Wo einst Kautschukbarone thronten, dominiert heute der nachhaltige Tourismus. Iquitos als grösste Stadt im peruanischen Regenwald ist die Pforte zu unzähligen Naturschutzreservaten am Amazonas.
Mit atemberaubender Geschwindigkeit jagt das Schnellboot den Fluss hinauf und lässt die Uferlandschaft wie im Zeitraffer vorüberflitzen. «Halte dich fest», befiehlt Fernando und legt noch einen Zacken zu, doch dann bremst er ohne Vorwarnung abrupt und stellt den Motor ab. Die Abenddämmerung taucht die Szenerie in ein emotional auf geladenes Halbdunkel; ins Wasser gestürzte Äste schlängeln sich pittoresk gegen den Himmel, und die Stimmung ist friedlich und entspannt. Dann richtet Fernando seine Taschenlampe auf ein Augenpaar, das plötzlich in der Böschung aufleuchtet. «Ein junger Krokodilkaiman», flüstert er erfreut, springt vom Boot, packt den Alligator beherzt an Kopf und Schwanz und klettert mit seiner Beute zurück an Bord. Umgehend ermuntert er seine Gäste: «Berührt das Tier, es tut euch nichts.» Nach und nach stellt die ganze Gruppe erstaunt fest, dass das etwa 60 Zentimeter lange Reptil eine überaus feine, zarte Haut besitzt und von nahe betrachtet jeden Schrecken verliert. Fast bedauern die Gäste, als Fernando den Kaiman – er war lange von der Ausrottung bedroht und ist heute geschützt – sachte wieder an Land setzt. Dann fixiert Fernando alle Augenpaare an Bord und signalisiert mit feinem Lächeln: Mutprobe bestanden!
Auf diese Art Verständnis für die Natur und deren Bewohner zu wecken, ist eher ungewöhnlich, doch sie entspricht dem unglaublichen Artenreichtum des peruanischen Regenwaldes, der Amazonaslandschaft und der stupenden Biodiversität. Gigantische Naturschutzreservate, üppigmagische Tropenwälder, urtümliche Flusslandschaften, mächtige Ströme, deren gewaltiger Sedimentsanteil sie rostrot färbt – da packt einen plötzlich die Abenteuerlust und man fühlt sich wie jene Kautschukbarone, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Iquitos kamen und der grössten Stadt im peruanischen Regenwald zu eleganten Bauten und Villen und einem beispiellosen Boom verhalfen. Zwar nagen der Zahn der Zeit und die hohe Luftfeuchtigkeit an der architektonischen Grandezza, doch die Pforte zum mythischen Amazonas liefert der Region das ganze Jahr über unzählige Gäste aus der ganzen Welt – und ein gesichertes Einkommen.
Eigentümliche Magie
«Hast du die Amazonasdelfine in der Reserva Nacional Pacay Samiria gesehen?», will der Hotelangestellte wissen, als wir abends in unsere Unterkunft zurückkehren und an der Bar genüsslich einen Caipirinha schlürfen, derweil der Koch die von uns geangelten Piranhas in ein leckeres Nachtmahl verwandelt. Ja, wir haben die pinkfarbenen Delfine erspäht – mehrere eskortierten unser Boot auf der Fahrt in die Reserva Nacional Allpahuayo Mishana mit ihren Regenwäldern auf weissem Sand, wo jüngst ein halbes Dutzend bislang unbekannter Vogelarten entdeckt wurde.
Eine eigentümliche Magie umgibt auch die Stelle, wo nach peruanischer Lesart der Amazonas beginnt. Ehrfurchtsvoll verlangsamt unser Bootsführer die Fahrt, stellt den Motor ab und lässt uns am seltenen Naturschauspiel des sogenannten Encuentro de las Aguas teilhaben. Denn hier, 30 Kilometer vom quirligen Marktflecken und Anlegehafen Nauta entfernt, fliessen der Schwarzwasserfluss Río Marañón und der Braunwasserfluss Río Ucayali zusammen – doch erst nach einigen Kilometern vermischen sie sich.
Wasser als Urquell des Lebens
Dass an solch geheimnisumwitterten Orten die Legenden und Mythen wuchern und auf diesem Humus die Phantasie beflügeln, ist verständlich. Fasziniert hören wir denn auch den Erzählungen eines ortsansässigen Führers zu, der mit gedämpfter Stimme Geschichten der indigenen Völker aus dem peruanischen Amazonasgebiet erzählt, die immer und immer wieder um das Wasser und den Amazonas kreisen. Diesem Lebenselixier ist es hauptsächlich zu verdanken, dass Peru beispielsweise mit seiner vielfältigen Flora und Fauna den weltweiten Rekord in Vogel und Orchideenarten (1816 bzw. 4000) hält.
Ausgeprägte Naturnähe und Bodenhaftung zeigt sich ferner bei den Kontakten mit der indigenen Bevölkerung, denn sowohl ihre Gebrauchsgegenstände als auch ihren Schmuck und ihre kunsthandwerklichen Erzeugnisse verzieren sie mit schönen floralen Elementen und Tiermotiven. Der Regenwald – auf ihn entfallen 59 Prozent der Fläche und 12 Prozent der Bevölkerung Perus – beheimatet Völker mit eigener Identität, Sprache und Bräuchen und bietet ihnen einen hervorragenden Schutz.
Wie eine Perlenkette reihen sich über das ganze Land atemberaubende Komplexe mit Tempeln, Pyramiden, Grabmälern, Galerien, Steinbauten und Plätzen aneinander. Allen voran die Kapitale Lima mit den unzähligen präinkaischen, präkolumbischen und kolonialen Hinterlassenschaften, Cusco im Andenhochland mit dem Neuen Weltwunder von Machu Picchu, der meistbesuchten Inkastätte, wie auch Nazca in der IcaRegion mit dem gigantischen Netz von Scharrlinien und bildern in Tier und Pflanzenform. Einige dieser Attraktionen gehören zum Weltkulturerbe der Menschheit – und alle sind für sich allein schon eine Reise wert.
www.peru.travel
www.dorado-latintours.ch
www.knecht-reisen.ch
www.travelhouse.ch
von Werner Knecht
Peru hat so ungalublich viel zu bieten und ist immer eine Reise wert…und die Küche wurde nicht umsonst zuletzt zu einer der besten der Welt gekürt….Seviche, Papa al la huancaina usw…