Wenn die Wirtschaft boomt, profitieren auch Kunst und Kultur vom Aufwind. Das zeigen die Millionenmetropolen Singapur und Hongkong. Beide positionieren sich als südostasiatische Kunstmetropolen.
Man reibt sich die Augen, wenn man sich in der Singapurer Galerie- und Kunstszene umsieht. Eine unglaubliche Dynamik zeigt sich insbesondere in der modernen und zeitgenössischen Kunst und widerspiegelt den wirtschaftlichen Aufbruch des Stadtstaates. Zahlreiche neue Galerien sind entstanden und bisherige haben kräftig ausgebaut. Denn offensichtlich sind immer mehr Kunstfreunde bereit und in der Lage, in bildende Kunst, Gemälde, Skulpturen und Videoinstallationen zu investieren und so nicht nur ihren gesellschaftlichen Erfolg sichtbar zu machen, sondern auch Tag für Tag eine garantierte Dividende zu beziehen – jene des Kunstgenusses innerhalb der eigenen vier Wände nämlich. Erfreulicherweise beflügelt der breit abgestützte Wohlstand die Kunst- und Kulturszene und verschafft den Akteuren willkommene Schaufenster zur Präsentation ihrer Werke.
Nicht nur Birchermüesli
Hongkong will ebenfalls die gestiegene Bedeutung als Kultur- und Kunst-Hub unterstreichen und hat Ende Mai erstmals die Art Basel ausgerichtet. Ein Grossanlass unter den Fittichen des «Mutterhauses» vom Rheinknie. Demgegenüber fand Ende Januar bereits die dritte Ausgabe der Modernemesse Art Stage Singapore statt; schon wurden die Daten der 2014-Edition kommuniziert. Der schweizerische Messemacher Lorenzo Rudolf konnte auch heuer die Top Player der asiatischen Kunstszene zum Mitmachen bei diesem hochklassigen Event der modernen Kunst gewinnen. «Wir Schweizer verstehen eben nicht nur Birchermüesli zu machen, sondern kennen uns auch aus in der modernen Kunst», meinte er augenzwinkernd vor der internationalen Presse. Die private Initiative wird zudem tatkräftig gefördert durch den Stadtstaat, der um die hohe Symbol- und Strahlkraft dieser prestigevollen Präsenz im hart umkämpften globalen Messewesen weiss.
Gut drei Viertel der Modernemesse Art Stage – sie hat mit 130 Ausstellern eine angenehme und überschaubare Grösse – stammen aus Asien; das macht sie für uns Europäer besonders besuchenswert und umschifft das «Déjà-vu», denn hier findet man hervorragende asiatische Gegenwartskunst aus allen Ländern der Region unter einem Dach, also etwa aus China, Indien, Indonesien, Malaysia, den Philippinen und selbstverständlich aus Singapur. Interessanterweise verliert die lange Zeit hochpolitisierte chinesische Kunst etwas von ihrer politischen Stringenz und Radikalität und wird vielfältiger, ironischer, sanfter auch. Doch nach wie vor boomen die Preise insbesondere jener Künstler, deren Werke einen hohen Wiedererkennungswert aufweisen, also die grinsenden Gesichter von Yue Minjun oder der Geldschein-Maler Yang Xu. Andy Warhol scheint auferstanden zu sein, doch es handelt sich um Neuinterpretationen des japanischen Senkrechtstarters Takashi Murakami.
Leere Wände schmücken
Neben Messedirektor Lorenzo Rudolf ist ein anderer Schweizer aktiver (und offensichtlich erfolgreicher) Player in der Singapurer Kunstszene: Frédéric de Senarclens. Der vor vier Jahren aus Genf nach Singapur Übersiedelte hat in der Rhonestadt seine Galerie geschlossen und präsentiert in seiner neuen asiatischen Wahlheimat auf vier Etagen internationale Kunst. «Im Fokus steht deren Globalisierung», bemerkt er im persönlichen Gespräch beim Besuch seines Messestandes. Über mangelnde Kundschaft kann er sich nicht beklagen: «Viele unserer Galeriebesucher möchten ihre leeren Wände schmücken. Die stärkste Nachfrage kommt von erfolgreichen Unternehmern, die in ihren neuen, grösseren Residenzen über ausreichend Raum für Kunstobjekte verfügen; sie interessieren sich sowohl für etablierte als auch junge Nachwuchskünstler.» Beide Kategorien führt er im Angebot, und all gemein steigt die Nachfrage. Da es sich ohne hin um einen komplexen Markt handelt, haben alle Player ihre Kundschaft – voraus gesetzt, sie können eine entsprechende Nische besetzen und diese marketingmässig bekannt machen.
Zur Kunst an sich gehört auch die Kunst, auf sich aufmerksam zu machen. Singapur und Hongkong gelingt dies zunehmend. Bangkok setzt ebenfalls auf diese Karte, und auch Manila versucht, mit seiner Galerie- und Museumsszene die eigene, erstaunlich vielfältige Kunstszene ins internationale Blickfeld zu rücken.
Von Werner Knecht