Malta ist für schöne Strände und historisch reiche Städte bekannt. Doch immer mehr Reisende entdecken auch die grüne Seite der Insel.
Die Luft vibriert, sie ist erfüllt von einem gleichmässigen Summen, das wie eine einfache schöne Melodie klingt. Tausende kleine Flügelschläge komponieren das Stück, Tausende kleine, dunkle Bienen, die um ihren Stock fliegen. Mit ruhiger Hand hat Ray Sciberras die Holzkiste geöffnet und zieht eine der Waben heraus. Fütterungszeit. Seine Partnerin Denise Camilleri hält uns lächelnd eine Flasche mit Zuckerwasser entgegen. «Wollt ihr?» Sie mahnt uns zur Vorsicht, nichts daneben zu schütten, um keine Ameisen anzulocken. «Und bewegt euch langsam und ruhig.» Wir sind von Kopf bis Fuss eingepackt in weisse Schutzkleidung, inklusive Gamaschen, Handschuhen und geschlossener Kapuze mit Netz vor dem Gesicht. Trotzdem braucht es ein bisschen Überwindung, in den fliegenden Schwarm zu treten und das Bienenhaus aus nächster Nähe zu betrachten. Doch die Arbeiterinnen sind gut gelaunt an diesem Morgen. «Sie sind ausgesprochen friedlich», sagt Sciberras, der die Stöcke untersucht. «Da haben wir andere Völker, die spürbar gegen uns fliegen und so eine Art lebendige Schutzwand aufbauen.» Mutige kleine Kämpfer.
Denise und Ray sind Herrin und Herr über 150 Bienenvölker auf Malta, ihre Bienenhäuser stehen auf der ganzen Insel verteilt. Wer die beiden Imker auf einer Tour begleitet, kommt an wilde, ruhige Flecken auf der sonst eher geschäftigen Insel. Malta ist bekannt für die schöne Hauptstadt Valletta mit dem vielleicht eindrücklichsten Naturhafen im Mittelmeer, für den Charme der ehemaligen Hauptstadt Mdina mit ihrer mittelalterlichen und barocken Architektur und für städtebauliche Schönheiten wie die «Three Cities» Birgu, Isla und Bormla. Nicht zu vergessen die Küste mit Badestränden, die sich perfekt für entspannte Sommerferien eignen.
Drei Ernten pro Jahr
Wer aber den Bienen folgt, findet die grünen Ecken von Malta, die Orte ohne Strassen und Wege, ohne historische Prachtsbauten und Menschen. Idyllische, abgelegene Weiler, wo Grillen zirpen und Blätter im Wind rascheln, mit unzähligen Blüten und Bäumen. Eine Welt noch älter als Maltas sehr weit zurückreichende Menschheitsgeschichte. Die Vegetation auf der Mittelmeerinsel ist so reich und vielfältig, dass Imker hier dreimal im Jahr Honig ernten können. Schon seit Jahrhunderten ist der Archipel bekannt für sein besonders schmackhaftes flüssiges Gold. Die Griechen und Römer nannten Malta die «Insel des Honigs», der Name Malta stammt vom griechischen Wort Meli: Honig. Schon die Phönizier pflegten hier die Tradition, sich am Produkt der verschiedenen Bienenarten zu verköstigen. Ganz ohne Geschichte geht es auf Malta fast nicht.
Wiederentdeckung der eigenen Schätze
Während der Honig stets einen wichtigen Stellenwert einnahm bei der lokalen Bevölkerung, rückten andere kulinarischen Spezialitäten für viele Jahre etwas in den Hintergrund. «Das ist die typisch koloniale Identität, mit der hier viele aufgewachsen sind. Alles Fremde scheint interessanter als das eigene», beschreibt George Borg. Er steht vor einem langen Regal mit lauter Köstlichkeiten im «Vini e Capricci by Abrahams» auf Gozo. Das Lokal ist Restaurant, Vinothek und Feinkostgeschäft in einem. Malta und seine Nachbarinseln Gozo und Comino waren von 1814 bis 1964 britische Kolonie. George Borg, Koch im «Vini e Capricci», ist es ein Anliegen, die lokalen Produkte wieder in den Vordergrund zu rücken. «Es findet ein Umdenken statt. Heute stammen zum Beispiel über 90 Prozent des verwendeten Olivenöls wieder von lokalen Bauern.»
Das Geschäft ist eine wahre Schatzkammer für Geniesser. 180 verschiedene Käse werden angeboten, auch aus dem Ausland, hausgemachte Schokolade, unzählige Weine und lokale Liköre. Gläschen und Gläser voller Leckereien locken zum Kauf. Und Borg bietet auch Kochkurse an. Unter dem Titel «Days with the Chef» führt er kleine Gruppen in die Kunst der lokalen Küche ein. Die Besucher staunen, wie viel Butter in die «Ftira», eine Art Brottasche oder maltesische Pizza, kommt, und versuchen sich am Blumenkohl-Eintopf, der mit Ei, Wurst und frischem Schafskäse bereichert wird. An einem riesigen Tisch, mit Kunst an der Wand und einem Glas Wein neben sich, wird Teig geknetet, Gemüse geschnitten und Käse zerbröselt.
