Zauberhafte Wälder, Schnee in Hülle und Fülle und ein einzigartiges Licht: Die märchenhaften Winterlandschaften Lapplands sind Oasen der Ruhe, aber auch ein Mekka für Aktivferien.
Der Schnee glitzert im Kegel des Scheinwerferlichtes, als hätte jemand Diamantenstaub ausgeschüttet. Die Augen werden gross und grösser: Das ist ja wie im Märchen! Nur das Tempo, das der Fahrer anschlägt, ist mir nicht ganz geheuer. Die Strasse ist doch schneebedeckt! Doch wie ich schnell merke, sind wohl die meisten Finnen kleine Raikkönens. Mein Chauffeur beherrscht glücklicherweise die winterlichen Verhältnisse und bringt mich sicher vom Flughafen Kittilä zur Lodge.
Faszinierendes Farbenspiel
Wer noch nie im Winter im Norden war, nimmt gemeinhin an, dass die Tage stockdunkel und unfreundlich eisig sind. Also starte ich neugierig in den nächsten Tag. Das Aufwachen und das Frühstück dauern lange, denn erst gegen zehn Uhr verändert sich draussen das Licht. In die noch unterbelichteten, nebliggrauen Bilder schleicht sich Farbe ein. Von Gelb über Rosa bis Violett und Dunkelblau. Es wird nie richtig hell, bleibt aber auch nicht dunkel, und schon ist es Mitte Nachmittag und der Tag vorbei! Das Morgenrot ist quasi direkt in die Abendstimmung übergegangen. Und während dieser Stunden ist der Lappland-Besucher sportlich mehr oder weniger aktiv unterwegs. Es kann jedoch nicht schaden, zuerst einmal einen Gang runterzuschalten und körperlich und geistig 170 Kilometer über dem Polarkreis anzukommen. Schliesslich ist hier alles anders – man muss sich erst einleben. Overall, Schneestiefel und Woll socken (!) werden zur Verfügung gestellt. Dazu Jeans, Pulli und Handschuhe an gezogen, die Mütze übergestülpt und den Schal umgewickelt – so wird mit der arktischen Kälte eingehender Bekanntschaft gemacht. Der Schnee knirscht unter den Schuhsohlen, ich höre meinen Atem – und sonst nichts. Es dauert auch nicht lange, könnte ich mit meiner roten Nase dem Rentier Rudolph Konkurrenz machen. Aber die reine Luft und die bezaubernde Winterlandschaft locken dennoch zu einem ausgedehnteren Spaziergang.
Bei der Rückkehr zur Lodge zeigt das Thermometer minus 16 Grad an. Die waren eigentlich erstaunlich gut auszuhalten. Dennoch ist es ein herrliches Gefühl, so erfrischt in die Wärme einzutreten, sich der Kleiderschichten zu entledigen und sich mit einem Lumumba (heisse Schokolade mit einem Schuss Rum) vors Kaminfeuer zu setzen. Allein ist man hier kaum. Stets findet sich jemand, der von seinen Erlebnissen in der Kälte erzählt.
Wintertraum mit Huskys
Zu den besonderen Erfahrungen zählt beispielsweise die Begegnung mit den Huskys. Je nach Angebot darf man die Hunde selber vor den Schlitten spannen, was gar nicht mal so einfach ist. Und es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wer aufgeregter ist: die bellenden Hunde oder die angehende Musherin. Auf Kommando geht es los, ich ziehe den Anker aus dem Schnee und augenblicklich werfen sich die Hunde ins Geschirr. Das Bellen verklingt, der Schlitten fährt mit einem Ruck an – und ich schaffe es tatsächlich, auf den verlängerten Kufen stehen zu bleiben. Start gelungen – die Anspannung weicht. Der Schnee knarzt anfänglich, doch schon nach wenigen Metern ist ausser dem «Schschsch…» der Kufen nichts mehr zu hören.
Die Landschaft scheint lautlos vorbeizugleiten, ich versinke in einen grandiosen Anblick. Der Fluss ist zur eisigen Weite erstarrt, kleine Büsche und Tannen, die am erahnten Ufer stehen, tragen schwere, weisse Mützen… Und dann, es müsste ja nicht der 24. Dezember sein, beginnt es zu schneien. Sanft schweben die Flocken, tanzen in der Luft – und die Gefühle schlagen Purzelbäume. «Schschsch…» wie ein Traum, wären da nicht Kälte und Fahrtwind, die sich unbarmherzig durch Schuhsohlen und Handschuhe fressen, und das Halstuch, das Wangen und Nasenspitze vor Schlimmerem bewahrt, zur eisigen Maske erstarren lassen … Nach dem Ausspannen und Füttern der Hunde bin ich nicht die Einzige, die sich glücklich und erfüllt aufs Kaminfeuer freut.
Das gemütliche Beisammensein nach dem Abendessen wird jäh unterbrochen. «Polarlichter!» Und schon stürmt die kleine Gästeschar hinaus, um das Naturschauspiel ja nicht zu verpassen. Die wabernden Nebel, mal gelblich, mal grünlich irrlichternd. Es ist kaum zu beschreiben. Meine erste Aurora Borealis! Und es wird nicht die letzte bleiben.
Von Inge Jucker