Obwohl das Markgräflerland nur eine gute halbe Fahrstunde von Basel entfernt liegt, ist die landschaftlich reizvolle badische Region mit ihren Weinen in der Schweiz wenig bekannt. Auf Entdeckungsreise im südlichen Schwarzwald.
Das Markgräflerland ist Gutedelland, wie der Chasselas im Süden Deutschlands genannt wird. Es war Markgraf Carl Friedrich persönlich, der diese weisse Traubensorte an den Ufern des Genfersees entdeckte und dafür sorgte, dass sie ab 1780 in der südbadischen Region eine zweite Heimat fand. Das haben genetische Tests vor ein paar Jahren gezeigt. Noch heute ist rund ein Drittel der Rebfläche des Markgräflerlands, das sich grob gesagt zwischen den Münstertürmen von Basel und Freiburg im Breisgau ausdehnt und kalkarme Böden hat, mit Gutedel bestückt. Die besten deutschen Vertreter der Traubensorte, welche leichte, filigrane, alkoholarme und damit trendige Weine hervorbringen, sind im südlichen Schwarzwald zu Hause. Der Gutedel gilt im Markgräflerland als Tagesbegleiter. Man geniesst ihn mittags oder abends auf der Terrasse.
Trotzdem können die Genossenschaftswinzer vom Gutedel allein, der von Weinjournalisten lange Zeit belächelt wurde, nicht leben – bei Flaschenpreisen ab 2.90 Euro wundert das nicht. Grauburgunder (Pinot Gris), Weissburgunder (Pinot Blanc) und Spätburgunder (Pinot Noir) erzielen höhere Preise und werden deshalb verstärkt angebaut. Selbst Muskateller, Sauvignon Blanc, Gewürztraminer und Nebbiolo (in Laufen) sind verbreitet.
Andrea Engler (47) setzt auf ihren 11 Hektar zu 30 Prozent auf Gutedel und zu 40 Prozent auf Spätburgunder. Weiss- und Grauburgunder, Chardonnay und Auxerrois ergänzen unter anderen den Sortenspiegel. Die Winzerin und zweifache Mutter aus Müllheim ist erfolgreich: Am diesjährigen Gutedel-Cup landete sie mit ihrem Müllheimer Reggenhag in der Kategorie Kabinett trocken auf dem 1. Platz. Kabinett-Weine sind noch etwas leichter, feiner und eleganter als die übrigen Chasselas. «Die Leichtigkeit und Bekömmlichkeit des Gutedels sehe ich als Stärke. Die Traubensorte ähnelt uns Markgräflern. Wie sie es bei den Speisen tut, passen wir uns jeder Situation an, wir sind ein liberaler und offener Menschenschlag.» Sie empfiehlt zu einem Chasselas Spargeln, neue Kartoffeln, das klassische badische Schäufele mit Kartoffelsalat oder Tafelspitz.
Engler betrachtet die Klimaerwärmung mit Sorge, «weil der Gutedel nicht gerne warme Füsse hat. Dafür sorgt sie für gigantische Rotweine, wie sich das mein Vater nicht hätte vorstellen können.» Bereits ihr Urgrossvater startete 1892 nach einer Weinhandelslehre im Weingeschäft.
