Winzer des Jahres, Goldmedaillen an nationalen und internationalen Wettbewerben: Das Wallis, der grösste Weinkanton der Schweiz, heimst am meisten Titel ein. Einen Teil des Erfolgs verdankt die Region einer Frau, dem Winzerdorf Salgesch und dem Klima.
Die Unterwalliserin Madeleine Gay arbeitet seit über 30 Jahren als Chefönologin für Provins, die grösste Weingenossenschaft der Schweiz. In ihrer langen Karriere hat sie über 200 Auszeichnungen erhalten. 2008 wurde sie Winzerin des Jahres, letztes Jahr erhielt sie mit Provins diesen Titel erneut. Ein simpler Brief hat den Rebbau im Wallis bis heute nachhaltig beeinflusst: Als junge Landwirtschaftsstudentin schrieb Gay kurz vor ihrem Abschluss dem damaligen Provins-Direktor, dass es falsch sei, wenn das Wallis keine traditionellen Reben mehr pflanze und die alten Sorten vergessen gingen. Der Direktor war von den Lösungsansätzen der jungen Frau so beeindruckt, dass er für sie eine Stelle schuf. Seither macht sich Gay für die autochthonen Traubensorten des Wallis stark. Und für den Weisswein: Sie rät, zum Kalbfleisch ebenso einen Weissen zu kredenzen wie zum Abschluss des Essens, wenn Gruyère aufgetischt wird. Dazu trinkt sie am liebsten einen Chasselas oder einen Petite Arvine.
Winzer Olivier Mounir (47) aus Salgesch arbeitet auf der Linie der Provins-Chefönologin, besteht doch sein Angebot aus 28 verschiedenen Traubensorten, wobei Pinot Noir die Mehrheit bildet. Aus seinen 10 Hektar Rebbergen gewinnt er jährlich 150 000 Flaschen. Sein Cave du Rhodan wurde als erstes Weingut der Schweiz mit dem Nachhaltigkeitspreis der Zürcher Kantonalbank ausgezeichnet.
«Jeder Winzer denkt langfristig. Bei einer Neupflanzung ist zum Beispiel erst nach drei Jahren ein kleiner Ertrag zu erwarten. Mit dieser Denkweise haben wir eine Reihe von Massnahmen umgesetzt, die unseren Weinbau nachhaltiger gestalten», sagt Mounir. Als sein Grossvater noch mit Kühen und Schweinen wirtschaftete, sei es ums nackte Überleben gegangen. Sein Vater und seine Brüder erlebten dann eine Goldgräberstimmung, bis die Weinschwemme zur Krise führte. Als Folge davon war Salgesch das erste Winzerdorf der Schweiz, das eine Mengenbegrenzung einführte. «Dieses Qualitätsdenken vernachlässigte jedoch soziale Aspekte wie die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden», so Mounir. Deshalb habe er sich für eine Nachhaltigkeitsstrategie entschieden – stets unter dem Aspekt von Top-Qualität. Nicht Öko und Bio, sondern Genuss und Qualität stünden auf der Kriterienliste der meisten Weinkonsumenten. «Dass wir beides zusammenbringen können, das beweisen neben dem Nachhaltigkeitspreis die über 140 Auszeichnungen unserer Weine», sagt Olivier Mounir selbstbewusst.
Seine Weine sind finessenreich, sortentypisch und elegant. Ihm sei wichtig, dass die Konsumenten den «Stallgeruch unseres Kellers erkennen». Der Pinot Perle du Rhodan, der nur 17 Franken kostet, auf trockenem Waldboden wächst und mit seiner reifen Frucht betört, wurde an der Expovina 2007 und an der Mondial Pinot Noir mit einer Goldmedaille ausgezeichnet – was den Bordeauxpapst René Gabriel zur Aussage verleitete, Mounir sei verrückt, diesen Wein zu einem solch tiefen Preis zu verkaufen. Zwei Drittel seiner Weine erfüllen den eigenen Anspruch der Typizität. Mit dem letzten Drittel geht der Winzer bewusst spielerisch um und versucht sich im Einsatz von Barriques, im Ausbau in Beton oder in Cuvée-Kreationen.
Dem Winzer gelingt es zudem regelmässig, einen Grand Cru Salgesch zu stellen, was aufgrund einer strengen Jury jährlich nur zwischen 8 und 14 Winzer im Dorf schaffen. Insgesamt 50 000 bis 80 000 Grand-Cru-Flaschen kommen je nach Wetter jährlich auf den Markt. Mounirs Grand Cru gehört zur Mémoire des Vins Suisses, der Schatzkammer der Schweizer Weine. Der Grand Cru Salgesch feiert 2014 notabene seinen 25. Geburtstag. Auch nach 25 Jahren Pionierleistung führen die Verantwortlichen noch immer das strengste Reglement mit rigorosen Kontrollen.
Ebenfalls in Salgesch winzert der im Nachbardorf Varen wohnhafte Jürg Biber (61). Der Stadtzürcher aus Höngg übernahm erst 2004 den Betrieb von René Mathier. Ein Hagelschlag und ein nasser Herbst 2002 an seiner bisherigen Wirkungsstätte in Oberhofen am Thunersee führten zum Kantonswechsel. Heute bringt es der Selbstkelterungsbetrieb auf 7 Hektar und rund 70 000 Flaschen. 14 Sorten gehören zum Angebot der «Einmannshow Biber», wie er sich bezeichnet. Die Viefalt habe zwei Vorteile: Erstens könne er dank des unterschiedlichen Reifezeitpunkts der Traubensorten gestaffelt ernten, und zweitens sei es ihm so möglich, seine Kunden individuell zu bedienen. Wenn beispielsweise ein Restaurant ein Unikat mit Cornalin will, dann kommt er diesem Wunsch nach. So ist es schon mehrfach zur Zusammenarbeit mit Robert Zurbriggen von WeinArt in Zürich.
Wie Mounir sorgt auch Biber für authentische, sortentypische Weine. Heute sei es viel einfacher, Trauben von Spezialitäten wie Petite Arvine aufzutreiben. Gleichzeitig ist es ihm aber ein Dorn im Auge, dass im Rotweinbereich heute mehr Restzucker eingesetzt wird. «Das Marmeladige ist völlig in Mode gekommen.» Diesem Trend widersetzt er sich bewusst. Er kann es sich leisten, weil er ausschliesslich mit Weinhändlern zusammenarbeitet.
von Reto E. Wild
Heute erschienen, Danke Reto und weiterhin gute Zeit in Brasilien