Landschaftlich gehört die Steiermark zu den schönsten Ecken Österreichs. Und hier, in der Heimat des Kürbiskernöls, werden auch die besten Weissweine unseres östlichen Nachbarns produziert, die vom Klima, den steilen Hängen und den vielschichtigen Böden profitieren.
Als Mekka der frischen Weissen bezeichnet der Weinführer «Falstaff» die Steiermark. Klar, es gibt Weinbaugebiete mit wuchtigeren und vor allem alkoholischeren Weinen. «Aber es gibt auf der ganzen Welt keine frischeren, brillanteren und daher auf elegante Weise herkunftstypischeren Gewächse als im Süden der Steiermark», schwärmt der Weinführer. Damit sind die drei steirischen Weinbaugebiete mit ihren Spezialitäten auf 4240 Hektar gemeint – das Wallis bringt es auf knapp 20 Prozent mehr Rebflächen –, die alle grob gesagt im Suüden des Bundeslands liegen und heute sehr innovativ sind. Das fängt damit an, dass die meisten Flaschen mit Dreh oder einem Glasverschluss ausgestattet sind.
Am hochstehendsten sind die Weine aus der an Slowenien grenzenden Südsteiermark, die mit ihren Steilhängen und unverbauten, teils waldigen Hügeln auch landschaftlich sehr schön ist. Viele Top-Winzer finden sich um das Weindorf Gamlitz, wo die Familie Lackner Tinnacher bereits seit 240 Jahren Wein produziert. Im Familienbetrieb hat Katharina Tinnacher (29) vor zwei Jahren die Leitung von ihrem Vater übernommen. Er baute die Rebfläche des einstigen landwirtschaftlichen Mischbetriebs auf 20 Hektar aus. Heute steht das Weingut bei 27 Hektar und einer jährlichen Produktion von 120 000 Flaschen, vor allem mit Sauvignon Blanc, Morillon (Chardonnay), Weiss und Grauburgunder, aber auch Welschriesling und Muskateller.
Trockene, säurebetonte Weine
Die wichtigste Sorte ist heute der Sauvignon Blanc, «der am besten zur Region passt, weil wir hier auf kleinster Fläche verschiedene Bodentypen haben wie Muschelkalk, Schotter und Schiefer. Das sind optimale Voraussetzungen für spannende Weissweine», erklärt die junge Chefwinzerin. Nicht nur das: Weissweintrauben mögen insgesamt die warmen Sommer und die kühlen Nächte (die Steiermark zählt zu den kühlsten Weinbauregionen der Welt) in den steilen und bis zu 600 Metern über Meer gelegenen Hügeln sowie die über 1000 Millimeter Niederschlag pro Jahr. Das sorgt für Frische und Säure.
Einen eigentlichen Qualitätssprung machten die steirischen Weine – wie die österreichischen generell – aber erst nach dem Glykolwein-Skandal, als Winzer in den 1980er-Jahren den Rebensäften Frostschutzmittel als Süssungsmittel und Geschmacksverstärker beigaben. «Danach waren plötzlich unsere trockenen, säurebetonten Weine gefragt.»
Nächstes Jahr steht Lackner Tinnacher vor einem weiteren Quantensprung: Erstmals wird das Weingut, das nur 30 Prozent der Weine exportiert, sämtliche Weine biologisch zertifizieren. Weil keine Düngemittel und nur Kompost eingesetzt wird, sind die Trauben dadurch intensiver und würziger. Der biologische Anbau führt aber auch zu kleineren Trauben, was den Anteil der Schale erhöht: Das sorgt für höhere Gerbstoffe und mehr Struktur. «Ich will mit unseren Weinen die Herkunft und die Region ausdrücken und bei den Lageweinen die Charakteristik mit Eleganz und Struktur widerspiegeln», sagt die Top-Winzerin.
Für den Jahrgang 2015 ist sie optimistisch. Sie spricht von einem «super Gesundheitszustand der Trauben, einer tollen Reife und einer schönen Säure. Das könnte ein sehr guter Jahrgang werden». Es schaue gut aus, bestätigt Armin Tement vom gleichnamigen Weingut, das auf einem Hügelplateau liegt und einen herrlichen Blick bis nach Slowenien freigibt. Wenn es in der Erntezeit von Ende September bis Mitte Oktober nicht zu feucht werde, könne 2015 ein grosses Jahr werden.
Der Winzer ist ebenfalls erst 29 Jahre alt und leitet die Produktion des Weinguts, das von seinen Grosseltern in den 1950er-Jahren gegründet wurde. Heute dehnt es sich auf 80 Hektar aus, 20 weitere Hektar gross ist eine Domaine in Slowenien. Zusammen bringen es die Weingüter auf gegen 500 000 Flaschen pro Jahr, wobei die beste Lage Zieregg durch die Steiermark und Slowenien verläuft. «Anfangs war der Weinbaubetrieb kaum überlebensfähig. Heute können wir kompromisslos geringe Erträge fahren, weil wir über genügend Rebenflächen verfügen. So verbessern wir die Qualität stetig», sagt Armin Tement.
Rund 60 Prozent entfallen bei ihm auf den Sauvignon Blanc. Er widerspiegle die Herkunft am besten. Die Steiermark könne sich nur durch Eigenständigkeit profilieren, weil sie im Preis nicht konkurrenzfähig sei. Ähnlich wie etwa im Lavaux sind viele Lagen sehr steil, was die Lese von Hand sehr kostenintensiv macht. Das ist freilich relativ: Eine Flasche ab Hof gibt es bei Tement ab 8 Euro. Steirische Weine würden durch ihre Eleganz, Leichtfüssigkeit im Geschmack und hochreifen Aromen bei geringem Alkoholgehalt eine perfekte Balance abgeben.
Bleibt die Frage, weshalb auch Tement nur drei Prozent Rotweine produziert: «Wir könnten in der Steiermark tolle Pinot Noir herstellen, müssten dafür aber unsere besten Lagen aufgeben. Möglicherweise würden wir uns dann mit den Besten der Welt messen, erreichten aber kaum die Anerkennung unserer Weissweine, wo die Konkurrenz weniger gross ist.» Der Jungwinzer betont die enorme Entwicklung, die sich in den letzten Jahren in der Steiermark abzeichnete – mit entsprechenden Weinen, tollen Restaurants und Vinotheken. «Die Südsteiermark wird am besten verstanden, wenn der Kunde in unserer Region war.»
Von Reto E. Wild