James Turrells Lichträume begeistern Menschen auf der ganzen Welt.
Eine Warnung vorab: Die Kunst von James Turrell kann süchtig machen. Wer einen der mit Licht gestalteten Räume des Kaliforniers (*1943) erlebt hat, möchte mehr und mehr davon sehen. Das erfordert meist ausgedehnte Reisen zu den Museen und Kunstsammlungen weltweit, in denen eines seiner Werke installiert ist. Zwar gibt es ein Museum, das nur Turrells Lichtinstallationen gewidmet ist, doch es befindet sich im entlegenen Nordosten Argentiniens, auf dem Weingut Colomé. Sein Besitzer, der Schweizer Donald Hess, ist der Magie von Turrells Kunst wie so viele erlegen.
Diesen Sommer bietet sich die seltene Gelegenheit, neuere und ältere Werke Turrells an einem Ort vereint zu sehen, und zwar nahe der Schweiz: Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden richtet dem Lichtkünstler bis am 28. Oktober 2018 die Ausstellung «The Substance of Light» aus. Turrells Werke loten die Beziehungen zwischen Licht, Raum und unseren Sinnen aus. Durch Gestaltung mit Licht lässt er uns Räume neu und anders wahrnehmen. Etwa in den «Ganzfeld Pieces»: Ein leerer Raum ist mit farbigem oder weissem Licht aus unsichtbaren Quellen so ausgeleuchtet, dass das Auge jeden Anhaltspunkt verliert, das Gefühl für Raumtiefe und -dimensionen verschwindet. Licht, Farbe und Raum verschmelzen, man meint, in einer farbigen Wolke zu schweben. In anderen Werken täuscht Turrell unsere Sinne, indem er mit Licht Formen oder «Wände» erzeugt, die dreidimensional erscheinen, obwohl sie nur aus Licht bestehen.
Das Thema seiner Kunst sei die Wahrnehmung, sagt Turrell. «Was siehst du, wenn es kein Objekt, kein Bild, keinen Fokus gibt? Du siehst dich selbst beim Sehen.» Es sei ähnlich, wie in ein Feuer zu blicken. Wer in solchen Aussagen eine spirituelle Dimension entdeckt, liegt nicht falsch. Turrell wuchs in einer Quäkerfamilie auf und hat auch Räume für Glaubensgemeinschaften gestaltet. In den USA baute er Versammlungshäuser für Quäker in Form von «Skyspaces», in Berlin schuf er eine Lichtskulptur für eine Friedhofskapelle.
Turrells Lichtinstallationen lassen sich aber auch ohne spirituellen Anspruch geniessen. So gibt es heute rund sechzig «Skyspaces», die meisten finden sich in Museen, etwa im MoMA PS1 in New York, oder in eigens für sie errichteten Bauten, wie im Hotel Castell in Zuoz. Die «Skyspaces» haben eine Öffnung im Dach, durch die das natürliche Licht in den meist künstlich ausgeleuchteten Raum fällt. So entstehen vor allem bei Sonnenaufgang und -untergang faszinierende Effekte. Vorbild für die «Skyspaces» ist Turrells Lebenswerk, der erloschene Vulkankegel «Roden Crater»in Arizona. Turrell erwarb ihn 1974 und verwandelt ihn seither durch den Einbau unterirdischer Räume und Schächte in ein einzigartiges Licht-Observatorium.
Von Regula Weyermann