Die Twerenbold-Gruppe, im 19. Jahrhundert als Fuhrhalterei gegründet, fährt mit ihren Bussen und Schiffen auf Erfolgskurs. An der Spitze des Unternehmens steht der 32-jährige Karim Twerenbold.
Herr Twerenbold, ein sehr trauriges Ereignis, der viel zu frühe Tod Ihres Vaters, hat Sie im vorletzten Jahr an die Spitze des Unternehmens katapultiert. Wie war der Start als Verwaltungsratspräsident und Leiter der Gruppe für Sie?
Karim Twerenbold: Der Nachfolgeprozess war 2015 bereits grösstenteils abgeschlossen. 2011 war ich als Projektleiter in unser Unternehmen eingetreten. Und 2013 übergab mir mein Vater im Rahmen einer sorgfältigen Nachfolgeplanung die Führung der Gesamtgruppe. Mein Vater hätte uns als Verwaltungsratspräsident allerdings noch lange mit Rat und Tat zur Seite stehen sollen. Es ist nun alles anders gekommen. Er fehlt uns sehr. Auch als wichtiger Sparringpartner.
Wie sah die Zeit vor Ihrem Eintritt in die Firma aus?
Ich hatte an der Fachhochschule Internationales Management studiert, und ich bildete mich ein halbes Jahr in Shanghai weiter. Es war mir wichtig zu wissen, was in China passiert. Nachdem ich Erfahrungen in diversen Branchen gesammelt hatte, bot mir eine Fluggesellschaft eine Stelle im Controlling an. Aber Pascal Wieser, der damalige Leiter der Twerenbold Reisen Gruppe und der heutige Chef von Vögele Reisen, motivierte mich, in unser Unternehmen einzutreten. Im Nachhinein eine Entscheidung, die ich nicht bereue.
Mit einer Kutsche und sechs Pferden gründete Ihr Urgrossvater Jakob Twerenbold 1895 seine eigene Fuhrhalterei in Ennetbaden. Heute hat die Twerenbold-Gruppe keine Pferde mehr, dafür Schiffe, Busse und Taxis sowie über 300 Mitarbeitende. Welcher Bereich macht den Hauptteil Ihres Geschäfts aus?
Das Bus- und Schiffsgeschäft macht den Hauptteil unseres Umsatzes aus. Aber auch die beiden anderen Firmen, Imbach und Vögele, stehen gesund auf den Beinen und liefern erfreuliche Resultate. Bei uns werden keine Töchter quersubventioniert. Die Entwicklung unseres Unternehmens ist in der Tat faszinierend, wenn man an die Anfänge zurückdenkt, als mein Urgrossvater 1892 von Zug nach Baden gezogen war und mit einer Kutsche als «Voiturier» vor dem Grand Hotel Baden seine unternehmerische Chance wahrnahm.
Ihr Unternehmen hat in den letzten Jahren enorm in die Infrastruktur, in eigene Busse und Schiffe investiert. Mit dem jüngsten Schmuckstück, der Excellence Pearl, betreiben Sie neun Schiffe unter der Marke Excellence und bei Twerenbold stehen 65 Busse im Einsatz. Bereiten Ihnen die hohen Investitionen keine Bauchschmerzen?
Dank unseren Investitionen können wir die für uns entscheidende Qualität sichern. Wir sind ein Qualitätsanbieter. Dafür stehen wir. Und dafür kennen uns unsere Kunden. Natürlich wäre es möglich, auch mit einem Outsourcing-System zu arbeiten, wir müssen nicht 65 Busse besitzen. Aber dies würde nicht unserem Geschäftsprinzip entsprechen. Unabhängigkeit und unternehmerisches Herzblut stehen bei uns im Vordergrund. Wir wollen auch keine Fremdfinanzierungen. Die finanzielle Unabhängigkeit ist uns sehr viel wert. Auch damit sich niemand einmischen kann. Die Excellence Pearl ist ein gutes Beispiel für unser Geschäftsprinzip. Wenn wir die ehemalige Rembrandt nicht gekauft hätten, hätten wir sie nie nach unseren Vorstellungen neu gestalten können. Wir haben das Schiff in einer holländischen Werft komplett umgebaut. Eine Herkulesaufgabe, weil wir es bis aufs «Skelett» ausgehöhlt haben. Meine Mutter war wieder für das Design verantwortlich. Es ist wunderschön. Die Taufe war im Mai.
Sie sind der einzige Schweizer Reiseveranstalter, der Besitzer einer eigenen Schiffsflotte ist. Was gab 2002 den Anstoss, das spezialisierte Fluss- und Kreuzfahrten-Reisebüro Mittelthurgau zu übernehmen?
