Südkorea wird als Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2018 im Rampenlicht stehen. Im Fokus steht der Sport, doch Zuschauer können auch ein faszinierendes Reiseland entdecken.
Nicht überall verlaufen Tests so fröhlich. Die Stimmung im Hockey Center von Gangneung ist ausgelassen und heiter. Junge Mädchen in Vollmontur kämpfen auf dem Feld um den Puck. Am «U18 World Championship»-Match versuchen die Südkoreanerinnen in einem Heimspiel ihre niederländischen Konkurrentinnen zu schlagen. Im Publikum sitzen Teenager und Erwachsene, Kinder und Grosseltern. Mit aufblasbaren pinken und blauen Röhren, auf denen «Hello PyeongChang» steht, feuern sie die Spielerinnen an. Wer nicht mit Fan-Werkzeug ausgerüstet ist, bekommt es von Einheimischen angeboten. Kleine Fahnen der beiden Nationen kursieren und es werden Aufklebe-Tattoos verteilt, auf denen «I love Korea» steht. Stürze und Zusammenstösse werden – auch beim gegnerischen Team – mit einem lauten, kollektiv mitfühlenden «Oh» kommentiert. Ein buntes Durcheinander, ein kleines Fest für alle. Und obwohl das nigelnagelneue Stadion mit 10 000 Plätzen bei weitem nicht voll ist, fühlt es sich nicht leer an. Wer drinnen sitzt, gehört dazu, ist mit dabei.
Gangneung ist einer der drei Austragungsorte der Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018 in Südkorea. An der schönen Ostküste gelegen, mit dem Meer in unmittelbarer Nähe, werden hier die Eis-Wettkämpfe stattfinden. Alles was mit Schnee zu tun hat, spielt sich in PyeongChang und Jeongseon ab, etwa 40 Autominuten entfernt. Von der Hauptstadt Seoul aus ist man in weniger als zwei Stunden auf dem Terrain.
Das U18-Turnier der Frauen an diesem Samstag im April ist ein Testspiel für das neue Stadion. Südkorea übt für den grossen Auftritt. Nicht zum ersten Mal: Es wurden bereits mehrere Probeevents durchgeführt, Feedback eingeholt, verbessert und perfektioniert. Fast ein Jahr vor der Eröffnung der Spiele am 9. Februar 2018 ist die gesamte Infrastruktur, inklusive sechs neuer Anlagen, praktisch fertig. Wäre das anders, wären wir nicht in Südkorea.
Aufstieg zum Wirtschaftswunder
Besuchern des Landes wird schnell klar, dass hier nicht viel dem Zufall überlassen wird. «Es gibt für alles eine Regel. Wenn es keine Regeln gibt, herrscht Chaos, und Chaos ist nicht gut», fasst es Irene zusammen und lacht herzlich. Zu dieser Aussage wurde sie allerdings nicht in einem der neuen Sportzentren verleitet, sondern in einem alten Königspalast, nachdem sie uns erklärt hatte, nach welchen Regeln sich die Soldaten früher zum Salutieren einreihten. Irene, die mit koreanischem Namen Jay Jang heisst, ist Tour Guide. Sie zeigt uns in fünf Tagen die Sportstätten der Olympischen Spiele 2018 und führt uns gleichzeitig in die koreanische Kultur ein. «Dalli, dalli», wie sie gerne sagt. Ihr Deutsch ist beeindruckend. Rund dreissig Jahre lang hat sie in Deutschland gelebt, hat als junge Frau an einem Programm für Krankenschwestern teilgenommen, als es in Deutschland an solchen mangelte und Südkorea noch eines der ärmsten Länder der Welt war.
Irene hat sich bis zur Operationsschwester hochgearbeitet, Südkorea hat sich zu einem der stärksten Wirtschaftszentren in Asien entwickelt und ist heute Trendsetter für den ganzen Kontinent. Massen von jungen Menschen, von Indonesien bis nach Indien, hat die sogenannte K-Wave erfasst und entzückt. Sie tanzen zu koreanischer Musik (K-Pop), schmachten bei koreanischen Liebesgeschichten vor dem Fernseher (K-Serien), schwärmen von koreanischen Schönheiten (K-Kosmetik) und interessieren sich für die koreanische Mode (K-Fashion). Mit dem Bekanntwerden der Pop-Kultur ist das Interesse für das authentische koreanische Essen und den Lifestyle allgemein gestiegen. Die Welle ist bis nach Europa geschwappt, der Song «Gangnam Style» des Sängers Psy lässt grüssen. Und auch Kimchi, fermentierter Kohl, der in Südkorea fast zu jeder Mahlzeit gehört, wird hierzulande von modernen Foodies für seine gesunden Eigenschaften gelobt.
