Die Philippinen sind ein Land der Extreme. Einer fantastischen Natur steht der Grossstadtmoloch Manila gegenüber, und archaische Tradition trifft auf modernes Design.
Der Weg in den Himmel ist steinig und schwer. Schon seit mehr als einer Stunde balanciert eine Gruppe Wanderer von Abgrund zu Abgrund und müht sich Stufe um Stufe hunderte von Metern nach oben. Die Landschaft der ZentralKordilleren auf Luzon im Norden der Philippinen ist extrem gebirgig, doch die steil aufsteigenden Reisterrassen in der BanaueRegion sind so einzigartig, dass sie schon seit 1995 zum UnescoWeltkulturerbe gehören.
Ureinwohner vom Stamm der Ifugao haben diese Kunstwerke vor mehr als 2000 Jahren in die Landschaft gegraben. Noch heute heissen die Terrassen stairways to heaven, Stufen zum Himmel. Vermutlich weil man fast gestorben ist, bis man oben ist. Souvenirshops der Gegend verkaufen nicht ohne Grund TShirts mit der Aufschrift: «I survived Batad» – Ich habe Batad überlebt. Dabei gelten gerade die Reisterrassen von Batad als besonders schön, weil sie sich wie die Ränge eines gigantischen Amphitheaters über den Ort erheben. Kleine Dörfer wie Batad sind nur zu Fuss zu erreichen und liegen tief unten im Talkessel. Hinunter schaffen es die meisten Touristen, doch wieder hinauf zum Parkplatz, da hat sich schon so mancher einen HelikopterShuttle herbeigesehnt.
Im Frühjahr reflektieren die Wasserbecken der Reisterrassen das Licht wie ein Mosaik aus tausend Spiegeln, denn die Reisstecklinge sind noch nicht ausgesetzt. Viele Alte im Dorf sind krumm und bucklig von der jahrelangen Arbeit, denn der Einsatz von Maschinen ist in diesen Steillagen nicht möglich. Die Jungen wollen die harte und schlecht bezahlte Arbeit längst nicht mehr machen, deshalb sind viele Terrassen vom Verfall bedroht. «Als Guide verdiene ich fünfmal so viel wie als Reisbauer», sagt der 60jährige Nic Lingan. Und obwohl schon allein nach Batad täglich um die 140 Touristen kommen, nur um durch die Reisterrassen zu wandern, werden die Bauern nicht an den Einnahmen beteiligt. So liegt eine gewisse Tragik darin, dass erst die Unesco mit der Vergabe des Welterbestatus die ursprünglich ökonomischen Spielregeln der Ifugao ausser Kraft gesetzt und den Verfall vermutlich sogar mitzuverantworten hat.
Tattoo-Star mit 90 Jahren
Auch der Weg nach Buscalan zu WhangOd, der mehr als 90 Jahre alten TattooLady, ist steil und beschwerlich. Die zauberhafte Berglandschaft aus mäandernden Flussläufen, hellgrünen Reisterrassen und wolkenverhangenen Gipfeln wird bis weilen von bewaffneten Passkontrolleuren bewacht. Denn bis heute leben die Bergstämme nicht immer friedlich miteinander, wenn es um territoriale Ansprüche geht. Doch auch in ruhigen Zeiten sind die Bergstrassen wegen Erdrutschen bisweilen nicht passierbar. Die Philippinen liegen in einer geologisch aktiven Zone, weshalb extreme Naturereignisse wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Wirbelstürme oder Tsunamis das Land oft so fest im Griff haben wie Korruption die Politik.
Whang-Od ist die letzte ihrer Art, die Tattoos nach alten Stammesmustern der Kopfjäger fertigt. Die kleine, zierliche Frau beherrscht noch die von der Natur inspirierten abstrakten Muster wie Reisbündel, Farne und Schlangenhautschuppen. Bei Jugendlichen aus Manila ist das so an gesagt, dass sie am Wochenende inzwischen scharenweise anreisen, um sich in archaischer Weise mit der Nadel eines Orangenbaumes den Kohlestaub unter die Haut treiben zu lassen. So wie der rund 40jährige Dott, der zwei Mal im Jahr herkommt und inzwischen am Oberkörper fast flächendeckend tätowiert ist, wie WhangOd selbst.
