Expeditionskreuzfahrten sind ein lukratives Nischensegment. Bis anhin scheuten die Reedereien allerdings das Risiko eines Neubaus. Nun liegen von mehreren Anbietern entsprechende Projekte vor.
An der ITB, der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin, hat die Hamburger Luxusreederei Hapag-Lloyd Cruises diesen März erste Informationen zu ihrem neuen Projekt im Bereich der Expeditionskreuzfahrten veröffentlicht: Ihre Muttergesellschaft, die TUI-Group, habe bei der norwegischen Vard Holdings Limited, einer Tochter der italienischen Fincantieri Marine Group, zwei neue Expeditionsschiffe bestellt. Karl J. Pojer, Vorsitzender der Geschäftsführung von Hapag-Lloyd Cruises, meint dazu: «Das Potential im Bereich Expeditionskreuzfahrten ist mehr als dreimal so hoch wie das Angebot. Authentische Naturerlebnisse mit persönlicher Entdeckeratmosphäre zeichnen seit vielen Jahren unsere Fahrten aus. Auf dieser Grundlage können wir mit den neuen, modernen Schiffen noch mehr Kunden aus dem Luxussegment ansprechen.»
Die Namensgebung der beiden Neubauten, Hanseatic nature und Hanseatic inspiration, soll nicht nur die Erfolgsgeschichte der fast schon legendären Hanseatic weiterschreiben, sondern auch namentlich eine Öffnung für den englischsprachigen Markt signalisieren. Dementsprechend präsentiert sich das Designkonzept der beiden Schiffe auch unter dem Namen «Inspired by nature». Die Natur soll dabei nicht nur im Freien erlebt werden, sondern sich auch im Design der Innenräume widerspiegeln. Für die Auswahl der Farben, Formen und Linienführungen ist die deutsche Firma «Oceanarchitects» verantwortlich. Zwei gläserne, ausfahrbare Balkone sollen dem Gast in 16 Metern Höhe das Gefühl vermitteln, über dem Meer zu schweben, und auch vom begehbaren Vorschiff öffnet sich ein freier Blick nach vorne. «Dies ist nicht nur bei Fahrten im Eis ein grosser Vorteil», schwärmt die Leiterin Expeditionskreuzfahrten bei Hapag-Lloyd Cruises, Isolde Susett, und bezeichnet das Vorschiff als ihren absoluten Lieblingsplatz. Und wer noch immer nicht genug gesehen hat, geniesst von der Panoramalounge auch eine wetterunabhängige Aussicht.
Vielfältige Infrastruktur
Kulinarisch verwöhnt werden die Passagiere im Haupt- und Spezialitätenrestaurant, die zusammen genügend Plätze bieten, um alle Passagiere gleichzeitig aufzunehmen. Darüber hinaus gibt es ein Restaurant mit Buffetangebot sowie einen grosszügigen Spa- und Fitnessbereich.
Bei den 120 Kabinen stehen sieben verschiedene Kategorien zur Auswahl, wobei die Mehrheit der Kabinen einen Balkon oder französischen Balkon aufweist und die restlichen mit bodentiefen Panoramafenstern ausgestattet sind. In einer grossen, unterteilbaren Multifunktionslounge können Lektorate und Vorträge gleichzeitig in verschiedenen Sprachen stattfinden, was vor allem auf der für den internationalen Markt vorgesehenen Hanseatic inspiration von Vorteil ist. Ausstellungen und Wissenswertes zu den Fahrgebieten finden die Gäste im Wissensatelier am Heck der Schiffe, das auch für kleinere Seminare genutzt werden kann.
Umweltfreundliche Technologien
Die neuen Schiffe werden mit modernster, umweltfreundlicher Technik ausgestattet: Ein SCR-Katalysator reduziert den Ausstoss von Stickoxid um fast 95 Prozent und es ist auch eine Landstrom-Nutzung vorgesehen. Eine weitere Besonderheit sind die IR-Eisdetektoren – Infrarotkameras, die nachts oder bei Nebel für die Sichtbarkeit von Eis sorgen. Die höchste Eisklasse für Passagierschiffe (PC 6) ermöglicht Fahrten bis weit in die polaren Gewässer, aber auch die Südsee und der Amazonas stehen nach wie vor auf dem Fahrplan.
Was die Anlandungen betrifft, so ist Hapag-Lloyd Cruises mit bordeigenen Zodiacs hafenunabhängig. Als bislang einziger Anbieter verfügen die neuen Expeditionsschiffe über E-Zodiacs. Auf die Pläne seiner Mitbewerber angesprochen, die ihre neuen Schiffe mit Helikoptern ausstatten wollen, antwortet Pojer: «Wir haben uns be-wusst dagegen entschieden. Das passt einfach nicht zur Umwelt – und bei maximal drei Gästen pro Flug ist das Ganze auch schwer umzusetzen.»
Offen für neue Eindrücke
Die beiden Schwesterschiffe werden eine Bruttoraumzahl von 15 540 aufweisen (138 Meter Länge, 22 Meter Breite und 5,4 Meter Tiefgang). Mit dem Bau ihrer Kaskos wird im Mai und Oktober dieses Jahres in der rumänischen Vard-Werft in Tulcea begonnen. Die Fertigstellung ist dann im ebenfalls zur Werftgruppe gehörenden Betrieb im norwegischen Langsten geplant.
Maximal 230 Passagiere sollen auf den beiden neuen Schiffen Platz finden, wobei in der Antarktis nur mit 199 Passagieren gefahren wird. Mit der 170-köpfigen Crew entsteht also ein äusserst komfortables Gast-Crew-Verhältnis von fast 1 zu 1.
Pojer ist überzeugt, dass die neuen Schiffe vor allem auch bei den Schweizerinnen und Schweizern gut ankommen werden, die momentan über 10 Prozent der Hapag-Lloyd-Gäste ausmachen. «Der Schweizer Gast ist aufgeschlossen und dankbar für neue Eindrücke», meint Pojer. So kommen nebst der MS Europa und MS Europa 2 auch die Expeditionsschiffe Hanseatic und Bremen sehr gut an. Während die Hanseatic im Oktober 2018 an ihre Hamburger Eigner zurückgeliefert und aller Voraussicht nach im amerikanischen Markt eingesetzt wird, verbleibt die Bremen im Besitz der Flotte von Hapag-Lloyd. Pojer dazu: «Das Schiff hat bei unseren Passagieren eine Weiterempfehlungsquote von 98,2 Prozent und soll in Zukunft noch aktiver positioniert werden.»
Von Michael Wolf, Bilder: Hapag-Lloyd Cruises