Lange Zeit bestimmte der Handel mit Weihrauch über den Reichtum des Sultanats und seiner Bewohner. In Zeiten des Öls hat das Harz einen schwierigen Stand, sein Duft ist jedoch allgegenwärtig.
Weisse Tropfen rinnen am eingeritzten Baumstamm eines knorrigen, alten Baumes hinab. Zähflüssig, nach ätherischen Ölen riechend. Bald schon verfärbt sich das Rinnsal hellgelb, nach drei Wochen wird es durchsichtig wie Bernstein sein: Weihrauch, das duftende Harz Arabiens. Die Weihrauchstrasse der Antike hat ihren Ursprung im Sultanat Oman. Zunächst trugen Kamelkarawanen das kostbare Weihrauchharz an Mekka und Medina vorbei bis ins Heilige Land, dem heutigen Gaza, und gen Osten bis nach Mesopotamien. Später reisten Schiffe über die Weltmeere, transportierten das wertvolle Gut auch auf den Seewegen.
In vielen Religionen galt Weihrauch als heilig, in Babylon, Ägypten, Rom und Persien brachten die Menschen den Göttern Räucheropfer dar, Macht und Reichtum hingen am Harz, dem heilende Kräfte zugesprochen wurden. Die Weihrauchhändler konnten sich prachtvolle Bauten leisten, so wie sie noch heute in der Stadtmitte von Mirbat stehen, einer kleinen Küstenstadt im Südwesten des Omans. Doch viele der traditionellen Handelshäuser sind baufällig und zerfallen, nur wenige haben den Lauf der Zeit überstanden. Vor einem von ihnen steht Abullaziz Abuallah, 81, und zeigt auf eine sandfarbene Bootsskizze an der Fassade seines Familienhauses: «Mein Vater und ich verschifften Weihrauch nach Indien und China», sagt er, doch steigende Einfuhrzölle und die sinkende Nachfrage liessen den Weihrauchexport Ende der 1970er-Jahre zum Erliegen kommen. Parallel dazu investierte Sultan Qabus nach seiner Machtübernahme vor gut vierzig Jahren in die Bildung seiner Untertanen, schuf neue Einkommensquellen, Arbeitsplätze abseits des Weihrauchs. «Viele Weihrauchfelder werden seitdem nicht mehr offiziell bewirtschaftet, auf einigen wird illegal geerntet.»
Zum Kulturgut geworden
Said Salim Said, 31, dessen Grossvater ebenfalls Weihrauchhändler war, sieht dennoch eine Zukunft für das arabische Harz: «Heute versucht der Sultan, die Menschen wieder für den Weihrauchanbau zu begeistern, die Tradition zu erhalten.» Auch die Ruine der alten Familienvilla wurde unlängst von der Regierung aufgekauft. Sie soll saniert und als Kulturerbe bewahrt werden.
Und es gibt sie noch, Menschen, die tagtäglich die mühsame Arbeit auf den Weihrauchfeldern auf sich nehmen. Der Ertrag reicht aus, um den omanischen Markt zu sättigen. So türmen sich auf dem Souk von Salalah Weihrauchberge. Vier verschiedene Qualitätsstufen gibt es. Der Erlesenste, Al-Hojari, kostet 50 Euro pro Kilo, wer gut handeln kann, zahlt weniger. Eine ältere Dame sitzt vor ihrem Laden auf einem gelben Plastikstuhl, ein goldener Sticker ziert ihre Nase, ihre Hand umschliesst eine Gebetskette. Seit vierzig Jahren sitzt sie jeden Tag hier und verkauft Weihrauch. «Es sind schwere Zeiten», sagt sie, es sei nicht mehr so leicht wie früher, Weihrauch zu bekommen, das Geschäft lohne sich kaum mehr. «Aber ich möchte unser Erbe bewahren, darum mache ich weiter», meint sie und schiebt sich einen kleinen Brocken des Harzes in den Mund – ein natürlicher, wenn auch recht zäher Kaugummi.
So kommt es, dass die ätherischen Dämpfe des Weihrauchs Omanreisende auch heute noch überall begleiten. In jeder Hotelhalle wabert der Duft des Harzes, in den Cafés und Geschäften der Souks werden die kleinen Brocken auf heissen Kohlesteinen geschmolzen, selbst auf der Strasse steigt einem immer wieder der würzige Geruch in die Nase. Auch dem Sultan gefällt der Duft des Weihrauchharzes. In der Hauptstadt Muscat lässt er seit dreissig Jahren Amouage, das teuerste Parfum der Welt, herstellen. In dem eigens für den Sultan kreierten Parfum «Gold» gehören Myrrhe, Zedernholz und Rosen zu den erlesenen Inhaltsstoffen, doch das Herz des Parfums ist das fast vergessene, alte Gold des Omans: Weihrauch.
von Kirstin Oeing