Dieter Zümpel ist seit November 2016 CEO von Kuoni Schweiz. Er soll das Unternehmen wieder auf die Erfolgsstrasse führen. Sein Job gleicht einer Herkulesaufgabe.
Herr Zümpel, Sie sind seit November 2016 Chef von Kuoni Schweiz. Wie gefällt Ihnen unser Land?
Dieter Zümpel: Es gefällt mir ausgezeichnet. Ich bin ja Deutscher, durfte aber schon einmal vier Jahre lang in Österreich tätig sein, in Wien. Die Schweiz ist ganz anders als Österreich und ganz anders als Deutschland. Es fasziniert mich, wie dieses vielfältige Land seit vielen Jahrhunderten so gut funktioniert. Ich lerne nicht nur bei der Arbeit, die Schweiz bietet mir ein Stück Lebenserfahrung.
Im letzten Jahr ist Kuoni Schweiz an die deutsche Rewe-Gruppe, bzw. an die DER Touristik, verkauft worden. Was gab den Ausschlag für diese Übernahme?
Im Vordergrund stand ein emotionales Interesse an der Kultmarke Kuoni. Die Rewe-Gruppe ist ein Konzern mit über 50 Milliarden Euro Umsatz, ein Teil davon, rund 7 Milliarden, macht das Touristikgeschäft aus. Die Rewe-Gruppe ist genossenschaftlich organisiert. Zu ihren Geschäftsbereichen zählen Lebensmittelläden, Baumärkte und vieles mehr. Der Konzern ist vergleichbar mit der Migros. Als die Möglichkeit bestand, die Marken-Ikone Kuoni zu übernehmen, bedeutete dies eine einmalige Gelegenheit. Obwohl das Unternehmen in der Schweiz in jüngster Zeit gelitten hat, wird die Marke als sehr wertvoll wahrgenommen, im Ausland noch stärker als in der Schweiz.
Worin unterscheidet sich der deutsche Reisemarkt vom schweizerischen?
Die Kundenbedürfnisse sind sehr unterschiedlich. Der Schweizer Kunde legt hohen Wert auf Individualität. In Deutschland besteht der Markt zu 70 Prozent aus Pauschalreisen. Zudem sind die gebuchten Reisen in der Schweiz bedeutend hochwertiger als in Deutschland. Schweizer geben im Durchschnitt doppelt so viel wie Deutsche aus. Wir brauchen andere Produkte in der Schweiz, höherwertige Zimmerkategorien. Der Schweizer geht nicht so gerne in riesige Hotelanlagen, und erhat andere Ansprüche bei Transfer-Leistungen. Eine grosse Herausforderung in diesem relativ kleinen Quellmarkt stellt die Viersprachigkeit dar. Ich musste schnell lernen, dass man rund 2 Millionen Menschen in der Schweiz nicht auf Deutsch ansprechen kann. Um die Romands abzuholen, muss man vor Ort präsent sein.
Die Swiss gehört der Lufthansa, aus dem Reisepionier Imholz ist die Schweizer Dependance von Tui entstanden. Und nun ist auch noch Kuoni Schweiz in deutschen Händen. Keine Angst, dass in unserem Land der Wind dreht und eine zunehmend national gesinnte Kundschaft auf zu 100 Prozent in der Schweiz konfektionierte Produkte setzt?
Das ist nicht auszuschliessen. Die Schweiz verfügt über einen Ausländeranteil von 25 Prozent, davon sind viele Deutsche und Franzosen. In Zürich ist der Anteil an Deutschen noch höher. Ich kann nachvollziehen, dass man sich überlegt, wie man damit umgeht. Wir sind ein Schweizer Unternehmen mit einer deutschen Mutter. Ähnlich wie die Swiss oder die Edelweiss. Natürlich haben wir uns gefragt, was Swissness bedeutet. Für mich steht dieser Begriff in erster Linie für Präzision, Qualität, Beständigkeit und Verlässlichkeit. Und dafür stehen wir. Ausserdem sind 88 Prozent unserer Mitarbeitenden Schweizer. Aber genauso sind wir stolz darauf, dass 145 Menschen in unserem Unternehmen aus 25 Nationen stammen. Gerade als Touristikunternehmen sind wir auf ein internationales Know-how angewiesen.
Als «Blick» vor zwei Jahren in grossen Lettern ankündigte, «Kuoni verkaufe keine Reisen mehr», brachen die Verkaufszahlen drastisch zusammen. Aber nicht erst seit dem Kommunikationsgau der damaligen Kuoni-Pressestelle verliert das Unternehmen an Umsatz. Die Digitalisierung, das Aufkommen von Online Travel Agencies, verschlief Kuoni zu Beginn völlig. Einerseits gilt es nun, ein beschädigtes Image aufzupolieren und verlorenes Terrain im klassischen Reisemarkt zurückzugewinnen, anderseits die digitale Revolution zu meistern. Wie geht das? Ihr Job gleicht einer Herkulesaufgabe.
Als ich im vergangenen Jahr angefragt wurde, die Leitung von Kuoni Schweiz zu übernehmen, wurden mir die von Ihnen beschriebenen Probleme nicht verheimlicht. Ich hätte die Herausforderung nicht angenommen, wenn eine Private-Equity-Firma die neue Besitzerin von Kuoni geworden wäre. Zugesagt habe ich, weil Rewe an die Zukunft glaubt und an einem langfristigen Erfolg interessiert ist. Wir haben drei Jahre Zeit, wieder in ruhigere Gewässer zu fahren. Jetzt, sechs Monate nach dem Start, bin ich bereits sehr zuversichtlich. Wir haben die Talfahrt weitgehend gestoppt. Wir arbeiten gegenwärtig mit Hochdruck daran, bei unseren Kunden und Reisebüropartnern das Vertrauen zurückzugewinnen. Die Message lautet: Es lohnt sich, bei Kuoni seine Reisen zu buchen. Wir können das, und wir machen es gut. Kuoni Schweiz wird auch wieder vermehrt im Fernsehen, im Radio und in der Presse präsent sein.
