Chantal Hediger folgt in ihren jüngsten Bildern ihren Wurzeln. Als Tochter einer Südafrikanerin schafft sie mit viel Farbe eine ausdrucksstarke Hommage an den Schwarzen Kontinent.
Es ist wohl kein Zufall, dass Chantal Hediger sich genau zu jenem Zeitpunkt entschied, ihre Teilzeit-Stelle aufzugeben und sich ganz ihrer Kunst zu widmen, als sich in ihrem Werk eine neue Richtung abzeichnete. Man könnte sagen, sie hat ihr Thema gefunden. «Es schlägt so stark in meinem Herz, ich musste den Schritt einfach wagen», erklärt sie. Sie bewegt sich künstlerisch nach Hause, in ihre zweite Heimat, ans Ende von Afrika.
«Meine Bilder sind definitiv afrikanischer geworden», beschreibt Chantal Hediger die rund 40 Werke, die in den vergangenen eineinhalb Jahren entstanden sind. Die Künstlerin erforscht dabei ihre eigenen Wurzeln. Sie ist in der Schweiz aufgewachsen, als Tochter eines Schweizers und einer Südafrikanerin. Zu Hause wurde Afrikaans, Schweizerdeutsch und Englisch gesprochen, zum Mittagessen gab es Bobotie (Hackfleisch-Curry-Auflauf) und Süsskartoffeln, zu Braais (Afrikanische Barbecues) gehörten Chutney, ihr Lieblingsdessert war afrikanische Milchtorte und als Kind verbrachte Chantal Hediger mindestens alle zwei Jahre längere Ferien bei Verwandten in Kapstadt. «Ich habe einen starken Bezug zu Südafrika. Es ist ein Teil von mir. Wenn ich im Flugzeug sitze und schliesslich den Tafelberg sehe, ist das wie heimkommen», erzählt sie.
Lange Zeit hat sie das Land am Kap von Afrika vor allem auch als das gesehen: den Heimatort ihrer Mutter, ein zweites Zuhause. Alltag, nichts Exotisches. Doch in den vergangenen Monaten wurde der Drang grösser, sich mit diesen Wurzeln auseinanderzusetzen. Und bevor sich Hediger dessen bewusst wurde, drückte sich das bereits in ihren Bildern aus. «Es kann schon mal vorkommen, dass Künstler ihre Bilder selber erst Wochen nach der Erstellung richtig verstehen», sagt die gelernte Kunsttherapeutin und lacht.
Die Suche nach dem Ursprung
Dass Hediger früh zum Pinsel greifen würde, um sich auszudrücken, war quasi vorprogrammiert. Sie ist in eine Künstlerfamilie geboren. Ihre Mutter, ihr Vater und eine Grossmutter sind leidenschaftliche Zeichner und Maler und haben schon mit ihr skizziert, als sie noch ein Kind war. Später hat die junge Frau vor allem abstrakte Bilder gemalt, dann Bäume und danach waren es Hände und Füsse, die sie beschäftigten. Bis auf ihren Leinwänden mehr und mehr Menschen und seit einigen Monaten sogar Porträts entstanden sind. Obwohl ihre Mutter von weisser Hautfarbe ist und Chantal Hediger abgesehen von einer Nanny in Kapstadt nicht viel Kontakt zu Schwarzen hatte, malt sie vor allem dunkelhäutige Menschen mit fesselndem Ausdruck. «Urvölker faszinieren mich auf der ganzen Welt. Aber in Afrikastehen sie mir näher», sagt die 40-Jährige, die gerne fremde Länder und Kulturen kennenlernt. «Die schwarze Bevölkerung in Afrika verkörpert für mich den Ursprung der Menschen, das möchte ich in meinen Bildern wiedergeben.» Zum einen fühlt sich Hediger von diesem Archaischen, dieser Natürlichkeit angezogen, weil sie findet, dass dies in unserer schnelllebigen Zeit immer mehr verloren geht. Zum anderen ist es die Ursprünglichkeit, nach der sie als Künstlerin selbst strebt.
Erdtöne und Knallfarben
Es sind nicht nur die Sujets, die auf Chantal Hedigers Bildern aus Afrika stammen. Es sind vor allem auch die Farben. Sie erinnern an die Savanne, an von der Sonne beleuchtete Felsen, an Licht und Schatten. «Die Farben in Afrika, die Farbkompositionen, sind unglaublich.» Sie spricht von den warmen Erdtönen, von Bougainvilleas in den knalligsten Farben, von Tüchern und Gewändern in verschiedenen Mustern und Nuancen. Als Kunsttherapeutin, die Menschen hilft, über Malerei einen neuen Zugang zu sich selbst zu finden, kennt sie die Wirkung der afrikanischen Nuancen gut. «Die warmen Erdtöne stehen für das Bodenständige, das Ursprüngliche. Die bunten Blumen drücken Lebensfreude aus.» Als Künstlerin bringt sie mit Farben ihre Gefühle auf die Leinwand, vermischt die Aussagen der Farben mit ihren eigenen Geschichten und Interpretationen.
Dabei verlässt sie sich in erster Linie auf ihre Erinnerung. Ihre Bilder zeigen keine Personen, die Chantal Hediger kennt. Sie war vor drei Jahren das letzte Mal in Südafrika. Die Afrika-Kollektion ist in den vergangenen eineinhalb Jahren entstanden. «Ich muss unbedingt bald wieder hinfliegen», sagt sie. «Ich glaube, ich werde das Land, die Menschen, die Natur, die Felle der Tiere und die Bäume jetzt, wo ich mich dem Land künstlerisch genähert habe, nochmals mit ganz anderen Augen sehen.»
von Stefanie Schnelli
Ein toller Artikel über eine authentische Persönlichkeit!