Vor Stuttgarts Toren, im Remstal, sind seit jeher Tüftler, Künstler und Weinbauern zu Hause.
Es liegt zwar nicht gerade am Ende der Welt und dennoch ist das Remstal – zumindest in der Schweiz – nicht sehr bekannt. Nur 20 Autominuten von Stuttgart entfernt liegt Waiblingen, dessen historischer Altstadt unser erster Stopp gilt. Die gepflegten Fachwerkhäuser drängen sich dicht an dicht, eines schöner als das andere. An vielen Häuserecken prangen sogenannte Neidköpfe. Einige sehen lustig aus, die meisten aber sind Fratzen, die von ihrer hohen Warte bedrohlich auf den Betrachter herunterschauen. Ihre Aufgabe ist es, vor dem «bösen Blick» zu schützen. Sie weisen aber auch auf einen gewissen Wohlstand der Bauherren hin, die sich vor Neidern schützen wollten. Die Anzahl Neidköpfe legt den Verdacht nahe, dass Waiblingen eine wohlhabende Stadt ist.
Im Kontrast zur mittelalterlichen Altstadt stehen die modernen Gebäude der Kunstschule Unteres Remstal und der Galerie Stihl. Die wechselnden Ausstellungen der Galerie drehen sich vor allem um «Arbeiten auf Papier». Diesen Sommer werden Japanische Farbholzschnitte von Kunisada und Kuniyoshi gezeigt.
Kunst im Weinberg
Ganz in der Nähe von Waiblingen liegt Kernen mit dem Ortsteil Stetten, der mit einem wunderschönen Museumsweinberg aufwartet. Er zieht sich den Hang hinauf bis zur Yburg. In diesem Weinberg ist auch ein leicht teuflisch angehauchter Weingeist zu Hause: Die Bronzeplastik von Karl Ulrich Nuss sitzt auf einer Mauer und schaut versonnen ins Remstal hinunter. Wenn man den Künstler bzw. das Nuss-Museum und den Skulpturenpfad sehen will, führt kein Weg an Strümpfelbach vorbei. Der Ort wirkt wie eine Freilichtgalerie und es scheint, als seien die Plastiken dem Atelier entsprungen, um Wegränder und Zufahrten zu bevölkern.
Vergänglich ist die Kunst, die am 4. August 2012 in Beutelsbach zu erleben sein wird: der leuchtende Weinberg. Feuershow und Feuerwerk, Wein und Kulinarisches werden an diesem Samstagabend geboten. Durch den Weinberg von Stand zu Stand ziehend hat man Gelegenheit, andere Weinliebhaber und Einheimische kennenzulernen.
Der Tüftler und ein Mops
In Schorndorf wurde Gottlieb Daimler 1834 in schlechte Zeiten hineingeboren. Dennoch wurde Bäckerssohn Daimler Ingenieur und Konstrukteur. Er entwickelte den ersten schnelllaufenden Motor und das erste vierrädrige Kraftfahrzeug. In Daimlers Geburtshaus in Schorndorf ist ein Museum eingerichtet, und auch ein Denkmal weist auf den berühmten Bürger hin. Dass die Schorndorfer nicht nur Benzin im Blut haben, zeigt sich spätestens am Weinmarkt, der vom 31. August bis 2. September 2012 stattfindet.
Wie kommt es nur, dass eine ganze Stadt auf den Mops gekommen ist? Es hat jedenfalls nichts damit zu tun, dass diese Hunderasse im Moment gerade en vogue ist. Der Mops kam in Winnenden bereits im Jahre 1717 zu Ehren: Während des Kampfgetümmels in der Schlacht um Belgrad haben sich Mops und Herrchen Herzog Karl Alexander von Württemberg aus den Augen verloren. Der Legende nach lief der Hund elf Tage lang nach Hause ins Schloss Winnental, wo man ihn herzlich empfing und ihm schliesslich ein Denkmal widmete. Es steht heute noch vor dem Schloss. Zum Einverleiben gibt es den Mops in Ulli’s Confiserie als Schoko-Möpsle und auf dem Weingut Häusser als Mops-Wein.
Dass auch die Winnender gut im Feiern sind, beweist das Mädelesfescht, das am 7./8. Juli 2012 stattfindet. Der grosse Marktplatz wird von einem mittelalterlichen Markt erfüllt sein, mit Gauklern, historischem Handwerk und Bühnenprogramm. In Winnenden ist eigentlich immer etwas los. Hier wird gewohnt, gelebt, geshoppt und das eine oder andere Viertele Wein geschlotzt, wie der Schwabe das nennt. Als Schweizer versteht man die Schwaben recht gut – nur wenn sie ihren Dialekt in Reinform sprechen, wird es etwas schwieriger. Ein Viertele Wein – selbstverständlich ein Remstaler Wein – soll aber gut gegen Verständigungsprobleme wirken.
Von Inge Jucker