Die Winzerdörfer Fläsch, Maienfeld, Jenins und Malans bilden die Bündner Herrschaft. Sie gilt unter Kennern als Burgund der Schweiz und überzeugt auch landschaftlich sowie kulinarisch.
Das sorgte für Furore: Erstmals in der Geschichte der «Schweizerischen Weinzeitung» wurde ein Wein mit der Maximalnote von 20 Punkten geadelt. Diese Premiere gelang dem Pinot Noir Unique 2013 des Weinguts Donatsch in Malans. Das Weingut Fromm vom gleichen Dorf holte sich im «Weinwisser» mit dem Pinot Noir Fidler, ebenfalls Jahrgang 2013, 19 Punkte. Solche Werte gehen nur an absolute Spitzenweine und an Spitzenwinzer. So ist es kein Zufall, dass GaultMillau Georg Fromm (63) und Martin Donatsch (38) zu den hundert besten Schweizer Winzern auserkoren hat. Zudem wurde der erst 29-jährige Roman Hermann aus Fläsch von den gleichen Juroren zum «Rookie» des Jahres gewählt. Er wird den elterlichen Betrieb 2017 übernehmen. Und es gibt weitere Beweise, dass die Bündner Herrschaft, die nur drei Prozent der gesamten Schweizer Rebfläche ausmacht, qualitativ zu den besten Weinregionen der Schweiz zählt: Sieben lokale Weinbetriebe gehören der renommierten Vereinigung Mémoire des Vins Suisses an.
Georg Fromm, der mit seinem Malanser Pinot Noir Selvenen ebenfalls beim Mémoire dabei und für eine Jahresproduktion von gut 25 000 Flaschen verantwortlich ist, begründet den Höhenflug: «Wir haben dank der Klimaveränderung mehr Möglichkeiten. Aber vielfach werden wir auch von Schweizer Juroren bewertet. Die kommen dann schnell einmal ins Schwärmen. International würde ich diese Auszeichnungen relativieren.» In seinen Worten schwingt eine Menge Bündner Bescheidenheit mit, dabei ist er das beste Beispiel, weshalb die Bündner Weine auf einer Erfolgswelle reiten. Weil sein Vater früh starb, hat er als «junger Schnösel», wie er sagt, den elterlichen Betrieb in der vierten Generation übernommen. 1993 zog Fromm mit seiner Familie vorübergehend nach Neuseeland und baute im Gebiet Marlborough ein Weingut auf. Er schätzte dort die «interessanten Burgundereinflüsse» durch Nachwuchswinzer aus Frankreich, die sich in Neuseeland weiterbildeten. Fromm ist der erste, der konsequent Lagenweine fertigt – ganz in der Tradition des Burgunds.
Sein Nachbar Martin Donatsch, der mit seinem Completer «Malanserrebe» einen Mémoire-Wein stellt, geht denselben Weg: Seine traditionellen und fruchtig-leichten Weine entsprechen einem «Village», seine zu einem Drittel im Holz ausgebauten «Passion»-Weine sind wie die Premier Cru des Burgunds, und was Donatsch «Unique» nennt und zu 100 Prozent im Holz ausbaut, kann getrost mit einem Grand Cru aus der Region von Beaune verglichen werden. Trotz seines relativ jungen Alters verfügt auch Donatsch über eine grosse Erfahrung: Nach der Winzerlehre und der Berufsmatur bildete er sich 1999 bei Hans-Peter Althaus in Tasmanien weiter und lernte ein Jahr später im südafrikanischen Stellenbosch dazu. Es folgten Saint-Émilion im Bordeaux und das katalonische Penedès bei Miguel Torres. «Am meisten habe ich allerdings bei meinem Vater gelernt, weil wir in der Herrschaft andere Böden und mit dem Föhn ein anderes Klima haben.» Mit Erfolg: Sein Donatsch Pinot Noir Unique 2013 sei innerhalb von zwei Wochen ausverkauft gewesen, nachdem er die Höchstnote erhalten hat. Als Weinkritiker René Gabriel den Chardonnay von Donatsch mit 20 Punkten bewertete, war dieser sogar nach zwei Tagen ausverkauft. «Für den Unique bezahlt man in Luxemburg und Deutschland 90 Euro, in Hongkong verlangen Händler sogar 300 Dollar», weiss Donatsch. Er verkaufe nicht gerne Weine, die danach zum Spekulationsobjekt werden. Aber genau das ist beim Unique passiert.
Donatsch, der den Betrieb in der fünften Generation leitet, setzt 75 Prozent seiner Jahresproduktion von rund 30 000 Flaschen über die Gastronomie ab. Weniger als zehn Prozent gehen über den Handel bis nach Hongkong, weil der Bündner darauf achtet, dass seine Weine auch für Privatkunden erhältlich sind. «Alle meine Kunden bezahlen den gleichen Preis, unabhängig der Menge.» Und so ist es eben möglich, dass man – wenn man früh genug bestellt – auch als Privatperson Spitzenweine der Marke Passion oder Unique kaufen kann. Verglichen mit Burgundern dieser Klasse sind die Preise noch immer fair.
