Vor gut 20 Jahren wanderten Hans-Peter und Ruth Althaus nach Tasmanien aus und lernten das Winzerhandwerk von der Pike auf. Heute zählen die Weine des Guts Domaine A zu den besten von ganz Australien.
Als einstiger IBM-Manager ging Hans-Peter Althaus (70) ganz pragmatisch vor: Er wollte aus seinem Hobby einen Beruf machen und als Winzer Weine hervorbringen, die neben Château Mouton oder Château Lafite-Rothschild bestehen können. Dazu suchte er nach zum Verkauf stehenden Rebbergen um den 40./42. Breitengrad. Weil in Europa alles überlaufen und überteuert war, klapperte er den Globus auf der südlichen Hemisphäre ab und kam auf die Alternativen Neuseeland, Tasmanien sowie den Süden von Chile und Argentinien.
«1988 besuchten meine Frau Ruth und ich zum ersten Mal Tasmanien, ein Jahr später wanderten wir zusammen mit unserer jüngsten Tochter aus und kauften einen kleinen Weinberg, der nicht einmal eine halbe Hektare gross war», erinnert sich der Zofinger. Im Reisegepäck hatte er 3300 Weinflaschen aus Europa. Aus dem «Weinbergli» auf dem 42. Grad ist ein beachtliches Weingut geworden, das heute rund 20 Hektaren gross ist und sich im Coal River Valley befindet, gut eine halbe Fahrstunde ausserhalb der Inselhauptstadt Hobart. Das Weingut Domaine A/Stoney Vineyard hat eine rasante Entwicklung hinter sich: 1990 produzierte es nur 25 Liter Sauvignon Blanc. Hans-Peter Althaus war der Erste, der es in Australien mit dieser Traubensorte versuchte. 1996 setzte er erstmals ein Eichenfass ein.
Inzwischen beträgt die Jahresproduktion gegen 60 000 Flaschen – einerseits mit den Hauptsorten Cabernet Sauvignon und Pinot Noir, andererseits mit den Weissweinen insgesamt. Die Marke Stoney Vineyard steht für weniger Holz sowie Weine, die jünger trinkbar sind. Domaine A nennt sich die Premiummarke mit Weinen, die extrem lange lagerbar sind und nur in guten Jahren produziert werden. Dazu gehört etwa der Cabernet Sauvignon 2006, der aus den Bordeaux-Sorten Cabernet (90 Prozent), Merlot, Cabernet Franc (je 4) sowie aus Petit Verdot (2) besteht, drei Jahre in neuen französischen Eichenfässern war und als Flaggschiff gilt. Kostenpunkt: 120 Dollar! Das Weingut, das heute zu den besten von ganz Australien zählt, exportiert in zehn verschiedene Länder, wobei China zum wichtigsten Absatzmarkt geworden ist. «Die Importeure Chinas und im pazifischen Raum bezahlen uns höhere Preise als etwa Europa», vergleicht Althaus.
Übers Jahr verteilt beschäftige er im Weinbau zehn Leute sowie einen Marketingmanager und eine Buchhalterin. «Meine Frau ist die Direktorin», sagt Hans-Peter Althaus mit einem Lächeln. Alles sei Handarbeit, die Traubenpflücker würden zur Ernte im März/April einen Stundenlohn von 22 Australischen Dollar erhalten, was in etwa 22 Franken entspricht. Das erklärt neben der 42-prozentigen Wein-Mehrwertsteuer die relativ teuren tasmanischen Tropfen, die mengenmässig nur 0,5 Prozent zur australischen Weinproduktion beitragen, aber bei den gehobenen Flaschen von Down Under auf einen Marktanteil von rund zehn Prozent kommen.
Erstaunlich, denn der erste Winzer im Coal River Valley nahm erst 1973 seine Arbeit auf. Die Moorilla Winery ist das Weingut, das in Tasmanien am längsten im Weinbau beschäftigt ist. Es feierte letztes Jahr trotzdem erst den 50. Geburtstag. Die erste tasmanische Weinmesse verzeichnete 1991 erst 42 Weine, die sich dem Wettbewerb stellten. Über 20 Jahre später waren es bereits 550 Weine. Heute tummeln sich auf einer Rebfläche von 1500 Hektar, was in etwa dem Kanton Genf entspricht, 250 Weingüter. Pinot Noir sorgte letztes Jahr inselweit für 3425 Tonnen Trauben, gefolgt von Chardonnay (2164 Tonnen), Sauvignon Blanc (776 Tonnen), Riesling (550) und dem mächtig aufkommenden Pinot Gris (517 Tonnen). Touristen können inzwischen aus verschiedenen Weinrouten und 44 Weingütern und -Restaurants auswählen.
Ähnlich spektakulär wie die Weinindustrie hat sich auch der Alltag auf der Insel verändert, die sich eineinhalb Flugstunden südlich von Melbourne befindet. Ruth Althaus erinnert sich: «Vor 20 Jahren war Tasmanien ein verschlafenes Nest. In den Restaurants gab es nur Instantkaffee. Kaffeemaschinen tauchten erst 1995 auf. Die Würste schmeckten wie Schleifpapier, die Inhalte der Konservendosen waren schrecklich.» Heute schätzt das Ehepaar neben dem Klima mit relativ milden Wintern und meist nicht zu heissen Sommern die Weite des Landes, die riesigen, einsamen Sandstrände wie jene um die Bay of Fires, das Symphonieorchester von Hobart – und das gastronomische Angebot.
Anfang Januar 2013 war Tasmanien erstmals seit langem von Buschbränden betroffen. «Wir hatten aussergewöhnliche Temperaturen von 42 Grad Celsius», erzählt Ruth Althaus. Auf dem Anbaugebiet von Domaine A brannte es glücklicherweise nicht. Allerdings seien die Beeren noch zu klein, um abschätzen zu können, ob sie sich allenfalls durch den starken Rauch verändert haben. Ihr Mann konzentriert sich derweil auf die Vorbereitungen zur Ernte. Eine Zeitung hat er bewusst nicht abonniert. Er hört sich einzig Kurznachrichten auf seinem Klassik-Radiosender an. Das Ehepaar will hier den Lebensabend verbringen. «Wir haben Platz, es gibt viel weniger Leute, und wir müssen nicht immer für alles anstehen», argumentieren Hans-Peter und Ruth Althaus.
von Reto E. Wild