende Juni verlängert. Das ist von Reederei zu Reederei unterschiedlich. Wir übernehmen die Bedingungen der Reedereien.
Wie wirkt sich der Krieg in der Ukraine auf die Kreuzfahrtbranche aus?
Ich gehe davon aus, dass viel weniger Amerikaner nach Europa reisen werden. Das bedeutet, dass Reedereien mit viel Kapazitäten es eher schwierig haben werden, eine profitable Auslastung zu erreichen. Flexible Gäste können so allenfalls von Last-Minute-Schnäppchen profitieren. Luxusreedereien mit kleineren Schiffen für bis zu 500 Passagiere wie Silversea oder Seabourn haben da einen Vorteil, weil sie in Europa auf eine gute Stammkundschaft zählen können. Zudem werden selbstverständlich die Routen angepasst. Das Schwarze Meer fällt weg, St.Petersburg wird nicht mehr angefahren.
Durch die Pandemie hat sich die Inbetriebnahme von mehreren neuen Schiffen verzögert. Dazu kommen Neubauten, die für 2022 angesagt sind. Welches sind die interessantesten neuen Schiffe auf See?
2021 stach Ponants Le Commandant Charcot in See. Das erste Kreuzfahrtschiff, das auch ein Eisbrecher ist. Ein sehr interessantes Schiff. Demnächst kommt zudem Azzurra von Emerald Cruises auf den Markt. Eine Yacht im Premiumbereich für maximal hundert Passagiere, die schöne Routings im Mittelmeer anbietet und auch kleine Häfen anfährt. Weiter freuen wir uns auf die Seabourn Venture, ein Expeditionsschiff, das im Luxusbereich neue Standards setzt. Es sind sehr viele neue Schiffe auf dem Markt. Auch Aida, Costa und MSC haben interessante Schiffe in ihren Flotten begrüsst. Und – trotz der schwierigen Zeit wurde eine neue Reederei gegründet. Explora Journeys baut Schiffe für bis zu 900 Passagiere. 2023 soll das erste in See stechen. Die Premium-Marke will Kreuzfahrten neu definieren.
Gab es auch Reedereien und Schiffe, die die Krise nicht überstanden haben?
Ja, aber erstaunlich wenige. Im deutschen Markt ist TransOcean verschwunden. Auch das Mutterunternehmen von Crystal Cruises, der Genting-Konzern, hat Insolvenz angemeldet; aktuell werden Käufer für die Kreuzfahrt- und Flussfahrtschiffe gesucht. Zudem wurden einzelne ältere Schiffe von diversen Reedereien verschrottet. Das ergibt auch Sinn, weil sie den Bedürfnissen nicht mehr gerecht wurden. Beispielsweise weil ihr Kraftstoffverbrauch und CO2-Aussstoss zu hoch war.
Sie haben vorher die neuen Expeditionsschiffe angesprochen. Hält der Trend zu Expeditionen weiterhin an?
Die Nachfrage nach Expeditionskreuzfahrten ist bei uns stabil. Sie wird wahrscheinlich zunehmen, was mit den zahlreichen Neubauten in diesem Sektor zu tun hat. Expeditionsschiffe sind heute sehr komfortabel und modern. Sie erinnern nicht mehr an einfache Forschungsschiffe. Das Abenteuerfeeling bleibt aber aufgrund toller Regionen und Erlebnisse erhalten. Wichtig für eine Expeditionsreise ist eine gute Beratung. Es lohnt sich, auf die maximale Gästezahl, die ein Gebiet vorgibt, zu achten.
Welche Trends zeichnen sich sonst noch ab?
Unsere Kunden interessieren sich verstärkt für kleinere Schiffe. Seien das Boutique-Schiffe in Europa, kleinere Yachten oder sogar Schiffe, die sie nur für ihre Familie oder Freunde chartern. Wir haben unsere Broschüre Sailaway entsprechend ausgebaut und eine Vielzahl solcher Angebote kreiert.
Wie steht es um das Thema Umweltschutz?
Das Thema ist aktuell etwas in den Hintergrund gerückt. Bei den Reedereien selbst ist es aber sehr präsent. Sie haben viel in die Forschung investiert und jedes neue Schiff hat definitiv die neusten Möglichkeiten betreffend effizienter Motoren, Luft- und Abwasserreinigungssysteme an Bord. Zudem bieten immer mehr Häfen Landstrom oder Flüssiggas an. Auch im Bereich Overtourism hat sich einiges getan. Es gibt Städte, welche die Anzahl Kreuzfahrtschiffe pro Tag limitiert haben. Beispiele sind Dubrovnik, Palma de Mallorca oder Bergen in Norwegen. Venedig hat grosse Schiffe ganz verbannt.
Interview: Markus Weber / Stefanie Schnelli
Cornelia Gemperle ist die Geschäftsführerin von Kuoni Cruises