Einmal in einem Hundeschlitten durch die verschneite Landschaft zu gleiten, ist ein unvergessliches Erlebnis. Doch es ist nicht das grösste tierische Abenteuer, das Nordnorwegen zu bieten hat.
Es ist ein einziges Gejohle und Gejaule. Eine ganze Meute winselt und bellt und heult im Chor. Nicht tief und bedrohlich, eher mitteilungsbedürftig und aufgeregt. Der typische Kanon eines Huskyrudels. Kein Hund will vergessen gehen, wenn an diesem späten Nachmittag die Schlitten parat gemacht werden. Der Wind bläst, Schneegestöber macht die sonst schon schlechte Sicht noch finsterer, die wenigen hellen Stunden eines Tages im hohen Norden sind bereits vorbei. Es ist kalt und rau, aber genau richtig.
Rund 300 Alaskan Huskys leben im Villmarkssenter bei Tromsø. Das «Wilderness Center» ist eines der grössten seiner Art in Norwegen. Hierher kommen Besucher aus aller Welt, um einmal in einem Huskyschlitten zu fahren oder für ein paar Tage begleitet in die Wildnis dieses schönen Landes aufzubrechen. Im Moment sind aber keine Menschen zu sehen, nur Hunde. Ihre Hütten stehen in Reih und Glied auf einer grossen Fläche. Jedem Husky sein Häuschen. Einige schlafen eng zusammengerollt vor dem Eingang, andere werfen sich nervös in die Leinen. Die meisten stehen auf den flachen Dächern und teilen sich laut mit. Doch sobald man sich einer der Hütten nähert, hört das Gebell dort auf. Dann wird gewedelt und mit dem Kopf genickt, der Blick erwartungsvoll, bis die Finger hinter die weichen Ohren des Tieres wandern und das dicke, fettige Fell kraulen. Es ist eindrücklich, wie wild und zutraulich die Hunde gleichzeitig sind. Jeden Tag kommen fremde Besucher, und immer werden sie freundlich begrüsst. Plötzlich zuckt der eben noch entspannte Husky zusammen. In hohem Tempo schiesst ein Tier über den weissen Hang auf die Huskyfarm zu. Kurz kommt Aufregung auf bei den menschlichen Zuschauern, aber diese ist unbegründet. Nicht ein Wolf rennt hier durch die Nacht, sondern ein dem Team bestens bekannter Ausreisser. Wenig später wird auch er vor den Schlitten gespannt. Bei der Arbeit kehrt Ruhe ein im Rudel. Wenn die Hunde durch die verschneite Landschaft rennen, sind sie plötzlich still, und mit ihnen die Gäste. Der Schnee schluckt Geräusche, und er schluckt Gedanken.
Huskys waren eine wichtige Hilfe, als Menschen diese im Winter unwirtliche Gegend zu erforschen und erobern begannen. Aber Rentiere werden wahrscheinlich schon viel länger vor Schlitten gespannt. Die einzige Hirschart, die auch in polaren Regionen überleben kann, ist faszinierend. Rentiere sind ruhiger als nordische Hunde, doch sie sind mindestens ebenso gut an ihre kalte Umgebung angepasst. Ihr helles, weiches Fell schützt sie vor der Kälte, sogar im eiskalten Wasser. Sie sind gute Schwimmer und überqueren auf ihren Wanderungen auch Meerengen. Es kommt schon einmal vor, dass ein Hurtigruten-Schiff, das zwischen Bergen und Kirkenes der Küste entlang unterwegs ist, anhalten muss, weil eine Rentierherde vorbeischwimmt. Eine Annäherung an die reizvollen Tiere passiert meist über die Samen, das Urvolk des hohen Nordens. Sie sind die traditionellen Rentierhirten, mit reicher Geschichte und vielen Geschichten.
Rückkehr der Riesen
Seit sieben Jahren hat Tromsø noch ein anderes tierisches Abenteuer auf Lager, das für Gänsehaut sorgt. In den Fjorden um die Stadt tummeln sich von November bis Januar Wale in oft eindrücklich grosser Zahl. Kvaløya, auf der auch ein Teil Tromsøs liegt, heisst übersetzt Walinsel. Im 19. Jahrhundert gab es hier zahl reiche Wale. Der Walfang dezimierte die Bestände aber drastisch, bis die sanften Riesen vor Tromsø ganz verschwunden waren. Im Herbst 2010 tauchten dann plötzlich wieder erste Buckelwale in den Gewässern auf. Oft so nahe am Ufer, dass man ihre Wasserfontänen an Land hören kann. Sie folgen den Fischschwärmen, die aufgrund höherer Wassertemperaturen weiter nördlich verweilen, erklären Wissenschaftler. Und nicht nur Buckelwale fressen den Hering, auch Orcas und Finnwale folgen den Fischen in die Fjorde. Oft jagen die drei Walarten in der gleichen Bucht. Ein eindrückliches Spektakel, bei dem die Tiere von Booten aus beobachtet werden können. Ob die Riesen dann auch auftauchen, lässt sich jedoch nie mit Garantie sagen.
Von Stefanie Schnelli, Bild: visitnorway.com