Menschenleer, doch hoch entwickelt, von Schwarzen regiert, doch deutsch geprägt – das ist Namibia, ein Kuriosum in Afrika.
Das Land besteht aus afrikanischen Landschaften wie Steppen, Wüsten und kahlen Gebirgen, doch die wenigen als Städte zu bezeichnenden Ortschaften wie die Hauptstadt Windhoek, Keetmanshoop im Süden und Swakopmund an der Atlantikküste haben einen durch und durch europäischen Charakter. Hier hat die rund hundertjährige koloniale Vergangenheit, als Namibia noch Deutsch-Südwest hiess, ihre tiefsten Spuren hinterlassen.
Unverkennbar ist der deutsche Einfluss auch in der weissen Bevölkerung: In lupenreinem Hochdeutsch hört man sie über ihre Vorfahren berichten, die um 1900 als Angehörige der deutschen Schutztruppen ins Land kamen. Verräterisch ist einzig das Wort «lecker», das sie für wohlschmeckend, aber auch für schön und angenehm verwenden. Ganz selbstverständlich besuchen ihre Kinder deutsche Internate. Tagesschulen sind in diesem dünn besiedelten Land die Ausnahme. Amtssprache ist Englisch. Die Verständigung ist somit kein Problem.
Problemlos ist auch das Reisen in Namibia an sich – ausser dem etwas gewöhnungsbedürftigen Linksverkehr. Die Strassenkarten, das Strassennetz und die Ausschilderungen sind verlässlich und die Schotterpisten übersichtlich, breit und in der Regel in einem guten Zustand. Einzig die Einkäufe bedürfen einer gewissen Vorausplanung. Die Lebensmittelläden auf dem Land liegen nämlich oft Hunderte von Kilometern voneinander entfernt, und das Sortiment besteht auch dann vor allem aus Unverderblichem und Tiefgefrorenem. Die Supermärkte in den grösseren Städten hingegen bieten praktisch alles, was das Herz begehrt. Hat man sich dort also mit Vorräten eingedeckt, kann man sich getrost in die grossen Weiten wagen.
Rostrote Sandwellen und schwarze Vulkankegel
Weite gibt es hier tatsächlich zur Genüge. Namibia, das rund 20-mal so gross ist wie die Schweiz, hat nämlich nur knapp 2 Millionen Einwohner, womit weite Landstriche besonders im extrem trockenen Süden praktisch menschenleer sind. Die Piste zieht sich Hunderte von Kilometern durch scheinbar unberührte Landschaften. Einzig die allgegenwärtigen Zäune und die Telefonmasten zeugen von menschlicher Präsenz. Auf der C 27, die von den berühmten grossen Dünen des Sossusvlei, des touristischen Epizentrums Namibias, südwärts führt, verläuft die Piste hart dem Wüstenrand entlang und teilt das Bild in zwei absolut gegensätzliche Landschaften: Links ziehen in rhythmischer Folge die rostroten Sandwellen dahin und laufen allmählich in die gelb schimmernde Ebene aus, rechts wechseln sich bizarre schwarze Vulkankegel mit grünen Tafelbergen und scharf gezeichneten geologischen Bruchkanten ab.
Bereits vor zwanzig Jahren war die Idee entstanden, in dieser einmalig schönen Landschaft ein Naturschutzreservat zu gründen. Die Regeneration der Landschaft und der Tierwelt scheint erfolgreich zu sein. In den zaunlosen Weiten der Namib Rand Nature Reserve erspäht man von der Strasse aus Herden von Zebras, wilden Straussen und eleganten grossen Oryx-Antilopen, dem Wappentier Namibias. Die wenigen Pisten, die von der Schotterstrasse abzweigen, sind privat und führen zu dem halben Dutzend sehr exklusiven Camps und Lodges oder dem kleinen privaten Flugplatz. Selbstredend muss, wer sich hier einige Tage der Ruhe gönnen will, tief in die Tasche greifen.