Roboter als Helfer
Die Verantwortlichen der Olympischen Winterspiele erhoffen sich durch die koreanische Welle, oder Hallyu, wie sie in ihrem Ursprungsland genannt wird, zusätzliche Besucher. Sie werden angelockt mit täglichen Konzerten, Events, Tanzshows oder Taekwondo-Darbietungen. Was die Gäste auf den Bühnen zu sehen bekommen, wird begeistern. Kein Unterschied, ob Frauen in traditioneller Kleidung klassische Stücke des Landes spielen oder junge Mädchen in Hotpants und kurzen Tops Tanzmoves zum Besten geben – das Niveau ist durchgehend hoch, Qualitätsbewusstsein scheint Teil der kulturellen Identität zu sein, Fleiss eine Selbstverständlichkeit.
Da erstaunt es wenig, dass Südkorea an seinen Olympischen Spielen mit einigen Superlativen aufwartet. Als führende Technologienation – mit Firmen wie LG oder Samsung, mit Jugendlichen, die Selfies schiessen als sei es eine olympische Disziplin, sowie älteren Damen, die bei der Arbeit Smartwatches statt Uhren tragen und Perlen mit farbigen, kabellosen Kopfhörern um den Hals kombinieren – kommen die Neuheiten selbstverständlich auch aus der technischen Ecke: Zum ersten Mal überhaupt wird an einer Olympiade 5G-Service gewährleistet, zudem werden die Besucher Hologrammen begegnen und auf Roboter treffen. Verkehrsinformationen und beispielsweise die Parkplatz suche werden mit IoT, dem Internet der Dinge, vereinfacht. Fast könnte man da den Slogan «Passion. Connected.», der für die Spiele kreiert wurde, falsch interpretieren. Er steht für den olympischen Geist und die Warmherzigkeit der Koreaner, mit connected ist der neue Geist von PyeongChang und die Harmonie auf der Welt gemeint. Es spielen viele Emotionen mit, schon im Vorfeld, und die Zustimmung der Bevölkerung für den Grossevent ist sehr hoch.
Trotz der Technik, dem Drang nach Fortschritt und dem wirtschaftlichen Druck sind an vielen Orten in Südkorea Ruhe, Tradition und Familiensinn zu finden. Im Korean Folk Village, einer Openair-Anlage, welche die traditionelle Lebensweise fern von Hochhäusern und riesigen Städten zeigt, spazieren Familien am Sonntag friedlich mit ihren Kindern, junge Paare posieren in traditioneller Kleidung, Wünsche werden auf kleine Zettel geschrieben und an Schnüre gebunden. Auch Wahrsager treffen wir immer wieder an. Ihre Dienste werden gerne in Anspruch genommen – Technik hin oder her. Alte Königspaläste und Herrenhäuser, manchmal mitten in einer Stadt gelegen, strahlen Ruhe und Harmonie aus, und wer es noch stiller mag, besucht einen buddhistischen Tempel. Es mag an der Gastfreundschaft der Koreaner liegen, an ihrem Interesse für das Fremde oder an ihrer Herzlichkeit, dass trotz der unterschiedlichen Kultur, trotz Sprachbarriere überall schnell ein Gefühl der Gemeinschaft entsteht.
www.tourasia.ch
german.visitkorea.or.kr
Von Stefanie Schnelli, Bild Korea Tourism Organization
GUT ZU WISSEN
Korean Air fliegt dreimal wöchentlich von Zürich direkt nach Seoul. Vor Ort ist es einfach, mit einem Mietwagen oder dem öffentlichen Verkehr zu reisen. Das Bahnnetz ist dicht und auf bestem Niveau. Südkorea hat vier ausgeprägte Jahreszeiten. Im Sommer locken die Strände und die Berge. Rund 70 Prozent der Fläche des Landes ist gebirgig, mit 1950 Meter über Meer ist der Hallasan auf Jeju die höchste Erhebung. Im Herbst verfärben sich die Wälder schön, eine Pracht für Wanderer, im Winter zieht der Schnee (eher ungeübte) Wintersportler an und im Frühling leuchten die Kirschblüten.
DER TIPP DES SPEZIALISTEN | |
Südkorea ist eines der am meisten unterschätzten Länder Asiens. Bei den westlichen Touristen eher unbekannt, gilt es in Asien als Trendsetter. Es bietet eine faszinierende Mischung aus Traditionellem und Modernem. Diese Kombination, gepaart mit dem unbändigen Willen der Bevölkerung, wirtschaftlichen Erfolg zu erlangen, bildet das Elixier der Destination. Besonders begeistern mich die moderne Architektur in den Städten und die technischen Errungenschaften namentlich im Bereich der Unterhaltungs- und Hauselektronik | (Tipp: Besuch von Samsung D‘light in Seoul.) Seoul mit seinem unerschöpflichen Angebot an Restaurants, 24-h Shopping, weltstädtischem Nachtleben und ruhigen Oasen pulsiert. Auch die Hafenstadt Busan und Gyeongju lohnen sich. Die spürbare Dynamik, der eiserne Wille der Menschen, der auf Gesundheit bedachte Lebensstil und die modernen Errungenschaften sind Inspiration pur. Weitere Informationen: www.tourasia.ch Tel. 043 233 30 90 Tipp von Stephan Roemer, Geschäftsführer tourasia |