Die Natur muss mitspielen
Erstaunlich bei der Degustation der Weine aus der Herrschaft ist, wie vielfältig und qualitativ hochstehend das Angebot unter den Weissen ist, obwohl von den 420 Hektar Anbaufläche der Blauburgunder gegen 80 Prozent ausmacht. König der Weissen ist der Completer, der in Malans erstmals im 14. Jahrhundert erwähnt wurde. Die Traubensorte sorgt für aromatische und körperreiche Weine mit einem faszinierenden Säure-Süsse-Spiel. Für Donatsch wurde just dieser Completer in den letzten Jahren immer wichtiger. Ihm schwebt vor, in Zukunft nur noch mit fünf Traubensorten zu arbeiten: Pinot Noir, Pinot Blanc, Pinot Gris, Chardonnay und eben Completer. «Für mich gehört die Bündner Herrschaft zu den fünf besten Pinotregionen der Welt. Wir haben mit unseren Lagen und kalkreichen Schieferböden ein riesiges Potential, das noch nicht voll ausgeschöpft ist.»
Der aktuelle Jahrgang zeigt jedoch, wie sehr Winzer trotz neuen Techniken und Wissen aus dem Ausland von den Launen der Natur abhängig sind. Ende April gab es in der Herrschaft Frostnächte, danach viel Regen, was schlechte Blüten und damit kleinere Erträge verursacht. Ende Juli zerstörte ein Hagelschlag vor allem in Jenins und Maienfeld gut zehn Prozent der kleinen Beeren. Und im August hat sich, so Donatsch, die Kirschessigfliege «wie blöd vermehrt». Entscheidend ist jedoch die Phase um Mitte August, wenn die Traube reift. Der schöne Spätsommer lässt deshalb darauf hoffen, dass der 2016er trotz allem ähnlich gut wie 2013 wird.
Wer die Weine der Bündner Herrschaft vor Ort geniessen möchte, hat zahlreiche Möglichkeiten dazu. Besonders nah liegt die Winzerstube «Zum Ochsen» in Malans, die zum Weingut Donatsch gehört. Grosse Menüs findet man im Weiss Kreuz am Malanser Dorfplatz. Gastgeberin ist Iris Petermann, die Frau von Horst, der sich mit seinen Kunststuben auch international einen Namen gemacht hat. Das Gebäude ist traumhaft schön, die Weinkarte riesig und die Auswahl an Magnumflaschen soll die grösste der Schweiz sein. In Maienfeld, in der Nähe des Heididorfs, steht das Schloss Brandis, das bis Ende November Wildspezialitäten und gutbürgerliche Gerichte serviert. Im benachbarten Fläsch sollte man den Adler nicht vergessen, ein kleines, heimeliges Gourmetlokal, in dem der Südtiroler Spitzenkoch Siggi Tschurtschenthaler den Kochlöffel schwingt. Wer zum Wein eine gehobene Küche liebt, ist hier richtig. Das gilt auch für die Wirtschaft Landhaus in Fläsch von Theresa und Ignaz Baumann. Die täglich wechselnden Speisen wie Capuns, Forellen, Kalbshackbraten und Wildgerichte haben hier viele Liebhaber. Und im nahen Bad Ragaz sorgt das neue Igniv von Starkoch Andreas Caminada für Furore: Die Gerichte werden mitten auf den Tisch gestellt und von den Gästen geteilt. Gute Noten erhält schliesslich auch das Rössli. Das 15-Punkte-Restaurant hat eine super Weinkarte und eine kreative Küche. Am besten bedient ist folglich, wer gleich mehrere Tage für den Genuss in der Bündner Herrschaft einplant.
Von Reto E. Wild, Bild: ©Martin Donatsch
WO EINKEHREN
Die Website heidiland.com führt unter dem Stichwort «Kulinarik» diverse Adressen auf – auch für Touren. Die im Text erwähnten Häuser sind auch direkt unter den folgenden Links zu finden:
- Winzerstube «Zum Ochsen» in Malans, www.donatsch.info
- Restaurant und Hotel Weiss Kreuz in Malans, www.weisskreuzmalans.ch
- Gourmetrestaurant Schloss Brandis in Maienfeld, www.schlossbrandis.ch
- Restaurant Adler in Fläsch, www.adlerflaesch.ch
- Landhaus Fläsch, www.landhaus-flaesch.com
- Igniv in Bad Ragaz (im Grand Resort), www.igniv.com
- Hotel-Restaurant Rössli Bad Ragaz, www.roessliragaz.ch