Das Trendziel am Mittelmeer heisst Kroatien. Der junge Staat mit seinen über 1000 Inseln begeistert neben landschaftlicher Vielfalt auch mit aufstrebenden Köchen und innovativen Weingütern.
Insider schwärmten schon lange von den delikaten weissen Trüffeln und dem hochwertigen Olivenöl aus Istrien, das zu den besten der Welt gehört. Vor einigen Monaten nun wurde das Restaurant Monte in Rovinj an der Westküste der kroatischen Halbinsel mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Es ist das erste Mal, dass ein kroatisches Restaurant mit diesem Award geadelt wurde.
Diese Premiere zeigt, wie erfolgreich sich die aufstrebende, erst 1991 gegründete Republik entwickelt – gerade im Tourismus und der Gastronomie. Rudolf Stefan (41), Chefkoch und Besitzer des Restaurants Pelegrini in der dalmatischen Stadt Šibenik an der Küste im Süden, erklärt: «Das gastronomische Angebot Kroatiens hat sich qualitativ unglaublich verbessert. Immer mehr junge Gäste interessieren sich für das Essen.» Der Einheimische mit Urgrosseltern aus Deutschland gehört selbst zu den aufstrebenden Köchen und ist Mitglied der Vereinigung junge Köche «Jeunes Restaurateurs». Noch haben die Michelin-Juroren sein Lokal nicht bewertet. Aber es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch das Pelegrini einen Stern erhält, denn Stefan begeistert mit seiner Kochkunst, für die er vor allem lokale Produkte verwendet: Fisch, Austern, Muscheln, Rohschinken und Huhn. Das gute Essen hat in Šibenik, das auf der touristischen Landkarte noch oft vergessen wird, historische Tradition. «Wir waren während rund 400 Jahren bis 1797 Teil des venezianischen Königreichs, Pelegrini ein Palast. Aus der Stadt wurden die Zutaten nach Venedig geliefert», erzählt Stefan.
Insel mit langer Wein-Tradition
Seit der Unabhängigkeit des Landes hat sich auch der private Weinanbau enorm entwickelt. Die Zeiten, als Tito in Jugoslawien das Sagen hatte und die Winzer für die Genossenschaften brav Massenware anlieferten, sind definitiv vorbei. Auf Hvar entstanden bereits Mitte der 1980er Jahre erste private Weingüter, wobei man auf der Trendinsel schon seit dem Jahr 380 v. Chr. Wein anbaut. Bei rund 2700 Sonnenstunden pro Jahr ist Hvar mit seinem heissen, trockenen Sommer für den Weinanbau geradezu prädestiniert.
Ivana Carić (42) vom gleichnamigen Weingut erzählt: «Vor 20 Jahren dominierte hier Massenproduktion. Mit der Zeit wollten die Kunden Qualität. Heute gibt es viel mehr Touristen und Restaurants, die qualitativ hochstehende Weine wünschen. Wir profitieren neben dem Klima auch von Böden mit Felsen und Kalkstein, die für Mineralität sorgen.» Kunden würden ihr sagen, sie spüren selbst die Nähe des Meeres und das Salz im Glas. Tatsächlich breiten sich die Rebberge von den steilen Hügeln bis hinunter zum Meer aus. Carić präsidiert auf Hvar eine Vereinigung von rund zehn Weingütern. Vina Carić selbst sorgt auf 7 Hektar für rund 30 000 Flaschen pro Jahr. Ivanas Mann Ivo (53) kauft zusätzlich Trauben von anderen Lagen und Winzern dazu.
Grosse Vielfalt von Nord bis Süd
Insgesamt verfügt Kroatien über eine Rebfläche von 60 000 Hektar, rund viermal mehr als die Schweiz. Die Weinbauregionen sind quer übers Land verteilt, von Istrien im Nordwesten über Slawonien im Osten bis nach Dalmatien im Süden. Die Produktionsmengen liegen bei 1,2 Millionen Hektoliter jährlich, die Schweiz produziert fast eine Million Hektoliter. Auch im jungen EU-Mitgliedstaat gibt es viele autochthone Rebsorten. Hvar allein kennt zehn solche. Landesweit am bekanntesten ist die Sorte Plavac Mali, die den Weg von Dalmatien über Italien machte, dort als Primitivo bekannt ist und weiter in die USA «reiste», wo sie sich als Zinfandel einen Namen schuf – ein 100-prozentiger Zwillingsbruder von Plavac Mali.
