Neben der ungezähmten grossen Schwester Madagaskar und den kleinen maledivischen Prinzessinnen nimmt sich Mauritius wie die goldene Mitte aus. Die Insel vereint von allen das Beste.
Ein Wettschwimmen mit Delfinen vor dem Frühstück, eine Pirsch auf den Hirsch am Fusse des grün bewachsenen «Matterhorns» vor dem Mittagessen, ein Five o’Clock Tea in einer der hügeligen Teeplantagen, Rum mit Salzfinish und ein dramatischer Sonnenuntergang am Strand – so kann ein Tag auf Mauritius aussehen.
Dazu muss man allerdings recht früh aufstehen. Das PSstarke, kleine Motorboot erwartet uns denn auch schon kurz nach Sonnenaufgang direkt vor unserem Strand an der Westküste bei Flic en Flac im knietiefen Wasser. Über eine noch spiegelglatte Oberfläche gleiten wir mit den ersten Sonnenstrahlen im Rücken über das seichte Wasser bis an den Rand der breiten, praktisch die ganze Insel umgebende Riffplatte. Darwins Theorie, wonach hier zunächst nur steile Vulkane aus dem Ozean ragten, um die sich dann knapp unter der Wasseroberfläche ein Kranz von Korallen bildete, der bald von den Bergbächen mit Schwemmmaterial aufgefüllt wurde, konnte bisher niemand widerlegen. So weichen die Korallen immer weiter ins Meer aus, der flache Kragen wird breiter und breiter und die Berge werden kleiner und kleiner. Noch aber ragen die zahlreichen Schlote der Jahrmillionen alten Vulkane bizarr in den Himmel und geben der Insel eine reizvolle, wilde Silhouette. Das Schwemmland zu ihren Füssen ist äusserst fruchtbar und wird seit der holländischen Besiedlung im 17. Jahrhundert und der nachfolgenden französischen und britischen Kolonisierung für den ZuckerrohrAnbau genutzt. Obwohl die internationale Konkurrenz inzwischen hoch und die Preise niedrig sind, nehmen die riesigen Plantagen der eleganten Pflanzen mit ihren silbernen Wedeln immer noch 80 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche ein, wobei die Hälfte einer Handvoll Grossgrundbesitzern gehört.
Aber zurück aufs Boot: Dort, wo die Korallengärten abrupt enden und die zerklüftete Wand viele hundert Meter in die Tiefe stürzt, ist das Meer dank der Versteckmöglichkeiten besonders fischreich. Und das wissen auch die Delfine. Jeden Morgen zwischen sieben und acht kommen sie hierher, um zu frühstücken. Schon von Weitem sehen wir ihre glänzenden Rückenflossen auf und wieder abtauchen. Zwei oder drei Gruppen von rund zehn Tieren müssen es sein. Mit Flossen und Schnorcheln ausgerüstet, sitzen wir gespannt am Heck und warten auf den richtigen Moment. Als der Kapitän «now» ruft, lassen wir uns ins warme Wasser gleiten und erblicken unter uns ein BlitzBallett in Blau. Ein Drehen und Wenden von gestromten, matten Körpern, ein Auf und Ab von kleinen Augen, die mich beim Vorbeigleiten aufmerksam anschauen.
Einer schwimmt rücklings, und sein gut sichtbarer, weisser Bauch lenkt meinen Blick tiefer und tiefer – in eine scheinbar andere Welt. Ich müsse schneller schwimmen, meint unser Begleiter. Doch ich bin so erstaunt, dass ich den Delfinen nur hinterherschauen kann. Beim zweiten Versuch drehen sie einfach ab, bevor ich sie überhaupt zu Gesicht bekomme. Doch beim nächsten «now» bin ich gefasst, kraule los und finde mich mitten im Schwarm wieder: Die grossen Tiere sind auf Armeslänge neben, unter und hinter mir, schwimmen auf und ab, kreuzen hin und her, bis sie mich nach wenigen Sekunden abgehängt haben, sich in die Tiefe schrauben und ich benommen auftauche. Unterdessen haben sich ein Dutzend weiterer Boote in der Bucht eingefunden, und wir treten den Rückzug an.
Auf Hirsch-Safari
Nach dem Frühstück werden wir im Jagdrevier von Wolmar erwartet. Der Aufseher, Abkömmling einer französischen ZuckerbaronenDynastie, lädt uns nach einer kurzen Einführung in seinem spartanisch eingerichteten, aber trophäengeschmückten Büro in den 4×4 und zeigt uns einen Zipfel seines fast 800 Hektar grossen Reichs: grünes Feuchtland, das dichte Wälder von weiten Grassteppen trennen. Überragt wird diese afrikanisch anmutende Landschaft vom 777 Meter hohen Montagne du Rempart am nahen Horizont, der dem Matterhorn zum Verwechseln ähnlich sieht, wäre da nur nicht die grüne Farbe. Das SafariFeeling verstärkt sich noch, als wir in weiter Ferne eine riesige Herde grasender JavaHirsche erblicken, einen einzelnen Felsbrocken für einen Elefanten und den Asthaufen unter dem schirmartigen Baum für eine Löwenfamilie halten. Auch die Würgefeigen sehen mit Luftwurzeln wie mit Schlangen behängt aus. Doch ganz so wild ist es hier nicht. Die wenigen richtigen Schlangen auf der Insel sind nicht einmal giftig.
