Kreuzfahrtschiffe seien Umweltsünder, klagen Naturschützer immer wieder. Doch die Reedereien sind bemüht, sauberere Schiffe zu entwickeln, wie Monika Griefahn, umweltbeauftragte von Aida, aufzeigt.
Frau Griefahn, sie waren Mitgründerin von Greenpeace Deutschland und SPD-Umweltministerin von Niedersachsen. Seit 2012 sind sie Direktorin für Umwelt und Gesellschaft bei Aida. Sind Sie als Umweltschützerin sanfter geworden?
Monika Griefahn: Ich engagiere mich seit über 30 Jahren auf verschiedenen Ebenen für den Umweltschutz. Ich habe mich stets dafür eingesetzt, dass Umwelt und Gesellschaft beziehungsweise Umwelt und Wirtschaft Hand in Hand arbeiten. Ich bin an Lösungen interessiert. Es nützt ja nichts, immer nur gegen etwas zu sein, wenn man nicht auch an Verbesserungen mitwirkt. Aida ist ein Unternehmen, das schon lange das Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz auf der Agenda hat. Hier habe ich Menschen getroffen, die wirklich an diesen Themen interessiert sind, und gemeinsam haben wir einiges erreicht.
In den vergangenen Jahren ist vor allem vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) immer wieder thematisiert worden, wie umweltschädlich Kreuzfahrtschiffe sind. Waren Kreuzfahrtschiffe früher auch für sie ein rotes Tuch?
Nein, hier muss man auf die Fakten schauen. Von all den Schiffen, die auf den Weltmeeren kursieren, sind nur 0,52 Prozent Kreuzfahrtschiffe. Wollen wir in der Kreuzfahrtindustrie auch in Zukunft erfolgreich sein, brauchen wir eine intakte Umwelt. Dies ist die Basis unseres Geschäftes. Kreuzfahrten sind für mich eine gute Art, zu reisen, kann man doch von Deutschland aus Ferien machen und dennoch neue Länder sehen.
Welches ist ihre Hauptaufgabe als Umweltbeauftragte von Aida?
In erster Linie bin ich verantwortlich für die Weiterentwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie, und zwar über alle Bereiche des Unternehmens hinweg. Darüber hinaus stehe ich natürlich in engem Kontakt zu Experten aus Politik und Wirtschaft, Umweltschutzverbänden sowie Wissenschaft und Forschung. Wir tauschen uns regelmässig über aktuelle Entwicklungen und Handlungsmöglichkeiten aus. In gewisser Weise bin ich in Sachen Umweltschutz als Aussenministerin für Aida unterwegs.
Woran arbeiten sie im Moment?
An vielen Themen. Im August 2013 hat Aida ein umfangreiches Investitionsprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro in modernste Umwelttechnologie verabschiedet. Kernstück ist der Einbau eines Filtersystems zur Verringerung der Emissionen. Es wird in unsere beiden Schiffe der neuen Generation eingebaut, die 2015 und 2016 in Dienst gestellt werden. Aber auch bei der bestehenden Flotte wird das System zur Abgasnachbehandlung Schritt für Schritt nachgerüstet. Diesen Prozess begleite ich intensiv, wie auch die Indienststellung der ersten LNG Hybrid Barge in diesem Jahr. Darüber hinaus arbeite ich im Moment an Themen wie nachhaltige Landausflüge oder CO2-Kompensation.
Für die LNG Hybrid Barge hat Aida im Februar den Baltic Sea Clean Maritime Award gewonnen. Können sie das Konzept kurz erläutern?
Die für den Betrieb des Kreuzfahrtschiffes notwendige Energie wird nicht mehr an Bord des Schiffes erzeugt, sondern auf der schwimmenden LNG Hybrid Barge (einem Euro II Leichter) in Blockheizkraftwerksmotoren und Generatoren mittels umweltfreundlichen Flüssiggases. Der so gewonnene Strom wird je nach Bedarf flexibel in das Versorgungsnetz des Kreuzfahrtschiffes eingespeist. Der grosse Vorteil: Im Vergleich zur Nutzung von herkömmlichem Marinediesel mit 0,1 Prozent Schwefelanteil werden die Emissionen bei der Energieerzeugung mittels Flüssiggas auf der LNG Hybrid Barge erheblich gesenkt. Der Ausstoss von Schwefeloxiden und Russpartikeln wird gänzlich vermieden. Die Emission von Stickoxiden verringert sich um bis zu 80 Prozent, der Ausstoss von Kohlendioxid um weitere 30 Prozent.
Denken Sie, die LNG Hybrid Barge wird in Zukunft Standard sein?
Welches Konzept sich langfristig durchsetzen wird, muss sich zeigen. Vieles hängt auch von der Bereitstellung der richtigen Infrastruktur ab. Erst einmal ist die LNG Hybrid Barge ein Pilotprojekt, das wir gemeinsam mit Becker Marine Systems für den Hamburger Hafen entwickelt haben. Wir freuen uns, dass wir damit eine umweltfreundliche Lösung zur Energieversorgung unserer Schiffe im Hafen auf den Weg gebracht haben. Viele andere Häfen haben Interesse an der LNG Hybrid Barge gezeigt. Alternativ gibt es die Möglichkeit, Schiffe mit Dual-Fuel-Motoren auszustatten, die direkt mit Flüssiggas betrieben werden können, wie bei Aida prima. Auch Landstrom ist eine Option.
Inwieweit arbeiten die Reedereien betreffend Umweltschutz zusammen? Oder herrscht eher Konkurrenzkampf?