Die englische «Master of Wine» Joanne Ahearne, die seit 2014 ebenfalls auf Hvar eigene Weine produziert, ist voll des Lobes über kroatische Weine: «Global gesehen ist das Weinland Kroatien noch ein Geheimnis und sehr interessant, weil Istrien und Dalmatien total verschiedene Weine hervorbringen. Wenn die Winzer in Zukunft weniger Eiche beim Weinausbau einsetzen, wird das Angebot noch besser.»
Wir fahren auf Hvar weiter zum 1600-Seelen-Dorf Jelsa, wo das Weingut von Ivo Duboković steht. Er ist verwandt mit Ivan Barbic, einer von fünf «Master of Wine» der Schweiz. «Unsere Reben reichen quasi vom Wasser bis zu 530 Meter über Meer», sagt Duboković. Sein Gut produziere elf verschiedene Weine und insgesamt über 20 000 Flaschen jährlich, 80 Prozent davon Rot-, 20 Prozent Weisswein. Sein Vater verkaufte bis in die 1980er-Jahre Trauben an die Kooperative, ehe er 1990 mit der Eigenproduktion startete.
Beleidige nie lokalen Wein!
Noch beeindruckender ist die Entwicklung beim Weingut Zlatan Otok, das mit über hundert Auszeichnungen ebenfalls zu den Klassenbesten des Landes zählt und sich auf der Südseite von Hvar befindet. 1988 wurden 200 Flaschen produziert, ein Jahr später ein paar 100, 1991 180 000 und heute rund eine halbe Million. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters Zlatan, einer Legende im kroatischen Weinbau, zeichnen seit 2016 die Brüder Nikola (30) und Marin (32) Plenković verantwortlich.
Und wenn schon von Klassenbesten die Rede ist, darf der Name Bibich nicht fehlen. Das Weingut befindet sich im Hinterland von Skradin, einem wunderschönen Städtchen rund 15 Kilometer von Šibenik entfernt. Es gilt als Tor des bekannten Krka-Nationalparks. Bibich ist ausserhalb der Weinszene wenig bekannt, und selbst mit GPS findet man das Gut nur dank mehrmaligem Nachfragen bei Einheimischen. Gourmets pilgern vom ganzen Land hierher, weil der Hof neben einem Degustationsraum auch ein Restaurant führt. Dort kostet ein mehrstündiges Abendessen mit 15 Gängen und 15 Weinen umgerechnet über 300 Franken. Dafür ist die «Vino Proba», die Weinverkostung, kostenlos. In Dalmatien gilt die Regel, gegenüber den Winzern nie ein schlechtes Wort über lokale Weine zu verlieren. Es sei eher akzeptiert, die Ehefrau zu beleidigen. Auf diesen Vergleich müssen wir uns nicht einlassen: Auch die Weine von Bibich überzeugen, wie unsere Degustationsnotizen zeigen.
Von Reto E. Wild
GUTE GENUSSADRESSEN
Hotels: Alhambra (Luxus-Boutiquehotel auf der Insel Lošinj mit privater Bucht und Gourmetrestaurant Alfred Keller mit 15 Gault-Millau-Punkten), Lifepalace in Šibenik (vier Sterne, gute Lage in der Altstadt).
Restaurants: Pelegrini (regionale Gourmetküche von Chef Rudolf Stefan in Šibenik, starke Weinkarte. Reservieren! Tel. +385 22 213 701), Nada (Familienbetrieb im sehenswerten Winzerdorf Vrbnik auf Krk, gleichzeitig Weingut, Tel. +385 51 857 065), Marina und Restaurant Bilo Idro auf Hvar, betrieben vom Weingut Zlatan Otok (Mitte Mai bis Mitte Oktober geöffnet). www.zlatanotok.hr
Tipp: Das Hinterland und die Weine Hvars mit Secret Hvar entdecken: www.secrethvar.com