In Meran wird Traditionelles geschickt mit modernen Einflüssen aufgelockert. Das zieht Gäste in die alte Kurstadt, die auch für Shopping kommen, um die Küche zu geniessen oder Kunst zu entdecken.
Oma Kirchlechner macht eine Pause. Sie sitzt im Schatten eines grossen Baumes, aus dem traumhaften Garten strömt der Duft von Jasmin und Zitronenblüten, Vögel zwitschern. Ein wunderschöner Ort, um sich etwas von der Hitze des Tages zu erholen. Die Tür des grossen Hauses steht offen, Menschen gehen übers Kies ein und aus. Die alte Frau sitzt aber nicht mehr vor ihrer eigenen Pension. Sie hat das Zepter mit 84 Jahren an die Jungmannschaft übergeben. Und wie es so ist, hat diese gleich alles auf den Kopf gestellt. Das rund 700 Jahre alte Meraner Gasthaus wurde komplett renoviert. Heute kümmert sich vor allem Enkel Martin um die Gäste. Die ehemalige Pension Ottmanngut ist zu einem stilvollen Suite & Breakfast geworden, in dessen idyllischem Garten oder der Orangerie auch einmal ein Konzert steigt, eine Lesung stattfindet oder aus Altkleidern gefertigte Designerstücke im ersten vorübergehenden Upcycling Fashion Pop Up Store des Südtirols verkauft werden.
Sissis Lieblingsgarten
Das Ottmanngut steht exemplarisch für einen Geist, der in Meran vielerorts zu spüren ist. Meran ist jünger geworden, sagen Einheimische. Lange haftete ihrer Stadt das Image eines etwas verstauben Kurortes an, wo Pensionäre die milden Winter verbringen. Doch das Bild wandelt sich.
Vielleicht hat die Therme den Anfang gemacht, die 2005 ihre Tore öffnete. Prominent mitten in Meran gelegen, verkörpert der Glaskubus die Tradition als Thermalkurort und interpretiert sie gleichzeitig neu. Im Inneren hat der Südtiroler Designer und Innenarchitekt Matteo Thun eine helle, offene und moderne Atmosphäre geschaffen. Wellness-Chic statt Kur-Öde.
Auch die Aussenanlage der Therme ist unbedingt einen Besuch wert. Die schöne Parklandschaft mit verschiedenen Becken, einem grossen Biotop und sanft hügeliger Rasenfläche wurde von Experten bepflanzt: Den Gärtnern von den «Gärten von Schloss Trauttmansdorff». Diese sind ein zweiter Klassiker der Stadt, und wer mit dem Fahrrad hinfährt, kann stets begleitet von Jasminduft, gleich noch die imposanten Herrschaftshäuser der ersten Touristen entdecken. Schon Kaiserin Sissi war gerne in Meran zu Gast. Schon sie wandelte durch die Gärten von Trauttmansdorff. Kein neues touristisches Highlight also, aber die Betreiber haben es verstanden, die 12 Hektar grosse Anlage immer weiter zu entwickeln. Das Resultat sind über 80 Gartenlandschaften – und die Auszeichnung «Internationaler Garten des Jahres» 2013 an der International Garden Tourism Conference in Toronto.
DelikatessenDesign
Die Kunst, Traditionelles weiterzuentwickeln und mit Neuem zu ergänzen, scheint in Meran perfektioniert worden zu sein. Das touristische Angebot hat sich dabei ähnlich entwickelt wie der Südtiroler Wein vor ein paar Jahren: Man konzentriert sich auf Qualität statt auf Masse. In den Lauben der Altstadt haben sich schöne Geschäfte angesiedelt, Kaffees und Spezialitätenläden, die das Beste der Region stolz zeigen. Speck, Schinken, Äpfel, Käse, Wein und Schüttelbrot so ästhetisch präsentiert, dass die Schaufenster der Delikatessen-Läden mindestens gleich viel Aufmerksamkeit erregen wie die der Kleidergeschäfte. Moderne Architektur findet ihren Platz neben Altehrwürdigem, Kunst wird gelebt – zum Beispiel in der «es gallery», wo auch kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Oder in «Kunst Meran», einem Haus für zeitgenössische Kunst.
Hinter vielen Projekten, aber auch Traditionsbetrieben, stehen junge Meranerinnen und Meraner. Sie haben oft im Ausland studiert und sind mit frischen Ideen zurückgekehrt. Mit einem Auge für das Schöne, einer Nase für das Schmackhafte und einem Sinn für die Qualität ihrer Heimat.
Text Stefanie Schnelli