Schwindendes Raum- und Zeitgefühl
Eine Tagesreise weiter südlich zweigt dann die landschaftlich schönste Route des Landes, die Pad 707, in südwestlicher Richtung ab. Hinter jeder Bodenwelle eröffnet sich ein neues Naturschauspiel: Gigantischen gezackten Dinosaurierrücken gleich erheben sich kleinere und grössere schwarze Vulkanzüge aus der samtgelben Fläche. Ein paar Kilometer weiter häufen sich vor violetten sedimentgestreiften Plateaubergen orangefarbene Granitkugeln, wie durch eine Riesenhand zufällig hingeworfen. Auf Bildern sind solch traumhafte Ausblicke kaum festzuhalten, dazu bräuchte es mindestens eine Imax-Breitleinwand. Da ist nichts, was den Blick einengt oder ablenkt. Man kann nicht anders als aussteigen und die weiche, warme, bis zum Horizont reichende rote Sandpiste unter die Füsse nehmen. Die reglose, stille Weite scheint einen zu verschlucken, Raum- und Zeitgefühl schwinden. Man hat das Gefühl abzuheben.
Mitten aus dieser Urlandschaft ragt das Massiv der Tirasberge. Die Farmer in dieser unwirtlichen Gegend Namibias setzen, um ihre Einnahmen zu diversifizieren und zu verstetigen, seit einigen Jahren auch auf den Tourismus. Auf den meisten der riesengrossen Ländereien finden sich landschaftlich besonders reizvolle Winkel, die sich für eine touristische Nutzung geradezu anbieten. Die Farmer gehen dabei ausgesprochen sorgfältig mit der Natur um. Die Eingriffe sind minim, die Baumaterialien holt man direkt vor Ort. Das Resultat sind einfache, geschmackvolle Einrichtungen.
Die Farm Koiimasis, zum Beispiel, dirigiert ihre Gäste in ein etwas vom Haupthaus entferntes malerisches Felsental. Neben den grosszügigen Campingplätzen, die über originelle, in die Felsen gebaute Duschen und WCs verfügen, liegen in gebührender Distanz Bungalows und ein Restaurant. Beim Blick zurück aus dem Tal bleibt das Auge an riesigen ausladenden Kameldornbäumen hängen, zwischen denen am frühen Morgen friedlich die Pferde der Farm grasen. Dahinter öffnet sich das Panorama einer weiten Senke, die von einem gezackten Gebirgsgürtel umrahmt wird. Auf Koiimasis wird Straussenzucht betrieben. In riesigen Gehegen kann man die schreckhaften Vögel beobachten, wie sie in grossen Gruppen hin und her traben, immer darauf bedacht, den Abstand zu uns so gross wie möglich zu halten.
Im Zwiegespräch mit der Natur
Zur Nachbarfarm sind es drei Fahrstunden, zum nächsten Tante-Emma-Laden in Helmerinhausen vier. Diese Abgeschiedenheit macht die Menschen Namibias sehr eigenständig und etwas knorrig. Das Geschäft mit den Touristen scheint noch nicht ganz ihre Welt zu sein. Man merkt ihnen an, dass sie das Zwiegespräch mit der Natur und den Tieren den flüchtigen Begegnungen mit den Besuchern bevorzugen. Doch vielerorts steht schon die nächste Generation, durch die langen Jugendjahre in den Städten diskussions- und innovationsfreudig geworden, bereit, um den elterlichen Betrieb weiterzuführen. Vielleicht findet sie eher Gefallen daran, bei Wanderungen, Ausritten oder Wildbeobachtungen die Schönheiten dieses Winkels von Namibia mit Reisenden zu teilen.
Von Lucie Paska, Bild Wilderness Safaris
Eine schöne Time Lapse Symphonie von Martin Harvey möchten wir Ihnen dazu nicht vorenthalten
Namib Desert Time Lapse, Namibia from Martin Harvey on Vimeo.
Time lapse of desert landscapes in Namibia.
Music – Pachelbel’s Canon by Johann Pachelbel