Indiens Image als Reiseland hat einen erstaunlichen Wandel erfahren. Während früher Gurus, Yogalehrer und ehrwürdige Brahmanen die Attraktivität des Landes geprägt und sinnsuchende Hippies aus aller Welt angezogen haben, dominieren heute luxuriöse Palast- und Wellnesshotels das touristische Angebot. Der Paradigmenwechsel zum Qualitätstourismus ist möglich geworden dank der rasant gewachsenen Zahl von erstklassigen Unterkünften. Dazu kommt, dass Indien als Wiege zweier Weltreligionen zu den ältesten und spannendsten Kulturregionen der Menschheit gehört.
Im Vergleich mit den homöopathisch verabreichten Exotik-Häppchen in den neuen Trenddestinationen wirkt das Alltägliche in Indien wie ein scharf gewürztes Gericht mit vielen köstlichen und unbekannten Ingredienzen. Einfach zu verdauen ist es allerdings nicht. Neben den Schätzen der Kultur und dem Prunk der Palasthotels zählen Chaos, Rückständigkeit, Armut, Müll und Dreck noch immer zur indischen Realität. Der grosse Mahatma Gandhi hat sein Land gar einmal als «öffentliche Latrine» bezeichnet. Während die lokale Bevölkerung gelernt hat, mit dieser Wirklichkeit umzugehen, fällt es Reisenden aus dem Westen nicht leicht, in den indischen «struggle of life» einzutauchen.
Armut und Lebensfreude schliessen sich aber nicht aus. Die Vitalität, das pulsierende Leben, die lachenden Kinder in den Gassen auch ärmster Quartiere hinterlassen einen tiefen Eindruck. Ohne die Misere romantisch verklären zu wollen: Wer die Lebensfreude in den Strassen erbärmlicher Viertel selbst erlebt hat, ist sich nicht mehr sicher, wo die Trennlinie zwischen Arm und Reich zu ziehen ist. Die Rückbesinnung auf menschliche Werte ist das vielleicht kostbarste (Neben-)Produkt jeder Indienreise.
Unser Autor Jochen Müssig hat Varanasi besucht. Die Stadt am heiligen Fluss Ganges ist unverständlich, unfassbar, aber – erfahrbar. Lesen Sie seinen Bericht in unserer Ausgabe Oktober 2017.
Schönheit und Abgrund, die beiden Begriffe, die so vortrefflich zu Indien passen, bilden den Titel einer Serie von Ausstellungen, die sich mit dem gesellschaftlichen und politischen Umbruch in Wien um 1900 befassen. Klimt, Schiele, Wagner und Moser zählen zu den wichtigsten Protagonisten dieser spannenden Epoche. Unsere Vorschau zum Wiener Themenjahr finden Sie ebenfalls im Magazin artundreise 3/17. Sie ist gleichsam der Auftakt zu unserem Österreich-Schwerpunkt. Schon lange haben wir mit dem Gedanken gespielt, unserem Nachbarland mehrere Seiten zu widmen. Zumal die Österreicher touristisch vieles richtig machen. Während die klassischen Skisportregionen in der Schweiz in den letzten Jahren deutlich an Terrain eingebüsst haben, surfen die österreichischen Destinationen auf einer Erfolgswelle. Woran liegt das? Ein Schelm, der behauptet, dass die Österreicher so sind, wie wir gerne wären, nämlich charmant, liebenswürdig und serviceorientiert. Mit einem Wort: die geborenen Gastgeber. Dem mag man gar nicht widersprechen. Zumal die Zahlen eine deutliche Sprache sprechen. Vergleicht man die Übernachtungen in den Alpendestinationen beider Länder miteinander, haben die Ösis in den letzten 20 Jahren ein beeindruckendes Plus von 50% erzielt und dreimal so viele Hotelübernachtungen generiert wie ihre Schweizer Mitbewerber, die in der gleichen Periode ein negatives Wachstum hinnehmen mussten. An diesem Vorsprung ändert sich auch nichts, wenn in Vorarlberg und im Tirol das Geschäft im vergangenen Winter zum ersten Mal leicht rückläufig war. Dass die traditionsreiche Destination St. Moritz/Engadin nun ausgerechnet einen Österreicher verpflichtet hat, um die eigene Ratlosigkeit zu überwinden, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Ob der ehemalige Tourismusdirektor von Kitzbühel das einst so stolze St. Moritz aus dem düsteren Tal der Erfolgslosigkeit in die prickelnden Höhen des in Vergessenheit geratenen Champagnerklimas zurückführen kann, ist allerdings mehr als nur fraglich. Den wichtigsten und wohl matchentscheidenden Faktor kann auch er nicht beeinflussen: den teuren Schweizer Franken. Die Attraktivität Österreichs aber nur auf den währungsbedingten Preisvorteil zurückzuführen, greift zu kurz. Wir haben Serfaus, das Burgenland und die Steiermark besucht. Die Beiträge finden Sie ab Seite 34 (artundreise 3/17).
Von Markus Weber, Bild: Fotalia