Auf dem Bauernhof wohnen
Immer mehr Gäste auf Malta und seinen Inseln entdecken auch das Landesinnere, die grüne Seite der Destination oder kommen zu kulturellen Events wie dem BOV Opern Festival. Die Besucherzahlen in der Nebensaison steigen, auch aus der Schweiz. Es gibt nicht nur schöne Strände und Buchten, sondern auch unzählige Wander- und Spazierwege auf Malta, Gozo und dem kleinen, autofreien Comino. Die Zahl von Agriturismos wächst, gleich wie das Selbstvertrauen, die eigenen Produkte und Reichtümer, welche die Erde auf dem sonnenverwöhnten Archipel hergibt, in den Fokus zu rücken.
Ein solcher Ort ist zum Beispiel das Vincent’s Eco-Estate bei Mgarr im Westen Maltas. Auf dem Biohof gibt es nicht nur einen Hofladen und Touren, die Besuchern die Grundsätze der biodynamischen Landwirtschaft näherbringen, sondern mit dem Skorba-Farmhaus bald auch ein Gästehaus mit mehreren Zimmern. Eine Unterkunft für alle, die einen authentischen Aufenthalt in Maltas Hinterland erleben möchten. Wer mit dem Farm-Manager Paul Debono über das Gelände mit alten Olivenbäumen, vielen Tieren sowie weitläufigen Reben und Feldern spaziert, kann nicht anders, als plötzlich tief Luft zu holen. Erstaunlich, wie sich fast unbemerkt ein entspanntes Gefühl einschleicht. Eine Wohltat für gestresste Köpfe, eine Vitalkur für müde Körper. Die Ruhe, die frische Luft und das Gackern der Hühner haben ihre Wirkung. Es sei ein aussergewöhnlicher Ort, sagt auch Debono, der schon in verschiedenen Ecken der Welt auf biodynamischen Plantagen und Höfen gearbeitet hat. «Ganz in der Nähe liegt der Tempel von Skorba. Dort haben die Menschen schon vor Tausenden von Jahren Gemüse angepflanzt.»
Zum Dank für reiches Land
Malta und Gozo haben mehrere Megalithanlagen, die zwischen 3800 und 2500 vor Christus erbaut wurden. Sie gehören alle zum Unesco-Weltkulturerbe. Es sind eindrückliche Zeugen einer längst vergangenen Kultur. Die Ggantija-Tempel auf Gozo gelten als die ältesten freistehenden Gebäude der Welt. Sie sind noch älter als Stonehenge und die ägyptischen Pyramiden. Ihr Name stammt vom Wort «ggant» ab, was maltesisch für «Riese» steht. Die Menschen auf Gozo waren der Überzeugung, dass die Anlage von Riesen gebaut worden sein musste. Das ist gar nicht so abwegig, wenn man bedenkt, dass einige der Steine über fünf Meter lang sind und mehr als fünf Tonnen wiegen. Sie sind eindrücklich aufeinandergelegt, bilden auch halbkreisförmige Räume. Vor den Tempeln wurde eine Art Terrasse freigelegt, bei der Forscher davon ausgehen, dass sie für Feierlichkeiten benutzt wurde. Ausgegrabene Tierknochen lassen darauf schliessen, dass Opfer gebracht wurden. Uralte Rituale, um Mutter Erde und die Fruchtbarkeitsgöttin zu ehren.
Text: Stefanie Schnelli
Bild: Die Tempel von Ggantija (iStock)
Gut zu wissen
Anreise: Air Malta fliegt direkt von Zürich nach Malta. airmalta.com
Hotels: Malta: Das moderne Quaint Boutique Hotel mit zwölf Zimmern liegt in der Altstadt von Rabat. quainthotelsgozo.com
Gozo: The Duke Boutique Hotel mitten in Victoria bietet eine schöne Aussicht. Die Suiten verfügen über ein Jacuzzi auf der Terrasse. thedukegozo.com
Kulinarisch: Für ein Weintasting lohnt sich der Besuch auf dem Weingut Meridiana. meridiana.com.mt
Im Vincent’s Eco-Estate bei Mgarr erfährt man alles über biodynamische Landwirtschaft und kann einkaufen. vincentecoestate.com
Geniesser sollten auf Gozo das «Vini e Capricci» besuchen: Restaurant, Vinothek, Shop und Kochschule in einem. viniecapricci.com
Die besten «ftiras» auf Gozo soll es in der Bäckerei Mekren geben. Adresse: Triq Hanaq, Nadur
Wer mehr über Maltas Honig erfahren will, begleitet Ray Sciberras von «Honey and More Golden Island» auf eine Tour.
Ausflüge: Eine witzige Art, die «Three Cities» auf Malta zu entdecken, sind die Elektromobile von Rolling Geeks. rolling-geeks.com
Infos: visitmalta.com