Die Reedereien tauschen sich natürlich zu diesem Thema aus, sei das nun im Reederverband, der CLIA oder auf anderen Ebenen. Selbstverständlich gibt es aber auch einen Wettbewerb um die besten Lösungen. Nichtsdestotrotz denke ich, dass alle dasselbe Ziel haben: nämlich die Emissionen zu verringern und die Ressourcen zu schonen.
Aida ist bemüht, Kreuzfahrtschiffe sauberer und ökologischer zu machen. Können Sie die wichtigsten Schritte diesbezüglich nachzeichnen?
Unser Credo ist, dass die beste Tonne Treibstoff diejenige ist, die man gar nicht erst verbraucht. Daher investieren wir viel in Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Das geht natürlich einher mit der Verringerung von Emissionen und daneben ist auch der Ressourcenschutz von grösster Bedeutung. Allerdings betrachten wir nicht nur Technologien, sondern achten auch auf einen verantwortungsvollen Einkauf, unterstützen den Kreislaufgedanken bei den Produkten, gestalten unsere Landausflüge nachhaltig und sensibilisieren unsere Gäste für mehr Umweltschutz.
Neben den Emissionen müssen auch Ressourcen eingespart werden. Was wird diesbezügich unternommen?
Um Energie einzusparen, setzen wir an vielen Punkten an. Dazu gehören ein optimiertes Rumpfdesign, reibungsarme Unterwasseranstriche und intelligente Motorentechnologie. Ein Aida-Schiff verbraucht pro Person im Durchschnitt nur drei Liter Treibstoff auf 100 Kilometern Fahrt. Das finde ich beachtlich und die Richtigkeit dieses Wertes wurde vom Germanischen Lloyd in einem unabhängigen Gutachten bestätigt. Besonders innovativ ist dabei die sogenannte MALS-Technologie. (MALS = Mitsubishi Air Lubrication System). Die kommt erstmals bei Aidaprima zum Einsatz. Man muss sich das wie einen Teppich aus Luftblasen vorstellen, auf dem das Schiff gleitet. Das reduziert die Reibung und spart rund sieben Prozent Treibstoff. Unser Umweltengagement ist jedoch viel umfassender. Zu den wichtigsten Punkten zählen unsere Bioklärwerke an Bord, Wärmerückgewinnungssysteme, nahezu hundertprozentige Mülltrennung, Energiesparlampen und LED für den Hotelbetrieb.
Welches sind die grössten Herausforderungen?
Im Moment liegt eine grosse Herausforderung in der Schaffung von geeigneter Infrastruktur und gesetzlichen Rahmenbedingungen, um emissionsarme Technologien auch überall nutzen zu können. Ein Kreuzfahrtschiff ist wie eine kleine Stadt auf dem Meer: Es gibt viele Hebel, die man bewegen kann und möchte, aber natürlich geht das nicht immer alles gleichzeitig.
Wie wichtig ist der Schutz des Meeres? Was bedeutet der Boom der Kreuzfahrten für die Meeresbewohner?
Für Aida hat der Schutz der Meere höchste Priorität. Für uns ist das eine Frage der Verantwortung. Auch hier geht Aida mit gutem Beispiel voran, beispielsweise mit unserer neusten Ballastwasserbehandlungsanlage auf Aidastella. Damit verhindern wir die Verbreitung von Mikroorganismen ausserhalb ihrer angestammten Gebiete. Auch gibt es bei uns an Bord ausschliesslich Kosmetik- und Reinigungsprodukte ohne Mikroplastik.
Worauf sollten Gäste achten, wenn sie eine «saubere» Reederei suchen?
Lohnenswert ist ein Blick in den Nachhaltigkeitsbericht. Generell empfiehlt es sich auch, auf nachhaltige Ausflugsangebote zu achten, also ob umweltfreundliche Alternativen per Rad oder zu Fuss, Standup Paddeling etc. zur Verfügung stehen. Natürlich sollte man auch schauen, ob die Reederei Massnahmen für besseren Umweltschutz aufzeigen kann. Umweltschutz geht jeden etwas an. Wichtig ist daher auch das Engagement in den kleinen Dingen: Bei uns an Bord gibt es zum Beispiel keine Plastiktüten und wir verringern den Papierverbrauch Jahr für Jahr, unter anderem durch digitale Rechnungen.
Mit Aidaprima wird 2015 das bisher grösste Schiff von Aida getauft. Hebeln immer grössere Schiffe die Einsparungen von Emissionen und Ressourcen nicht wieder aus?
Nein. Gemessen an unserem jüngsten Neubau, Aidastella, den wir 2013 in Dienst gestellt haben, werden wir die Energieeffizienz bei Aidaprima nochmals signifikant steigern und den Treibstoffverbrauch um weitere zwanzig Prozent senken. Wir haben zahlreiche Optimierungen vorgenommen, sodass die Antriebsenergie dank des innovativen Rumpfdesigns – entwickelt mit der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt – im Vergleich zu heutigen Schiffen um rund zehn Prozent reduziert werden konnte. Durch das neue Antriebskonzept mit Pod-Antrieben haben wir die Energieeffizienz um weitere drei Prozent gesteigert. Und mit der MALS-Technologie kommt ein Novum in der Kreuzfahrt zum Einsatz, mit der wir den Treibstoffverbrauch um weitere sieben Prozent senken.
Wovon träumen Sie als Umweltverantwortliche für Aida?
Davon, dass unsere Pilotprojekte sich erfolgreich etablieren können und wir auch mit weiteren, neuen Initiativen wichtige Impulse setzen können, um Kreuzfahrten nachhaltiger zu machen.
Interview: Stefanie Schnelli