Palau lässt das Herz eines jeden Tauchers höherschlagen und sorgt mit seinen Rock Islands für paradiesische Fotosujets. Am eindrücklicksten ist jedoch der einzigartige Jellyfish Lake.
Tanjee hat ein vernarbtes Gesicht, violette Augen und kaut Betelnüsse. Mit einem breiten Lächeln präsentiert er seine ebenfalls violetten Zähne und bringt uns am kleinen Touristenhafen von Koror auf sein Boot, das uns nach Peleliu im Süden Palaus bringen soll. Palau ist die sprichwörtliche Schatzinsel im Südseeparadies – auch wenn sie 1000 km östlich der Philippinen in Mikronesien und somit genau genommen gar nicht in der Südsee liegt. Aber selbst im Traum könnte man die Insel nicht schöner oder exotischer erfinden.
Nach zwei Stunden rasanter Bootsfahrt durch die spektakulären Rock Islands, die wie üppig bewachsene Pilze aus dem smaragdgrünen Meer ragen, kommen wir in Peleliu an. Die grösste Ortschaft von Palau ist zwar Koror, Peleliu jedoch ist die geschichtsträchtigste. Die verschlafene Ansammlung kleiner Häuser inmitten der dschungelartigen Vegetation wirkt auf den ersten Blick unspektakulär. Erst nach Besichtigung der Insel und des grossen, ehemaligen Militärflugplatzes wird uns klar: Auf Peleliu stand im November 1944 kein Grashalm mehr – die US-Streitkräfte hatten alles abgebrannt, damit die sich bis auf den letzten Mann verteidigenden Japaner keine Deckung mehr fanden. Überwachsene Panzerwracks des Zweiten Weltkriegs säumen den Weg auf die Inselanhöhe, die Stollen im Berg verursachen uns trotz tropischer Hitze Hühnerhaut.
Wie schön, wieder zurück zum Hotel zu fahren. Das Palau Pacific Resort mit seinem Privatstrand und Orchideengarten ist ein Paradies, das Essen ist fantastisch. Liebhaber von Krabben finden hier wohl die grössten Exemplare der Welt – frisch aus der Lagune gefischt. Die Preise sind moderat, im Vergleich zu anderen Inseldestinationen im Pazifik geradezu günstig. Wir sind bereit für weitere Abenteuer – diesmal unter Wasser. Die meisten der eingeflogenen Touristen kommen fürs Tauchen: Der «Big Drop» gilt als weltbestes Tauchrevier. Das seichte Korallenbeet mündet in eine mehr als 1000 Meter tiefe Steilwand, die das Herz eines jeden Tauchers – und Schnorchlers – höherschlagen lässt. Tagestouristen kommen mit den kleinen Schnellbooten, es sind jedoch auch mehrere Liveaboards zu sehen. Auf diesen Liveaboards logieren die hartgesottenen Taucher, die wirklich nur eine Schlafstelle und dafür ganz ganz viel Meer suchen.
Für uns die spektakulärste Attraktion von Palau ist jedoch der Jellyfish Lake. Wir fahren durch die Rock Islands zu diesem weltweit einzigartigen Quallensee, in dem man sogar schwimmen kann. Er liegt inmitten einer kleinen Insel und ist das Domizil Millionen orangefarbener Quallen – die kleinsten sind so gross wie eine Erbse, die grössten wie eine kleine Melone. Da die Quallen hier im Jellyfish Lake seit Tausenden von Jahren keine natürlichen Feinde mehr haben, brennen sie nicht, und die Schnorchler können das Naturschauspiel ungefährdet geniessen. Wir lassen uns auf dieses einmalige Abenteuer ein und schweben schwerelos im tiefgrünen Wasser, umgeben von den wunderschön pulsierenden Tieren, die eine unglaubliche Ruhe ausstrahlen – ein surreales Erlebnis.
Der Zutrittspreis zum See ist mit 100 US-Dollar pro Person zwar hoch, und auch die Bootsfahrt zu der Insel ist nicht günstig, aber dadurch wird die Besucherzahl bewusst in Grenzen gehalten. Auf Palau gibt es drei Quallenseen, doch nur einer ist für Touristen zugänglich. Umweltschutz wird grossgeschrieben.
Überhaupt wird der Tourismus auf Palau im Unterschied zu anderen Südseedestinationen noch in seiner ursprünglichen Form betrieben: Wir fühlen uns als Gäste willkommen, und nicht als Objekte, die man ausnehmen kann. Jeder kennt jeden, und der Taxifahrer, der uns zum Restaurant in Koror fährt, erhält ein Nachtessen gratis, weil er Kundschaft bringt. Die grösste Ortschaft der Insel besteht aus nicht viel mehr als einer Hauptstrasse mit ein paar Touristenunterkünften und Tauchshops, zwei, drei Restaurants, einem Supermarkt und Reparaturwerkstätten für Autos und Motorräder. Touristenfallen sucht man vergeblich. Die Polizeiautos vor dem Hauptrevier haben fast alle einen Platten, auf dem Pick-up-Truck des Sheriffs schläft eine Katze. Und wenn der tägliche Regenschauer niederprasselt, leuch-tet der Himmel vor lauter Regenbogen. Tanjee, dem wir immer wieder über den Weg laufen, scheint nach einer Woche ein alter Bekannter zu sein. Wir haben unser Paradies gefunden.
Text und Bilder Elisabeth Tester Rudolf, Palau Visitors Authority