Hängende Särge für freie Seelen
Abstrakte Muster sind auch in der Hauptstadt in Mode bei Designern wie Filip + Inna, die ihre Entwürfe gerne von Frauen der Bergstämme besticken oder weben lassen. In Baguio und Sagada gibt es viele Handwebereien, die so traditionelles Handwerk ins Design der Gegenwart retten, auch wenn die Bezahlung hierfür äusserst gering ist. Selbst Plastikabfall wird auf den Philippinen recycelt und zu modernen Taschen verwebt. Gerade mal zwei Schweizer Franken kostet ein Portemonnaie, das aus kunstvoll aufgearbeiteten Kaffeepäckchen gearbeitet ist.
Bekannter als für seine Webearbeiten ist Sagada für hängende Särge. In den frei an Felswänden befestigten Särgen pflegten früher die Igorot ihre Toten zu bestatten. Die Seelen der Verstorbenen sollen auf diese Weise kommen und gehen können, wie sie wollen. Deshalb suchen sie einen manchmal auch in bösen Träumen heim. Will man die Quälgeister wieder loswerden, ist es üblich, mindestens drei Hühner oder gleich ein Schwein zu opfern. Kein Wunder, dass auf den Philippinen Schamanen Hochkonjunktur haben.
Eigentlich sind es nicht die ungewöhnlichen Totenkulte, die einem besonders im Norden den Appetit verderben. Die philippinische Küche zählt zu den vermutlich eigenwilligsten der Welt, zumindest wenn es nach dem europäischen Geschmack geht. Fleisch kommt nach dem Braten oder Garen als ein samt Knochen zerhackter Berg auf den Teller. Hundefleisch zählt ebenso zu den Spezialitäten wie Blutsaucen oder Balut, angebrütete Enteneier, die samt Vogelembryo verschlungen werden.
Abstecher ins Schuhparadies
Wer zu den Reichen des Landes gehört und mächtig Eindruck schinden will, entführt deshalb schon mal seine Herzensdame im Privatflugzeug zum Lunch nach Pamalican Island auf die Privatinsel von Amanpulo. Im besten Resort des Landes wird kulinarisch alles herangeschafft, wonach die Gäste gelüstet. Puderweisse Strände und türkisklares Wasser leuchten hier sogar noch bei bedecktem Himmel, und es macht einen Heidenspass, mit den solarbetriebenen Golfcarts selber über die Insel zu fahren, auch wenn man mit maximal 10 Kilometern pro Stunde wohl kaum den Takeoff von der Startbahn schafft.
Aber eigentlich möchte man gar nicht so schnell zurück in diesen Grossstadtmoloch von Manila, der täglich vor dem verkehrstechnischen Infarkt steht. Doch vor der Heimreise ist ein Abstecher in den Stadtteil Marikina der Traum von kleinen wie grossen Mädchen, denn hier liegt das Schuhzentrum der Philippinen. Ganz besonders eine Dame stand während ihrer Zeit als Diktatorengattin im Verruf, einen Schuhtick zu haben: Imelda Marcos. Manch mal braucht die fast 87Jährige noch den grossen Auftritt und erscheint zum AfternoonTea in der mondänen Lobby des Peninsula Hotels, die sich über vier Stockwerke erstreckt und durch die zu Putschzeiten schon mal ein Panzer zwischen den sieben Meter hohen Palmen rollte.
Ein Grossteil von Imelda Marcos’ riesiger Sammlung ist im Schuhmuseum von Marikina ausgestellt, schliesslich besass die ehemalige First Lady einmal mehr als 3000 Paar, viele von Designern wie Ferragamo, Givenchy, Chanel und Dior. Heute füllen hauptsächlich Billigschuhe ab 10 Franken die Läden in Marikina. Die meisten sind schwindelerregend hohe Hacken, in denen kaum jemand schmerzfrei laufen kann. Doch ist man erst mal im Schuhhimmel angekommen, weiss jede Frau, dass es bis zur Hölle oft nicht mehr weit ist.
Von Margit Kohl