Mauritius ist ein gezähmtes Paradies, und so lässt sich das Revier auch zu Fuss, mit dem Velo oder dem Quadbike erkunden. Die Wahrscheinlichkeit, dass man bei einem Ausflug die prächtigen JavaHirsche und die Wildschweine auch von Nahem sieht, welche die Holländer hier einmal als lebenden Proviant ausgesetzt hatten, ist gross.
Weiter im Inland führt die Tour durch kleine Dörfer, vorbei an abgelegenen Kolonialvillen, zu hohen Wasserfällen und altertümlichen Fabriken, wo in viel Handarbeit Rum, Tee oder Biskuits hergestellt werden. Wir sehen Kirchen, hinduistische Heiligtümer und chinesische Tempel, besuchen den botanischen Garten und fahren durch die Wälder des zerklüfteten Nationalparks im gebirgigen Herzen der Insel. Auf der Heimfahrt entdecken wir noch eine alte Salzgewinnungsanlage, wo hochgepumptes Meerwasser langsam durch Hunderte von terrassierten Bassins fliesst, dank Wind und Sonne dabei nach und nach verdunstet und in den letzten grossen Becken aus schwarzem Lavastein zu Körnchen kristallisiert. Das rare und teure Fleur de Sel bildet sich dabei nur selten und muss, wie die Crème de la Crème, vorsichtig abgeschöpft werden – ein weiteres kleines Wunder der Natur, das sich die Menschen zunutze gemacht haben.
Doch steht auf Mauritius die Zeit nicht etwa still: Noch sind die architektonisch gewagten Büro und Wohngebilde am wichtigsten Verkehrskreuz unweit der Hauptstadt Port Louis locker gesät, doch stehen allerorten Kräne, Landflächen werden gerodet, parzelliert und erschlossen. Der hohe Ausbildungsstand, die umsichtige Politik und die ansprechende Infrastruktur haben dazu geführt, dass auf Mauritius nun die Dienstleistungsbranche und insbesondere der Finanzsektor stark zum Aufschwung beitragen. Angesichts der Verbundenheit der Mauritier mit ihrer Insel stehen die Chancen aber gut, dass deren natürliche Schönheiten und kulturelle Vielfalt nicht zu Schaden kommen.
Text Lucie Paska, Bilder Wolfgang Loesche
Künstlerisches Intermezzo auf Mauritius
Angefangen hat alles in einer Hotelbar. Beim Feierabenddrink in New York lernte Wolfgang Loesche einen anderen Deutschen kennen. Wie sich herausstellte, war er der Hotelmanager des Hauses. Er fragte Loesche, was er sich als Künstler noch wünsche und Loesche antwortete spontan, einen Atelieraufenthalt auf Mauritius. Die Männer tauschten die Telefonnummern aus und verloren sich aus den Augen. Bis Jahre später Loesches Handy klingelte und sein Bekannter, inzwischen Direktor eines renommierten Hauses auf Mauritius, ihn auf die Insel einlud. Das Ziel: Er sollte drei Monate auf Mauritius leben und malen und die Bilder nachher in Deutschland ausstellen, um Werbung für das Land zu machen. Loesche überlegte nicht lange und packte seinen Koffer. «Ich war überwältigt von Mauritius’ Pracht», erinnert sich der Künstler. «Es ist überall sehr farbig, selbst die Menschen in den einfachen Hütten auf dem Land sind in kraftvolle Farben gehüllt, obwohl ihr Leben vielleicht gar nicht so lustig ist.» Loesche studierte das Land, seine Geschichte und seine Einwohner und brachte mit Acrylfarbe auf Leinwand, was er beobachtete. Zum ersten Mal auch Landschaften. Bisher hatte er Menschen und Architektur gemalt, aber auch Filmszenen aus Klassikern wie King Kong oder den Blues Brothers. Auch mit Donald Duck hat er sich lange auseinandergesetzt und ihn immer einmal wieder neben bekannte Persönlichkeiten oder Politiker gestellt. «Ich male, was ich beobachte, was mich interessiert», sagt Loesche. Er arbeite ohne grosses, philosophisches Konzept. «Dinge entstehen, wenn man etwas macht, sie verselbständigen sich und manchmal entwickeln sich daraus lustige, skurrile Werke.» Loesches Stil ist beeinflusst von der Pop Art der 1960er-Jahre. Zudem sind auf fast allen seiner Bilder typografische Elemente zu finden. «Es hat mich nie interessert, meine Gefühle auf die Leinwand zu transportieren. Ich möchte konkrete Dinge der Welt abbilden, zu denen jeder eigene Erinnerungen hat.» Heute arbeitet er vor allem im Stil moderner Street Art, schiebt einzelne Bildteile zusammen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, und kreiert so einen neuen Sinn, einen eigenen Inhalt. Mauritius war so betrachtet eher ein Intermezzo in seiner künstlerischen Karriere. «Aber ein sehr schönes», sagt Loesche.
Schöner Artikel. Schade zeigt ihr hier nicht mehr Bilder von Wolfgang.