Kuoni Cruises will als erster reiner Kreuzfahrten-Anbieter das TourCert-Label für Nachhaltigkeit erhalten. Warum das nicht so einfach ist, erklären Cornelia Gemperle und Matthias Leisinger.
TourCert hat mit Ausnahme von Kuoni Cruises alle Spezialisten von DER Touristik Suisse zertifiziert. Woran liegt es, dass Kuoni Cruises das Label noch nicht erhalten hat?
Matthias Leisinger: Das liegt vor allem daran, dass TourCert bis heute noch keinen reinen Kreuzfahrten-Veranstalter zertifiziert hat. Es fehlen hierfür noch die entscheidenden Kriterien. Die Punkte, die bei Hotels geprüft werden, können nicht eins zu eins für Schiffe übernommen werden. Kuoni Cruises ist bestrebt, das Siegel bis im Sommer als erster Kreuzfahrten-Spezialist zu erhalten und wir betrachten es als Chance, an der Ausarbeitung solcher Kriterien mitzuarbeiten. Der Kreuzfahrten-Branche haftet ein schlechter Ruf an, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht.
Ist ein solches Label für einen reinen Kreuzfahrten-Anbieter überhaupt glaubwürdig?
Leisinger: Der Rat von TourCert arbeitet unabhängig und sehr genau. Das Label ist absolut glaubwürdig.
Cornelia Gemperle: Es ist eine Tatsache, dass die meisten Hochseeschiffe vorwiegend mit Schweröl fahren und Emissionen verursachen. Das ist ein grosses Thema, mit dem sich auch viele Reedereien beschäftigen. Bis heute gibt es wenige globale Richtlinien. Trotzdem arbeiten viele Reedereien – vor allem deutsche – daran, ihre Emissionen zu senken und nachhaltiger zu sein.
Warum fahren die meisten Schiffe mit Schweröl und nicht mit umweltfreundlicherem Diesel?
Leisinger: Das ist in erster Linie eine Kostenfrage. Zudem ist es technisch nicht so einfach, ältere Schiffe umweltfreundlicher zu machen. Auch Flüssiggas, sogenanntes LNG, hat seine Tücken. Vielerorts ist die Infrastruktur dafür an den Häfen noch nicht vorhanden.
Gibt es Reedereien, die sich besonders für umweltverträgliche Schiffe engagieren?
Gemperle: Hapag-Lloyd Cruises zählt sicher dazu. Auf der Europa 2 wurde auf Nachhaltigkeit geachtet. Auch bei den angekündigten Expeditionsschiffen ist die Umweltverträglichkeit ein grosses Thema. Tui Cruises ist ebenfalls sehr engagiert. Die Ingenieure versuchen die Schiffe energieeffizienter zu bauen. Laut der Reederei brauchen ihre neusten Schiffe 30 Prozent weniger Treibstoff als andere in der gleichen Grösse. Zudem gibt es an Bord ein ausgeklügeltes Abwasser-Reinigungssystem, eine strikte Abfalltrennung und das Bestreben, den Abfall allgemein geringer zu halten. Bei den «Grün und fair»-Landausflügen fliessen pro verkauften Ausflug fünf Euro in Umweltprojekte der Destination. Aida ist ähnlich unterwegs.
Leisinger: Es darf nicht vergessen werden, dass sich die gesamte Nachhaltigkeitsdiskussion auch auf soziale Komponenten bezieht. Die faire Entlöhnung auf den Schiffen ist für uns beispielsweise ebenso relevant wie die Luftverschmutzung.
Können Sie denn sicher sein, dass Ihre Vertragspartner auf hoher See faire Löhne bezahlen?
Gemperle: Nicht alle Partner haben uns auf unsere Anfrage hin detaillierte Angaben geliefert. Wir können aber davon ausgehen, dass die meisten Reedereien attraktive Arbeitgeber sind.
In der Nachhaltigkeitsdebatte ist auch Food Waste ein Thema. Costa will die Lebensmittelverschwendung auf ihren Schiffen bis 2020 halbieren.
