Buschwanderung South Luangwa Nationalpark © Markus Arnold
Durch Raubkatzenrevier wandern, zu Elefanten und Flusspferden paddeln und Afrikas zweitgrösste Gnuwanderung bestaunen: Sambia ist ein Safari-Land für Abenteurer.
Die Morgensonne steht schon hoch über dem ausgetrockneten Flussbett, als Lawrence Banda plötzlich innehält und erstarrt. Soeben hat der Guide in einiger Entfernung eine Löwin entdeckt, die sogleich wieder im dürren Savannengras verschwunden ist. «Das Männchen ist sicher in der Nähe», sagt der 54-Jährige. Er kennt die Tiere seit langem. Es sind nicht die ersten Raubkatzen, denen seine Touristengruppe auf ihrer Sambia-Reise begegnet. Aber die ersten, denen sie zu Fuss gegenüberstehen. Da ist kein Safariwagen, kein Wildzaun, noch nicht einmal eine Akazie, wohin sie sich instinktiv flüchten könnten.
Über dem ausgedörrten Grasland liegt eine unheimliche Stille. Nur das Brummen der Fliegen ist zu hören. Lawrence versichert sich mit einem Blick, dass niemand Anzeichen zeigt, unruhig zu werden. Dann wandert er weiter. Ein Wildhüter mit geschultertem Gewehr geht der kleinen Gruppe voraus. Eine synchron in eine Richtung starrende Herde Impalas lässt bald erahnen, dass der nächste Löwe nicht weit ist. Plötzlich schnellt das Männchen nur ein paar Antilopensprünge entfernt hinter einem Busch hervor und brüllt die Gruppe an. Niemand hatte es so nah vermutet. Genauso unerwartet wie das mächtige Tier aufgetaucht ist, hat es auch gleich wieder das Weite gesucht. Weitergehen oder flüchten?
Lawrence lacht. Für den Sambier gehören Begegnungen mit Wildtieren zum Alltag. «Wer ihr Verhalten kennt und damit umzugehen weiss, braucht sich nicht zu fürchten», sagt er. «Zeigt man vor den Löwen hier keine Angst, bleibt ruhig und läuft nicht weg, fürchten sie den Menschen.»
Buschwanderungen inmitten der Natur
Seit 25 Jahren führt Lawrence Wandergruppen durch Sambias South-Luangwa-Nationalpark. «Noch nie musste dabei ein begleitender Wildhüter sein Gewehr benutzen», versichert er. In dem bekanntesten Nationalpark des Binnenlandes zwischen Angola und Tansania, dem Tanganjikasee und dem Sambesi führen Buschwanderungen in das Revier von Löwen, Leoparden und Wildhunden. «Nur wer einem Elefanten einmal zu Fuss begegnet ist, weiss wie klein der Mensch ist», sagt Lawrence. Dabei geht es dem leidenschaftlichen Naturführer keineswegs darum, einfach nur den Nervenkitzel seiner Gäste zu befriedigen, den Grossen der Savanne gegenüberzustehen. Es ist ihm ein Anliegen, dass sie mit einem tieferen Verständnis für die Natur in ihre Heimat zurückkehren. «Die Tierdokumentationen von heute reihen oft nur Jagd- und Kampfszenen aneinander», beklagt der Guide. Viele Touristen hätten daher den Eindruck, Afrikas Tierwelt sei ausgesprochen gefährlich und aggressiv. Auf Buschwanderungen durch das Luangwa-Tal erscheint sie meist jedoch ausgesprochen friedlich.
Wer mit Lawrence entlang des ausgetrockneten Luwi-Flussbetts und des mächtigen Luangwa wandert, entdeckt die kleinen Wunder der Savanne, die genauso Teil des Ökosystems sind wie Flusspferde, Giraffen und Elefanten. Er erklärt wie Termitenstaaten funktionieren, wie Heilige Pillendreher für Ihre Angebete Kugeln aus Mist rollen und wie Puku-Haremsführer Rivalen auf Abstand halten. In Bandas Geschichten menschelt es nicht nur unter den Pavianen. «Wer erkennt sich hier nicht auch selbst wieder?», fragt Lawrence.
Als Safari-Destination ein Geheimtipp
In Sambia hat man die bewegendsten Szenen im Schauspiel der Natur oft ganz für sich allein. Erstaunlich, dass das Land bis heute selbst unter langjährigen Safari-Reisenden noch immer wenig bekannt ist. Sambia ist mehr als doppelt so gross wie Deutschland, hat jedoch mit 18,4 Millionen nur etwas mehr Einwohner als Nordrhein-Westfalen. Mit 73 ethnischen Gruppen ist es auch Heimat einer enormen kulturellen Vielfalt. Anders als einige seiner Nachbarn wie Tansania, Angola, Simbabwe und die Demokratische Republik Kongo, mit denen es ein ähnlich niedriges Bruttonlandsprodukt pro Kopf teilt, geriet Sambia in den letzten Jahrzehnten nur selten in die internationalen politischen Schlagzeilen. Beim Demokratieindex schneidet das Land besser ab als die meisten anderen Staaten in Subsahara-Afrika.
