Tromsø gilt als das Tor zur Arktis. Wer im Sommer in den hohen Norden Norwegens reist, findet aber weit mehr als Schnee und Eis. Eine pulsierende Stadt zum Beispiel.
Es gab Zeiten, da konnte man in Tromsø mitten in der Stadt einem Eisbären begegnen. Nicht einem wilden, ausgewachsenen Tier, aber Bärenbabys an Hundeleinen. Sie wurden von Trappern in die Stadt gebracht, denn in der Umgebung von Tromsø lebten auch früher keine Eisbären.
Doch Tromsø, die grösste Stadt Nordnorwegens und rund 300 Kilometer über dem Polarkreis gelegen, gilt als Tor zur Arktis. Mit einem internationalen Flughafen, als Anlaufstelle der Hurtigruten-Schiffe und als quasi letzte grössere Station vor der Wildnis ist sie der ideale Startpunkt für Reisen nach Spitzbergen oder an den Nordpol. Heute zieht es da vor allem Touristen hin. Doch Mitte des 19. Jahrhunderts war die Region noch weitgehend unerforscht und ein Gebiet, in das sich nur hartgesottene Männer mit sehr viel Abenteuergeist vorwagten. Tromsø wurde zum Ausgangspunkt der wichtigsten Arktisexpeditionen – das erste Expeditionsschiff verliess die Stadt 1820 – und Basis von Eisbären, Robben und Waljägern. Erlegten Jäger auf ihren wochenlangen Touren eine Eisbärenmutter, brachten sie die Jungen mit nach Tromsø und verkauften sie von dort aus lukrativ an Zoos weiter.
Die Voraussetzungen für solche Geschäfte waren gut: Tromsø hatte sich im 19. Jahrhundert zu einer wichtigen Handelsstadt entwickelt. Die Schiffe holten Fisch und Felle und brachten Güter aus dem restlichen Europa – darunter auch die neusten Kollektionen aus den grossen Modehäusern. Das hat Tromsø einen zweiten Übernamen eingebracht: das Paris des Nordens. Angeblich stammt er von den Seemännern, die überrascht waren, wie urban, chic und lebensfreudig Tromsø war. Sie hatten, so hoch im Norden, abgelegen vom Zentrum Europas und das halbe Jahr von Dunkelheit und Kälte geprägt, eher ein verschlafenes Nest erwartet als eine hübsche Stadt mit vielen Geschäften, Restaurants und einem Dom.
Eine solche Überraschung ist Tromsø immer noch für viele Besucher. Zwar scheint der Vergleich mit Paris aus heutiger Sicht etwas weit hergeholt, aber er ist auch gar nicht nötig. Tromsø hat seinen eigenen Charme, geprägt von farbigen Holzhäusern, belebten Strassen mit Cafés sowie einer überwältigenden Natur direkt vor der Haustür. Das Stadtgebiet erstreckt sich neben einem Teil auf dem Festland über mehrere Inseln im Fjord.
Von Bier und Bartrobben
Im Winter, wenn es hauptsächlich dunkel ist, kennt man die Region für die Nordlichter, die man hier besonders gut sehen soll. Ein lohnenswerter Ausflug. Richtig entdecken lässt sich die Umgebung aber im Sommer besser. Von Mitte Mai bis Ende Juli geht die Sonne nie ganz unter. So bleiben fast 24 Stunden, um das breite Angebot der Stadt auszukosten. Eine besonders schöne Art, die Mitternachtssonne zu geniessen, sind die Mitternachtskonzerte in der Eismeerkathedrale. Die Kirche in Form eines Eisbergs aus dem Jahr 1965 ist das Wahrzeichen von Tromsø. Optisch unscheinbarer, aber nicht weniger wichtig für die Stadt sind die Universität, die norwegische Fischereihochschule, der Arktische Rat sowie ein Klima und Umweltforschungszentrum. Gäste mit Wissensdurst können zum Beispiel im Polarmuseum mehr über die spannende Geschichte der ersten Polarexpeditionen und die Überlebensstrategien von Eismeerjägern und Forschern erfahren. Das Polaria hingegen ist eher ein Erlebniszentrum, in dem Panoramafilme gezeigt werden, Aquarien stehen und Bartrobben den Gästen im Glastunnel ihre Wendigkeit präsentieren. Im Zentrum für die Völker des Nordens dreht sich alles um die Samen, das Urvolk im hohen Norden. Ein Kulturerlebnis anderer Art ist ein Besuch der angeblich nördlichsten Brauerei der Welt aus dem Jahr 1928. Auch Kunstfans kommen mit verschiedenen Museen nicht zu kurz, und Musikliebhabern stehen mehrere, teils internationale Festivals zur Auswahl.
Trotz aller Angebote: Das Highlight eines Besuches in Nordnorwegen ist klar die Natur. Wer die Seele der lokalen Bevölkerung kennenlernen will, ein Volk von Outdoor-Sportlern, nutzt die unzähligen Wanderwege, paddelt mit einem Kanu von Insel zu Insel, geht mit kleinen Booten aufs Meer zum Fischen oder nimmt das Fahrrad, um die Küsten entlang der wunderschönen Fjorde zu entdecken. Teilweise werden Reisende dabei von weissen Sandstränden überrascht, während gegen das Landesinnere mächtige Berge in den Himmel ragen. Die Szenen sind lieblich und schroff zugleich, die Landschaft beeindruckt durch ihre Urtümlichkeit. Auch die einheimische Tierwelt ist faszinierend: In den Fjorden ziehen Orcas und Buckelwale vorbei, an Land leben Rentiere, Elche, Polarfüchse und verschiedenste Vögel. Mit etwas Glück kommt es zu unvergesslichen Begegnungen.
Vom Nordkap zum Surferparadies
Nach wie vor ist Tromsø aber auch ein idealer Ausgangspunkt für längere Rundreisen. Am meisten Spass macht das mit einem Mietauto, vielleicht kombiniert mit einer Passage auf einem Hurtigrutenschiff. Eine Tour könnte beispielsweise zum Nordkap und bis nach Hammerfest führen, der weltweit nördlichsten Stadt. Oder auf die Lofoten: Die Inseln vor der Küste sind für ihre malerischen Fischerdörfchen zwischen spitz aufragenden Bergen bekannt. Der Dorsch ist hier seit Jahrhunderten die Lebensgrundlage, überall stehen Gerüste, auf denen Stockfisch getrocknet wird. Das Wikingermuseum Borg zeigt eindrücklich, wie früher den kalten Wintern getrotzt wurde, und bei Unstad kann man sogar surfen. Ebenfalls eine interessante Route liegt auf der Insel Senja, die als Wanderparadies bekannt ist. Grundsätzlich gilt: Man kann nicht falsch liegen, egal in welche Richtung man aufbricht.
Helvetic Airways fliegt vom 24. Juni bis am 12. August 2016 jeden Freitag direkt von Zürich nach Tromsø.
Von Stefanie Schnelli