Elsässer kommen zum Geniessen
Schöne fruchtige und kräftige Rotweine bringt auch das Weingut Lämmlin-Schindler aus Mauchen, rund 20 Kilometer nördlich von Lörrach gelegen, hervor. Spätburgunder machen dort inzwischen über 35 Prozent der Anbaufläche aus, gefolgt von 25 Prozent Gutedel sowie je 10 Prozent Weissburgunder und Chardonnay. So bringt es Gerd Schindler (57), seit neun Jahren Mitglied des Verbandes Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter (VDP), auf jährlich gegen 150 000 Flaschen bei einer Fläche von 20 Hektar. Er, der seit 25 Jahren Biowinzer ist, stellt fest: «In den letzten 20 Jahren hat der Grossteil der Betriebe erkannt, dass man Qualität nur mit guten Trauben erreichen kann. Die Weine sind sortentypischer und auf breiter Basis besser geworden.» Schindler ist bestes Beispiel, belegte er doch am Gutedel-Cup in der Kategorie Qualitätsweine mit seinem Mauchener Gutedel 2014 den 1. Platz, bei den Kabinett hinter Engler den 2. Platz. Gerade die regionalen Spätburgunder hätten an Intensität, Kraft, Fülle und Finesse gewonnen. Dies sei auch dem internationalen Austausch – etwa mit dem Burgund, dem Piemont oder dem Südtirol – zu verdanken. 70 Prozent seiner Kunden sind Private aus ganz Deutschland, dem südlichen Elsass, aus Zürich, Basel und Solothurn.
Und was für die Weine zutrifft, gilt auch fürs Essen: Heute zieht es vermehrt Elsässer ins Markgräflerland, um fein essen zu gehen. Die Nebenkosten sind gerade für Schweizer Verhältnisse unverschämt tief, die Qualität ist wie bei Messer & Gradel in Müllheim oder dem Gasthaus Krone beim Weingut Lämmlin-Schindler hoch. Der Südschwarzwald mit dem gut 1400 Meter hohen Belchen ist zudem touristisch interessant und verfügt mit Badenweiler über einen Kurort, der zumindest in der Region bekannt ist. Vom Schloss Bürgeln, der wichtigsten Attraktion, reicht der Blick bis zu den Vogesen und an klaren Tagen sogar bis ins Berner Oberland. Mit Einheimischen kommt man aber immer wieder auf den Wein zu sprechen. Im Weindorf Auggen, Partnergemeinde von Châteauneuf-du-Pape, weise bereits das Wasser zwei Grad Öchsle auf, heisst es scherzhaft.
Winzer und Tausendsassa
Ebenfalls im badischen Weingebiet, aber bereits am Kaiserstuhl und 20 Kilometer nordwestlich von Freiburg, befindet sich das VDP-Weingut Franz Keller. Es zählt heute mit 60 Hektar und rund 400 000 Flaschen (36 Prozent Grauburgunder, 30 Prozent Spätburgunder, 15 Prozent Weissburgunder, 7 Prozent Müller-Thurgau, 5 Prozent Chardonnay und der Rest aus Sauvignon Blanc, Riesling, Silvaner, Gewürztraminer, Cabernet Sauvignon und Merlot) zu den Grossen der Region. Und es hat einen bekannten Chef: Winzer, Weinhändler, Hotelier und Gastronom Fritz Keller (58) ist seit 2010 Präsident des SC Freiburg. «Ich mache Weine mit Seele, welche die Landschaft und die Umgebung ausdrücken, Weine mit einer schönen Säure und wenig Alkohol», sagt der Vielbeschäftigte. Als «junger Mensch» habe er im Burgund und im Bordeaux gearbeitet und Weinfässer mitgebracht. «Schon mein Grossvater war sehr frankophil und mochte den französischen Stil. Wir waren immer stur und wollten nie populistische Weine mit unangenehmer Süsse.» Wegen seines Gourmetrestaurants Schwarzer Adler, seit 1969 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet, mache sein Gut seit Jahrzehnten Weine, die zum Essen schmecken.
Fritz Kellers Nachfolge ist gesichert: Der Älteste ist Winzer, der Mittlere spielt Fussball in den USA, der Jüngste absolvierte eine Kochlehre. «Bei grossen Weinen geht es nur mit Generationendenken. Auch ich profitiere von Rebstöcken, die meine Oma gepflanzt hat. Das ist gelebte Nachhaltigkeit.»
Von Reto E. Wild
Ich war schon bei Fritz Keller. Ein toller Gastronom und netter Mensch. Sein Weingut und seine Restaurants in Kaiserstuhl sind sehr zu empfehlen.