Schwedens südlichste Grossstadt Malmö kombiniert Industrieromantik mit Strand, Sauna und schicken Museen.
Der Steg über das Meer scheint unendlich und führt kerzengerade Richtung Dänemark. Dazwischen schwebt nur noch ein Gebäude auf Stelzen: Es ist das Riberborgs Kallbadhus und beheimatet die grösste Sauna der Region. Besucher betreten das Jugendstilbad durch ein Café. Rechts geht es zu den Frauen, links zu den Männern, Familien können sich in der Mitte in einer meist proppenvollen Gemeinschaftssauna treffen. Besser: Frau bleibt bei ihren Geschlechtsgenossinnen, lässt Mann und Sohn separat schmoren und geniesst in der heissen Luft den Blick durch das Panoramafenster auf den Öresund, die Meerenge zwischen Dänemark und Schweden, die eine fast acht Kilometer lange Strassen-und Zugbrücke überspannt. Sie gilt als die weltweit längste kombinierte Schrägseilbrücke.
«Du hast hier den besten Ort Malmös entdeckt», sagt eine ältere Frau, die vor der Sauna auf einer Holzbank sitzt. Die Ursprünge des Badehauses gehen auf das ausgehende 19. Jahrhundert zurück, vor 15 Jahren wurde das Jugendstilgebäude nach einem Brand renoviert. Das Beste: Saunafans können sich nach dem Saunagang direkt im Meer abkühlen und dabei noch die Skyline Malmös im Westhafen, dem Västra Hamnen, bewundern. Allem voran reckt sich der 190 Meter hohe, in sich gewundene «Turning Torso» des spanischen Architekten Santiago Calatrava empor.
Industriestadt wird Ziel für Kulturreisende
Nach einer schweren Werftenkrise in den 1980er Jahren, verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit, hat sich Schwedens drittgrösste Stadt zu einer schicken Metropole gemausert. Seit Malmö per Brücke mit Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen verbunden ist, hat sich die Industriestadt zu einem beliebten Ziel für Kulturreisende entwickelt, denn die Fahrt mit dem Zug vom Flughafen Kopenhagen nach Malmö dauert gerade einmal 25 Minuten. Die Austragung des Eurovision Song Contest 2010 tat ihr Übriges. Seit Beginn der 2000er ist der Westhafen mit seinen schicken Glasbauten und Holzterrassen direkt am Meer ein Anziehungspunkt für Einheimische und Touristen geworden.
Dort gibt es auch mehrere von den sogenannten Tiefbadestellen, also am Meer gelegene Holzterrassen, von denen Badefreudige kurzerhand ins Wasser springen können. Der Vorteil: Der Kälteschmerz fällt so bei knapp 20 Grad Wassertemperatur auch im Sommer wesentlich kürzer aus, als wenn Badende langsam ins flache Meer schreiten. Malmö vereint, was viele Reisende mögen: Eine moderne Stadt am Meer, der man ihre Arbeitergeschichte noch ansieht, die sich aber weiterentwickelt hat und dabei mit knapp 300 000 Einwohnern übersichtlich geblieben ist. Der Mix aus bodenständi- gen Beschäftigungen wie Fischen, Baden und Spaziergängen am Meer und der lieblichen Landschaft in Kombination mit Kultur und Industrieromantik machen Malmö und die Region Schonen attraktiv. Bekannte schwedische Bands wie die Cardigans oder The Ark kommen aus Malmö.
Für einen Tageseintritt von rund fünf Franken können Erwachsene vier Museen besuchen: ein Stadtmuseum samt Siedlungsgeschichte, ein Kunstmuseum, das bei Kindern beliebte Naturkundemuseum mit Aquarium und ein spannendes Technik- und Seefahrt-Museum. Überhaupt das Technikmuseum: Riesige Hallen, in denen Besucher unter anderem Flugzeugcockpits und U-Boote betreten können. Wer also je darüber nachdenkt, per U-Boot zur See zu fahren, kann dort testen, ob er klaustrophobisch veranlagt ist.
Flauer Magen, reiche Beute
Bing! Schon hat sich Papa Micha den Kopf angehauen. Bing! Und gleich noch eimnal. Als lange Familie stellen wir schnell fest: Unser bevorzugtes Fortbewegungsmittel wird die U3 nicht. Dieses Problem kennt der 1,68 m grosse Bengt Malmborg nicht. Der 80-Jährige arbeitete als junger Soldat Ende der 1950er Jahre als Ingenieur auf dem U-Boot und erzählt Museumsbesuchern, wie damals das Leben an Bord war: «Das Klo war ein grosses Problem, nicht jeder konnte die Spülung bedienen.» Anders formuliert: Wer technisch überfordert war, dem flogen gewisse Stoffwechselprodukte um die Ohren. So vermied ein jeder, sein grösseres Geschäft an Bord zu erledigen und hoffte auf baldigen Landgang.
Letzteren wünscht man sich vielleicht auch nach einer Angeltour mit hohem Wellengang im Öresund. Der Magen ist flau, doch die Tour mit Kapitän Björn Tungsten ist äusserst ergebnisreich: Sechs Heringe, drei Dorsche und ein kleiner Wittling. Auch hier bewegen sich Reisende am Nadelöhr zwischen Dänemark und Schweden, teilweise fährt man direkt unter der Öresundbrücke. Egal ob Baden, Sauna, U-Boot oder Angeln, egal ob im, unter oder auf dem Wasser – der Öresund ist in Malmö allgegenwärtig.
Text: Geraldine Friedrich
Bild: iStock
NÜTZLICHE ADRESSEN:
Allgemeine Informationen: visitsweden.com; malmotown.com
Shopping: Ein Gang durch Schwedens Boutiquen und Modeketten wie Åhléns, Kappahl und Lindex lohnt sich immer. Jede Menge Alltagsutensilien im skandinavischen Design gibt’s im Designtorget. designtorget.se
Malmö-Limhamn: Die Angeltour mit Björn Tungsten im Öresund dauert drei bis vier Stunden. Absolut empfehlenswert! oresundsfiske.se
Restaurant: Gutes Fischrestaurant in Malmös Innenstadt. johanp.nu
Wer sich gerne bei guter Küche unter Hipstern aufhält, ist im Bastard gut aufgehoben. bastardrestaurant.com