Mitten in der Altstadt von Marrakesch führen Christine und Axel Manschott ein kleines, hübsches Riad. Sie haben sich damit einen Traum verwirklicht, obwohl manches ein bisschen anders gekommen ist, als es sich die beiden ursprünglich vorgestellt hatten.
«Für mich war es Liebe auf den ersten Blick. Als ich nach dem Weg durch die engen Gassen der Medina, der Altstadt Marrakeschs, zum ersten Mal durch das Holztor ins Riad Nora trat, war es um mich geschehen. Mein Mann Axel und ich wussten, dass unsere Suche nun zu Ende war. Wir hatten das Riad gefunden, in dem wir unseren Traum vom eigenen kleinen Hotel verwirklichen wollten.
Dieser Traum allerdings, das muss ich sagen, war eher Axels. Er ist in Nigeria aufgewachsen und hatte immer schon die Sehnsucht, wieder im Ausland zu leben. Wo, war nicht klar, bis wir auf unserer Hochzeitsreise 2008 Marrakesch entdeckten. Ich kann mich sehr gut an unseren ersten Abend erinnern: Als wir ankamen, ging gerade die Sonne langsam unter und tauchte die Medina in ein wunderschönes Licht. Überall waren Menschen in ihren farbenfrohen Jelabas unterwegs, der Muezzin rief zum Gebet auf und auf dem Djemaa el Fna spielten Schlangenbeschwörer ihre Flöten. Mein Körper war wie elektrisiert von der Energie dieser Stadt. Dann, im Gegensatz dazu, die intime, familiäre Atmosphäre der Riads, der hier typischen Stadthäuser. Es ist eine Märchenwelt, die mich komplett in ihren Bann zog – und das tut sie bis heute, obwohl wir jetzt schon zwei Jahre hier leben.
Gute-Nacht-Lieder von Kamelen
Wir konnten das Riad Nora von einer Französin erwerben. Es ist ein historisches Haus, wurde im 19. Jahrhundert als Teil des Bahia-Palastes erbaut. Lange hat hier der höchste Politiker des Quartiers gewohnt. Einiges von damals ist heute noch sichtbar, beispielsweise ein antikes Holzvordach mit wunderschönen Verzierungen. Wir bemühen uns, den marokkanischen Stil und Geist des Hauses zu erhalten. Dafür sorgen nicht zuletzt unsere vier marokkanischen Mitarbeitenden. Sie sind wunderbar. Wir sind hier wie eine Familie. Anfangs haben Axel, die Kinder und ich auch im Riad gewohnt. Aber mit unseren damals dreijährigen Zwillingen Aline und Coralie war das etwas schwierig, weshalb wir an den Stadtrand gezogen sind.
Die Kleinen sind sehr gut integriert. Sie gehen an eine französische Schule, haben aber auch marokkanische Freunde. Für sie ist die Kultur hier selbstverständlich und in ihren Gute-Nacht-Liedern singen sie von Kamelen und der Wüste und nicht von Hasen und Füchsen. Für Axel und mich ist es schwieriger, Freundschaften aufzubauen. Die Einheimischen haben einen ganz anderen Rhythmus, als wir ihn uns gewohnt sind. Wenn man hier um 13 Uhr zu einem Mittag essen eingeladen wird, sitzt man meist um 17 Uhr noch am Tisch. Der Fernseher läuft und die Kinder bleiben eher im Haus. Das liegt uns nicht. Wann immer wir Zeit haben, machen wir Ausflüge und kleine Entdeckungsreisen oder fahren übers Wochenende ins Atlasgebirge oder ans Meer. Leider geht das aus Zeitmangel aber nicht so häufig, wie wir uns das ursprünglich vorgestellt hatten.
Abenteuer Alltag
Vor allem im ersten Jahr haben wir sehr viel gearbeitet. Es braucht eine Weile, bis man versteht, wie hier alles funktioniert, bis man die richtigen Handwerker kennt und sich im Alltag zurechtfindet. Manchmal dauerte schon das Einkaufen Ewigkeiten. Inzwischen läuft alles recht gut. Axel regelt vor allem die administrativen Dinge und ist in Kontakt mit den Gästen. Ich bin hauptsächlich für das Ambiente sowie die Einrichtung der Räume zuständig. Von den Möbeln über Bilder, Lampen, Bettwäsche, Blumen und Seifen – es muss alles stimmen. Es macht mir riesigen Spass, kreativ zu sein, und ich könnte dauernd etwas verschönern oder verändern. Die Ideen müssen jedoch dem Budget und den marokkanischen Möglichkeiten angepasst werden. Oft gilt es, aus dem Minimum das Maximum herauszuholen. Geduld und eine positive Einstellung helfen dabei. So bin ich dauernd beschäftigt und vermisse meinen ursprünglichen Beruf als Kindergärtnerin mittlerweile etwas weniger.
Mir fiel die Entscheidung schwer, meinen Job aufzugeben und die Schweiz zu verlassen. Bis jetzt aber geniesse ich das Abenteuer. Ich poliere meine Französischkenntnisse auf und finde es eine bereichernde Erfahrung, in einer so fremden Kultur zu leben. Wenn ich einkaufen gehe und mich hie und da mit den Einheimischen auf ein Schwätzchen einlasse, fühle ich mich je länger, je mehr zu Hause.»
Text Stefanie Schnelli, Bilder Christine Manschott