Und ja, der digitale Wandel wurde in der Vergangenheit völlig verpasst. Die Frage lautet heute: Wer sind unsere Mitbewerber? Tui Suisse und Hotelplan oder Booking.com und Google? Die Digitalisierung ist in erster Linie eine Frage des Marketings und des Kundenauftritts. Wie digitalisiert man das Marketing und den Kundenauftritt? Wo erreicht man heute mit Werbung die Kunden? Ist Facebook wirklich ein Verkaufskanal? Wie verknüpfen wir das Netz mit unseren 83 Reisebüros in der Schweiz? Buchungen im Internet werden übrigens heute bereits nach einem Regionalcode den entsprechenden Reisebüros zugeordnet, um den Kunden besser zu bedienen, falls dieser Fragen hat.
Wie steht es im Moment um die Buchbarkeit Ihrer Produkte im Internet?
Die Buchbarkeit im Netz ist weitestgehend gegeben. Wir haben noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Die Probleme, die uns seit einem Jahr beschäftigen, werden aber immer kleiner. Im Bereich der Digitalisierung haben wir den Vorteil, dass wir von unserer deutschen Mutter profitieren können. Wir können hier viele Synergien nutzen. Wir versuchen aber nicht, mit Google, Amazon oder Expedia mitzuhalten. Dieser Zug ist abgefahren. Wir müssen unsere Stärken ausbauen: Ich will die Digitalisierung nicht kleinreden, aber ich bin überzeugt, dass es nicht reicht, nur ein digitales Unternehmen zu sein. Reisen ist ein emotionales Produkt. Persönlicher Service wird sehr gerne in Anspruch genommen, und dafür wird in der Schweiz auch etwas bezahlt. Der menschliche Kontakt spielt bei den Dienstleistungen ums Reisen eine wichtige Rolle. Diese Bedeutung wird in der Zukunft wohl noch eher zunehmen. Und da wollen wir der Ansprechpartner sein.
Von den Stürmen scheinbar unbeeindruckt haben sich die Kuoni-Marken Manta Reisen, Kuoni Cruises und Kontiki entwickelt. Worin liegt das Geheimnis für deren Erfolg?
Die Spezialisten haben sich in der Tat sehr positiv entwickelt. Sie haben von eigenständigen Namen profitiert. Die genannten Spezialisten arbeiten sehr gut, die unterschiedliche Entwicklung im Haus lag aber vor allem an der schlechten Performance der Kuoni-Produkte.
Ist das Spezialistengeschäft für Kuoni Schweiz das Modell für die Zukunft?
Das ist nicht auszuschliessen. Wir schauen uns an, wo das Geschäft bzw. der Kunde hingeht, und wir sind gerade daran, eine Spezialistenstrategie auszuarbeiten. Die Richtung geht eindeutig in mehr Erlebnis, Aktivität, Abenteuer und Wellness. Aber auch Kreuzfahrten sind immer gefragter. Diese Bedürfnisse kann man über Spezialanbieter besonders gut abdecken. Die Ausweitung unseres Spezialistenbereichs ist einer der Strategiebausteine, die wir verfolgen.
Wie sehen Sie die Zukunft von Pauschalreisen?
Noch immer machen Pauschalreisen vom Volumen her unser Hauptgeschäft aus. Der Trend zeigt aber wie erwähnt in eine andere Richtung. Denkt man daran, dass heute zu fast jeder Zeit von fast überall Bilder gepostet werden, geht es auch in den Ferien vermehrt darum, mit Aufnahmen die Liebsten zu Hause zu beeindrucken. Und da ist beispielsweise ein Walross in Franz-Joseph-Land, das bedrohlich nahe kommt, deutlich spektakulärer als ein Liegestuhl auf Mallorca.
Worin unterscheidet sich Kuoni Schweiz von seinen Mitbewerbern?
Wir verfügen in der Schweiz über das grösste und vielfältigste Produkte-Portfolio. Sowohl im Bereich der spezialisierten Reisen als auch im Angebot der Badeferien. Zweitens ist die Qualität der Beratung und der Serviceleistungen in unseren Reisebüros nach wie vor Spitze. Und drittens spüre ich jeden Tag, dass das Thema Reisen bei Kuoni mit einer besonders hohen Leidenschaft verbunden ist.
Und wo machen Sie am liebsten Ferien?
Im Frühling und Herbst versuche ich, mit meiner Familie jeweils eine Fernreise zu unternehmen. Wir waren gerade acht Tage in Südafrika mit Private Safaris unterwegs. Im Herbst reise ich mit Manta eine Woche auf die Malediven. Den Sommer verbringen wir immer auf Ibiza. Ich habe das grosse Glück, dass meine Schwiegereltern dort ein sehr schönes Haus besitzen.
Interview: Markus Weber
Zur Person:
Seit November 2016 steht Dieter Zümpel an der Spitze von Kuoni Schweiz. Der Deutsche hatte seit 1996 verschiedene Managementpositionen in der Reisebranche inne. Bei Tui Deutschland war er Vertriebsdirektor und Geschäftsleitungsmitglied. Zwischen 2007 und 2012 verantwortete er in Wien das Produkt Magic Life sowie den Fremdvertrieb von Tui. 2012 wechselte er zu Alltours als Geschäftsführer Vertrieb und Marketing. Dieter Zümpel ist verheiratet und Vater eines Sohnes.