In der Tat gehört das Reisebüro Mittelthurgau seit 15 Jahren zur Gruppe. Flussfahrten hatten wir vor 2002 in einem kleinen Rahmen auch bei Twerenbold Reisen angeboten. Als sich die Chance bot, die starke Marke Reisebüro Mittelthurgau zu übernehmen, haben wir sie wahrgenommen – samt einigen Mitarbeitenden, die bis heute bei uns tätig sind. Mit Stephan Frei haben wir einen sehr kreativen und engagierten Chef an der Spitze dieses Unternehmens, der sich unserer Qualitäts-Philosophie konsequent verpflichtet. Er ist einer der wesentlichen Treiber des Wachstums unseres Schiffsgeschäfts. Aber auch Heinz Weber, der Geschäftsleiter von Twerenbold Reisen, spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Gruppe. Unternehmerische Entscheide fällen wir im Gremium.
War von Anfang an klar, dass man in eigene Schiffe investieren wollte?
Nein, zu jenem Zeitpunkt nicht. In den Anfängen war es im Blick auf die finanziellen Risiken bereits ein grosser Entscheid, ein Schiff zu chartern. Er erforderte eine grosse Portion Mut. Die Vision, die eigene Excellence-Linie zu schaffen, entstand erst nach der positiven Geschäftsentwicklung und den damit verbundenen Kapazitätsengpässen auf dem Markt. Wir sahen auch die Synergien zwischen Bus und Schiff: die Twerenbold-Busse sind bei Landausflügen vor Ort und bringen die Gäste zu den Sehenswürdigkeiten. Rückblickend muss man sagen: Das unternehmerische Risiko war in der Tat gross, aber dank viel harter Arbeit können wir heute auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken.
Worin liegt das Geheimnis für diesen Erfolg?
Erfolg ist immer ein Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren. Jeder einzelne Mitarbeitende trägt Entscheidendes zum Gelingen bei. Denken wir beispielsweise an die Mannschaft, welche für die Sauberkeit unserer Busse und Schiffe verantwortlich ist. Die Sorgfalt ihrer Arbeit sorgt dafür, dass unsere Kunden behaglich und angenehm reisen können. Dies ist match-entscheidend. Das Reinigungsteam prägt unseren Qualitätsstandard also genauso wie alle anderen 300 Angestellten. Techniker, Chauffeure, Kapitäne, Serviceangestellte, Kader und Mitarbeitende – alle sind wichtig. Erfolg ist immer eine Teamsache. Und natürlich prägt auch die Philosophie unserer Familie das Unternehmen massgeblich mit.
Wie erklären Sie sich den Flussreisen-Boom?
Eine Fahrt auf einem Flussschiff bedeutet, entschleunigt zu reisen. In einer zunehmend hektischen Welt ist Entschleunigung willkommen. Und man kann viele spannende Orte sehen, ohne immer ein- und auspacken zu müssen. Unsere Fluss-Bus-Kombinationen sind von Anfang an auf grossen Anklang gestossen. Und mit unseren Excellence-Schiffen haben wir Schweizer Grandhotels auf europäische Flüsse gebracht, was wirklich neu war. Mit dem Excellence-Brand haben wir auf europäischen Flüssen eine grosse Wegmarke gesetzt.
Geht das Wachstum auf den Flüssen Europas ungebremst weiter?
Der Markt wächst. Aber man muss genauso festhalten: Der Kunde weiss genau, was er will und für welche Leistung er welchen Preis zu zahlen bereit ist. Der Markt ist kein Selbstläufer. Man muss sich mit seinen Gästen und deren Bedürfnissen auseinandersetzen. Dafür braucht es Hingabe und Leidenschaft. Wir blicken verhalten optimistisch in die Zukunft. Die Vorzeichen sind gut. Aber es wäre vermessen zu sagen, wir wüssten, wie sich der Markt in fünf Jahren präsentieren wird. Links und rechts passieren Dinge, die wir nicht beeinflussen können.
Mit der Excellence Katharina betreiben Sie auch in Russland ein Schiff. Andere Schweizer Reiseveranstalter haben sich nach durchzogenen Erfahrungen aus dem Land zurückgezogen. Wie geht es der schönen Katharina? Und Ihnen, wenn Sie an sie denken?
Katharina geht es gut. Und mir auch, wenn ich an sie denke. Natürlich ist es eine besondere Herausforderung, im fernen Russland die Qualitätsansprüche der Marke Excellence durchzusetzen. Es war ja das erste Mal, dass wir unseren Brand so weit weg transportiert haben. Wir mussten in der ersten Saison tatsächlich korrigierend eingreifen, aber die Entwicklung ist sichtbar und stimmt uns positiv. Russland ist als Reiseland fantastisch. Wir gehen nun in die zweite Saison. Ob sich der unternehmerische Entscheid, in Russland zu investieren, gelohnt hat, kann ich Ihnen in fünf Jahren sagen. Risiken einzugehen, gehören zum Geschäft eines Unternehmers.