Gemperle: Ich begrüsse diesen Entscheid. Costa hat die Portionen schon einmal zu Recht verkleinert. Es stimmt nachdenklich, wenn man sieht, wie unachtsam einige Gäste mit Lebensmitteln umgehen. Kleinere Teller helfen da schon enorm.
Wo kann Kuoni Cruises als Veranstalter etwas bewirken?
Gemperle: Wir können nicht die Welt retten, aber wir können Reisende darauf aufmerksam machen, dass man sorgfältiger mit Ressourcen umgehen kann und auch soll. Wir versuchen zum Beispiel Landausflüge zu organisieren, bei denen die Wertschöpfung im Land bleibt. Zudem haben wir uns auf die Fahne geschrieben, bei Expeditionsreisen, vor allem in den Polargebieten, die CO2-Kompensation nahezulegen.
Damit wird aber auch suggeriert, dass das Umweltproblem mit dem modernen Ablasshandel und dem «Kauf eines guten Klimagewissens» gelöst sei. Wir sprechen bei den Schadstoffen der Schiffe jedoch nicht nur von CO2, sondern auch von Schwefeloxiden, Stickoxiden und Feinstaub.
Gemperle: Wir wissen sehr wohl, dass mit der CO2-Kompensation erst die halbe Miete bezahlt ist. Für die von Ihnen erwähnten Emissionen wird beispielsweise an neuen Filtersystemen gearbeitet. Es bewegt sich einiges, wenn auch punktuell.
Der Kreuzfahrten-Boom geht ungebrochen weiter. Welches sind die wichtigsten Trends in diesem Jahr?
Gemperle: Wir verzeichnen seit ein paar Jahren eine sehr grosse Nachfrage bei Familien. Das hat sicher mit den attraktiven Preisen zu tun. Zudem stellen wir fest, dass Kunden vor allem nach mittelgrossen Schiffen fragen, beispielsweise von Viking Ocean Cruises, die wir neu im Programm haben. Ein weiterer Trend sind Expeditionsreisen. Eine Reise ins Amazonasgebiet mit Hapag-Lloyd Cruises muss man drei Jahre im Voraus buchen. Neue Schiffe ziehen allgemein.
Welche neuen Schiffe gefallen Ihnen am besten?
Gemperle: Das ist schwierig zu sagen. Mir gefällt die Silver Muse gut. Sie ist modern, hell in den Farben und hat viel Deckfläche. Die Bars und Lounges am Heck des Schiffes finde ich sehr gelungen. Auch die «Mein Schiff»-Flotte von Tui Cruises mit ihrem skandinavischen Design gefällt mir. Zudem bin ich sehr gespannt auf die Scenic Eclipse, die im August kommen wird. Sie wird dann die modernste Yacht sein, konzipiert für 228 Passagiere, mit der Möglichkeit, auch in Polargebiete vorzudringen. Zudem führt sie ein U-Boot und einen Helikopter mit. Spannend wird auch die Celebrity Edge mit ihren Innovationen, unter anderem dem «fliegenden Teppich»: Eine Art Lounge, die wie ein Aussenlift auf jedem Stockwerk halten kann. So wird es möglich sein, im Hafen auf dem Schiff, aber direkt am Wasser zu sitzen.
Wie findet ein Newcomer heraus, welches Schiff und welche Route am besten zu ihm passen?
Gemperle: Auch wenn wir auf unserer neuen Website ein Online-Buchungstool installiert haben, empfehle ich unbedingt, sich von unseren Experten beraten zu lassen. Es ist sehr wichtig, die Bedürfnisse genau abzuklären. Zudem muss man die Angebote richtig vergleichen: Manche Reedereien haben fast alle Leistungen im Preis inbegriffen, andere nicht. Es gibt für jeden das passende Schiff, aber es ist nicht ganz einfach, es im grossen Angebot auch zu finden.
Interview Markus Weber
Cornelia Gemperle leitet seit zwölf Jahren den Schiffsreise-Spezialisten Kuoni Cruises.
Matthias Leisinger ist seit 2008 Leiter Corporate Responsibility der Kuoni Reisen AG, heute DER Touristik Suisse AG.