Seit August 2021 wird das Land nach einem friedlichen Machtwechsel von Hakainde Hichilema regiert. Auf dem langjährigen Oppositionspolitiker ruhen hohe Erwartungen, das Land aus seiner wirtschaftlichen Krise zu führen. Auch von den Oppositionsbewegungen in den Nachbarländern werden die angestrebten Reformen in Sambia derzeit aufmerksam verfolgt.
Unter Hichilema könnte auch der Tourismus als verstärkt geförderte Wirtschaftskraft zehren und den Nationalparks mehr Gewicht eingeräumt werden. Allerdings bleibt fraglich, ob von dem von vielen erhofften ökonomischen Wachstum nicht in erster Linie Landwirtschaft und Kupferminen profitieren werden. Noch ist unklar, ob sich die Safari-Branche jemals wieder vollständig vom weitgehenden Stillstand der letzten drei Jahre erholen wird. Schon vor der Pandemie standen die riesigen Naturschutzgebiete des Landes unter Druck durch Wilderei, Landwirtschaft und Bergbau.
Das touristische Potential ist gross
Sambias atemraubende Naturlandschaften haben indes enormes Potenzial für den Tourismus. Bei den alljährlichen «Best in Travel»-Tipps des Reiseführers «Lonely Planet» wurde Sambia gerade neben Bhutan als einziges komplettes Land zu den sechs weltbesten Reisezielen für 2023 gekürt. Anders als häufig in bekannteren Safari-Ländern bilden sich in den Nationalparks des Landes nur selten Jeep-Staus um einen Löwen oder Leoparden. In Südafrikas Kruger-Nationalpark, Namibias Etosha und Tansanias Serengeti sind die Autoschlangen nach einer Zwangspause während der Pandemie wieder zurück. In Sambia bleibt fraglich, ob die Rekordzahlen an Besuchern von 2019 jemals wieder erreicht werden. Gerade langjährige Afrikareisende lieben Sambias Schutzgebiete vor allem wegen ihrer Entlegenheit und ihrer unregulierten Wildheit. Die Abgeschiedenheit hat jedoch auch zur Folge, dass Reisen entweder teurer oder zeitaufwändiger sind als in Ländern mit seit langem etablierter Safari-Infrastruktur und entsprechenden Pauschalangeboten. Selbst wenn das Land wieder wie 2019 annähernd 1,3 Millionen Touristen jährlich erreichen sollte, werden sie sich wie zuvor hauptsächlich auf die Victoriafälle konzentrieren.
Sambia hofft auf zahlreiche Gäste
«Wir hatten zwei Jahre lang fast nur einheimische Gäste und erst langsam kommen die Touristen zurück», sagt Lawrence. Er selbst hat während der Corona-Krise viel Zeit mit seinem taubstummen Enkel verbracht. «Er liebt die Tiere wie ich», sagt der Guide. Nun hofft er, dass Sambia bald wieder an seine vorherige Stellung als Liebling vieler Safari-Rückkehrer anknüpfen kann. Lawrence ist stolz darauf, dass die sambische Bevölkerung – darunter auch viele, die im Tourismus arbeiteten – 2019 die damalige Regierung zur Aufgabe eines Projekts bewegen konnten, das das Land lange bewegte. Der Luangwa-Fluss, die Lebensader des Nationalparks, sollte durch einen Staudamm nutzbar gemacht werden. Mehr als 200 000 Menschen unterzeichneten eine Petition gegen das Projekt. «Es hätte schlimme Folgen für die Fischerei, den Tourismus und die Natur gehabt», sagt Lawrence. Im gleichen Jahr liess der damalige Präsident John Magufuli im Nachbarland Tansania trotz Protesten von Naturschutzorganisationen und der Unesco die Bauarbeiten für einen Megastaudamm im Selous-Wildreservat, einem Weltnaturerbe, beginnen. Kritiker fürchten, dass mit dem aufgestauten Rufiji, dem grössten Fluss Tansanias, einer der wichtigsten Lebensräume zahlreicher Tierarten in Ostafrika bedroht wird. Das Luangwa-Tal wird jedoch vorerst weiter eine ungezähmte Wildnis bleiben.
Nicht nur der South-Luangwa-Nationalpark, auch eine Reihe fast unbekannter Schutzgebiete ermöglichen in Sambia einzigartige Tierbeobachtungen und eine Wildnis auf Augenhöhe. Im Lower-Zambezi-Nationalpark begegnet man Flusspferden und badenden Elefanten vom Kanu aus. Im Liuwa-Plain-Nationalpark kann man vor allem von November bis April die zweitgrösste Gnuwanderung Afrikas erleben. Nirgendwo ausser bei der berühmten Great Migration von der Serengeti in die Masai Mara begeben sich mehr Streifengnus noch immer auf eine endlose Reise. Anders als dort haben Touristen die Tierherden aber meist ganz für sich allein.