Busreisen hatten lange ein Billig-Image. Der Blick auf Ihr Königsklasse-Angebot zeigt, dass sich hier längst ein Wandel vollzogen hat.
Nicht nur wir, sondern die ganze Schweizer Car-Branche hat in den letzten Jahren viel in die Qualität investiert. Das Image von Busreisen hat sich in der Tat stark verbessert. Wir positionieren uns im Segment der Qualitäts-Busreisen. In unseren Bussen der Königsklasse reisen nur 30 statt 48 Gäste. Sie geniessen viel Raum, Beinfreiheit und sind in kleineren, persönlicheren Gruppen unterwegs. Rund die Hälfte unserer Fahrzeuge ist mit dieser grosszügigen Sitz-Konfiguration (3 statt 4 Sitze in einer Reihe) ausgerüstet. Aber auch unsere anderen Busse sind sehr komfortabel eingerichtet. Wir bieten unseren Gästen ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis und sie wissen, was sie bei Twerenbold erwarten dürfen. Natürlich hilft es da nicht, wenn Billig-Anbieter mit Dumping-Preisen das Bild von Bus-Reisen wieder in eine gegenteilige Richtung stossen.
Wie beurteilen Sie die Wachstumschancen im Busreisen-Geschäft?
Wir sind bei Twerenbold Reisen sehr nahe am Markt und können rasch und unkompliziert handeln. Projekte packen wir zum richtigen Zeitpunkt an. Dazu brauchen wir jedoch das richtige Gespür für die Bedürfnisse unserer Gäste. Das zeigt sich beispielsweise im Entscheid, vermehrt Angebote für Velofans zu kreieren. Oder dass wir Tickets für die erste Saison der Elbphilharmonie haben sichern können. Themenreisen wie beispielsweise Musik- oder Bahnreisen werden künftig bestimmt noch wichtiger. Die Zukunft der Busreisen sehe ich auf jeden Fall optimistisch.
Und wie zufrieden sind Sie mit Ihrer jüngsten Tochter Vögele Reisen?
Ich bin sehr zufrieden mit der Neupositionierung. Pascal Wieser, der Leiter des Unternehmens, macht einen hervorragenden Job. Er verleiht der Marke Vögele wieder eine Schärfe, die sie bei Tui nicht mehr hatte. Ich freue mich sehr über die Entwicklung und das Wachstum.
Der Gesamtumsatz Ihres Unternehmens ist in den vergangenen Jahren also rasant gewachsen.
2016 betrug er 150 Millionen. Wir haben versucht, unsere Hausaufgaben so gut wie möglich zu machen.
Planen Sie bereits die nächsten Investitionen? Akquisitionen?
Wir machen dann eine Akquisition, wenn sie sinnvoll erscheint und passt. Wenn sich etwas ergibt, dann entscheiden wir.
Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in zwanzig Jahren?
Wir werden ein unabhängiges KMU in Familienbesitz bleiben und auch künftig unsere Rolle als Nischenplayer pflegen – mit dem Ziel, in den jeweiligen Nischen unsere Position als Marktführer zu stärken. Zu den gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen zählt auch die schnell voranschreitende Digitalisierung. Vor diesem Hintergrund werden unsere Abläufe und Prozesse permanent überprüft und angepasst. Es ist nicht unsere Aufgabe, uns im Bereich der digitalen Revolution als sogenannte «first mover» zu profilieren. Wir sind gerne «second mover», die aber wissen, welchen Weg sie beschreiten.
Wie verbringen Sie am liebsten Ihre Ferien?
Ich bin gerne auf unseren Schiffen. Sie sind für mich ein Stück Heimat. Auch die Crews bedeuten Familie für mich. Ich reise genauso gerne in Städte, die ich noch nicht kenne. Und natürlich ist Ägypten meine zweite Heimat (Karim Twerenbolds Mutter ist Ägypterin, Anmerkung der Redaktion). Die Vorzeichen im Land der Pharaonen sind wieder optimistischer. Ich hoffe, dass sich der gegenwärtige Aufschwung nicht nur auf Badeferien begrenzt. Ägypten ist ein so reiches Kulturland, und die Menschen sind äusserst liebenswürdig. Sie verdienen es, dass es wieder aufwärts geht. Ich bin optimistisch, dass das Land wieder die früheren Gästezahlen erreicht.
Interview: Markus Weber