Einzigartige Artenvielfalt im Kafue-Nationalpark
Sambias Kafue-Nationalpark, etwa vier Autostunden westlich von der Hauptstadt Lusaka, ist ein riesiges Wildnisgebiet aus Miombo-Waldsavanne, wild mäandernden Flüssen, Sümpfen und Auenlandschaften. Auf einer Fläche größer als Hessen leben 158 Säugetier- und mehr als 500 Vogelarten. Erst im Sommer wurde der Park für 20 Jahre unter das Management von African Parks gestellt. Die grenzüberschreitende Nichtregierungsorganisation mit Hauptsitz in Südafrika arbeitet bereits in zwei weiteren Schutzgebieten Sambias und elf anderen Ländern Afrikas. Sie bekämpft die Wilderei und hat dort ausgerottete Arten wieder eingeführt.
«Kein anderes Schutzgebiet in Sambia hat eine so grosse Bandbreite an Arten», sagt Kachama Banda. Die Ökologin beobachtet im Sumpfland der Busanga-Ebene im Norden des Nationalparks gerade eine riesige Herde Antilopen, die am Rande eines von Vögeln und Flusspferden belagerten Wasserlochs grasen. Im späten Abendlicht ist das Grasland von hunderten Tieren fuchsrot getupft. Rote Letschwen sind hier die Hauptbeutetiere der berühmten Löwen von Busanga, Kachamas Studienobjekt.
«Es gibt kaum einen Ort wo man ihr Verhalten besser beobachten kann, als hier», sagt die Artenschützerin. Wie ihr Namensvetter Lawrence kommt sie aus Ostsambia nicht weit von der Grenze zum South-Luangwa-Nationalpark. Seit 2019 arbeitet sie für die Naturschutzorganisation Zambian Carnivores Programme, die in Kafue und anderen Schutzgebieten Löwen, Leoparden, Geparde, Hyänen und Wildhunde erforscht und bei Konflikten mit angrenzenden Dorfgemeinschaften vermittelt. «Ich bin selbst mit Wildtieren aufgewachsen und kenne daher beide Seiten: Die Sicht der Parkanrainer, die sich und ihr Vieh bedroht sehen, und die der Naturschützer, für die die Raubtiere ein wichtiger Teil des Ökosystems sind.»
Die Aufgabe ihrer Organisation bestehe oft darin, zu vermitteln und aufzuklären, wo wenig Wissen über die Wildtiere vorhanden ist. Eine wichtige Rolle komme dabei dem Tourismus zu. «Wo Tierbeobachtungen zum Einkommen der ländlichen Gemeinden beitragen, ist die Toleranz grösser», sagt Kachama. «In manchen Dörfern ist der Tourismus einer der wichtigsten Arbeitgeber, in anderen profitieren die Menschen jedoch noch immer kaum davon.» Sie glaubt, dass Nationalparkbesucher zum Erhalt der bedrohten Raubtiere unersetzlich sind und eine Botschaft aus dem Safari-Urlaub mitnehmen. «Wer einen Löwen oder einen Geparden in seinem natürlichen Lebensraum erlebt hat, den lässt die Erfahrung nie wieder los», sagt sie. Über dem Sumpfland beginnt mit Einbruch der Dunkelheit das Abendkonzert von abertausenden Zikaden, in das bald das heisere Lachen einer Hyäne einfällt. Irgendwann ist von Ferne auch das dumpfe Brüllen eines Löwen zu hören. In weiten Teilen Afrikas ist der unverkennbare Ruf der Wildnis längst verstummt. In Kafue soll die Nacht jedoch auch in Zukunft dem König der Tiere gehören.
Text Win Schumacher, Bilder Markus Arnold
Gut zu wissen
Anreise: Zum Beispiel mit SWISS (www.swiss.com) und Airlink (www.flyairlink.com) über Johannesburg nach Livingstone. Von dort kommt man mit Proflight Zambia (www.proflight-zambia.com) oder Buschfliegern der Safari-Veranstalter in die Nationalparks Sambias. Eine Anreise mit dem Geländewagen als Selbstfahrer nimmt je nach Ziel und Jahreszeit oft viele Stunden bis zu mehrere Tage in Anspruch.
Unterkünfte: Time + Tide Africa hat verschiedene Camps im Liuwa-Plain-, South-Luangwa- und Lower-Zambezi-Nationalpark in seinem Portfolio.
Das entlegene Luwi Bush Camp im Luangwa-Tal ist Ausgangspunkt für Wanderungen ins Revier von Löwen, Leoparden und Wildhunden.
Unter alten Ebenholzbäumen direkt am mächtigen Luangwa-Fluss liegt die Mchenja Lodge. Von den komfortablen Gästeunterkünften blickt man direkt auf sonnenbadende Krokodile und plantschende Flusspferde.
www.timeandtideafrica.com
Im Busanga Bush Camp im wildreichen Norden des Kafue-Nationalparks schläft man mit dem Brüllen der Löwen ein. Das umliegende Sumpfland ist Heimat einiger der grössten Antilopen- und Büffelherden Afrikas.
www.wildernessdestinations.com
Veranstalter: Abendsonne Afrika verbindet Safaris in den wichtigsten Schutzgebieten Sambias. www.abendsonneafrika.de, Tel. +49-7343 / 929 98-0
Weitere Informationen: www.african-parks.org, www.zambiatourism.com